#41 Depressionen in der Musik

Am 10. Oktober wurde im Rahmen des Welttags für psychische Gesundheit wieder für dieses wichtige und zugleich extrem schwierige Thema sensibilisiert. Wir nehmen den Ball auf und beschäftigen uns heute mit den Schattenseiten im Musikbusiness: Depressionen, Angstzustände, Einsamkeit, Selbstmordgedanken, Drogensucht… Ist die Psyche von Musiker*innen ein Spiegel der Gesellschaft oder ist diese Gruppe vielleicht überdurchschnittlich oft betroffen? Und falls dem so sein sollte, weshalb? Schaltet ein, helft uns durch dieses immer präsente, oft marginalisierte Thema und achtet auf euch und einander. Denn – mit den Worten von UFC-Fighter Paddy Pimblett: “I would rather see my friend crying on my shoulder than have to go to his funeral next week. Let’s get rid of the stigma!”

Das bundesweite Infotelefon Depression: 0800-3344533

Tanzende Punks in der Brauerei!

Das Live & Durstig Festival 2022 in Alsdorf (NRW) / 05. November 2022

Festivals müssen nicht zwingend Open Air und im Sommer auf einem Stoppelfeld stattfinden. Es gibt auch gute Indoor-Festivals im Herbst und Winter. Interessant wird es, wenn diese dann nicht unbedingt an einem der üblichen Veranstaltungsorte stattfinden, sondern z. B. auf Schlössern oder Burgen, in Bildungseinrichtungen, in Plattenläden oder z.B. in einer Brauerei.

Das geht vor allem dann, wenn der Inhaber der Brauerei selbst Musik verrückt ist, so wie Frank Langguth von der Biermanufaktur-Langguth, Heimat des Craft Biers Fronk, der in seiner Brauerei auch schon mal seiner Hefe mit ausgewählten Punkplatten auf die Sprünge hilft. Zum zweiten mal findet hier nun 2022 eine kleines Punk-Festival statt, welches für Deutschpunk-Fans auch in diesem Jahr wieder ein gut ausgewähltes Line-Up bereithält. Auch bei Frank wurden die Pläne zur Fortsetzung der Erstauflage 2019 durch Corona kräftig durchgemischt, Respekt also für das Durchhalten und erneute Auf-die-beine-Stellen.

Butterwege, Zwakkelmann und Chefdenker spielen unter anderem am 05.11.2022 in dem wirklich schönen Ambiente der in Alsdorf gelegenen Brauerei, in der Nähe Aachens an der niederländischen Grenze. Dazu gibt es das Selbstgebraute von der Pogo-Hefe.

Über das was die Besucherinnen und Besucher dieses Jahr erwartet berichtet Mitveranstalter Markus Schneiderwind: „Stell dir vor du musst den Veranstalter beim Stage Diven auffangen und 10 Minuten später stehst du mit ihm an der Theke, um über Punkrock und die geilsten Biere der Welt zu sprechen. So in etwa funktionierts. Wir sind so froh zurück zu Sein mit einem der außergewöhnlichsten Festivals in Sachen Punkrock. Die Leute haben uns immer darin bestärkt, auf den richtigen Zeitpunkt für das Comeback zu warten und am 5.11. wird’s jetzt richtig eins auf die Glocke geben. Hab gehört ein paar Tickets gibt’s noch, aber echt nicht mehr so viele.“

Wir vom Wellenbrecherbereich sind in diesem Jahr leider nicht selber vor Ort, haben uns aber für den nächsten Termin schon mal eine Vormerkung in unserem Kalender notiert. Damit das auch weiterhin in die Tat umgesetzt werden kann, freuen sich die Veranstalter über viele durstige Besucher. Der Preis ist mit 25 Euro (28 an der Abendkasse – sofern es eine gibt) sehr fair angesetzt.

Tickets für die Veranstaltung am 05. November gibt es noch hier zu ergattern: https://www.biermanufaktur-langguth.de/tickets/index.php/

Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, kann hier einmal in die Zeit vor Corona zur letzten Ausgabe 2019 zurückblicken:

Deine Cousine – Ich bleib nicht hier (2022)

von Felix

Am Samstag, den 01. Oktober haben wir mit Deine Cousine ein Interview geführt. Zu diesem Interview gelangt ihr hier oder über unseren Podcast in allen bekannten Streamingformaten.

Das neue Studioalbum von Deine Cousine erschien am 09. September 2022. Es ist nach Attacke von 2019 das zweite Album der Band um Sängerin und Songschreiberin Ina Bredehorn.

Produziert wurde das Album von Vincent Sorg, der unter anderem auch das letzte Album der Broilers produzierte (Puro Amor → Now Playing hier!).

Die Produktion von Ich bleib nicht hier ist äußerst gelungen und hebt sich durchaus von dem etwas roherem Vorgänger ab, der noch von Daniel Flamm produziert wurde. Das soll keine qualitative Wertung der einzelnen Songs sein, die neue Produktion wirkt lediglich etwas akribischer und umfassender und trennt deutlicher die (punk)rockigen von den poppigeren Teilen.

„Deine Cousine macht auf jeden Fall Musik für die ganze Familie!“ Ina Bredehorn im exklusiven Interview

Bleiben wir aber bei dem neuen Album: Ich war auf das Album nach dem Auftritt von Deine Cousine auf dem diesjährigen Deichbrand (Bericht hier!) sehr gespannt. Nach dem ersten Hören hatte ich einen positiven Gesamteindruck, wusste aber auch recht schnell, welche Songs ich persönlich davon häufiger hören werde und welche eher seltener. Ich halte das auf dieser Platte für eine Stärke, die Stücke sprechen musikalisch eine eindeutige Sprache in Bezug auf Tempo und Anspruch. So findet man im ersten Drittel soliden Pop-Rock, von dem ich sehr gerne viel mehr im alltäglichen Radioprogramm hören würde. In Songs wie Irgendwo da draußen oder Bang Bang habe ich einige Parallelen zum Puro Amor Album der Broilers gefunden, finde die Songstruktur bei Deine Cousine allerdings viel passender, so dass sich manche Aspekte meiner Broilers-Kritik hier ins Gegenteil kehren. Der reduzierte aber immer anwesende Rock-Sound in den ersten vier Stücken wird gezielt und geschickt eingesetzt, um die Lieder anzutreiben wie zum Beispiel im Refrain von Bang Bang. Dazwischen gibt es auch mal recht poppige Elemente wie das Keyboard auf Küsschen links, Küsschen rechts oder mehrstimmige chorartige Parts.

Mit Lied 5 dem titelgebenden Song Ich bleib nicht hier nimmt die Platte für mich eine Wendung, denn dieser und viele der folgenden Songs sind für mich mehr als nur gute Pop-Rock-Songs.

Ich bleib nicht hier lebt von einer unfassbar gelungenen Dramatik in der Songstruktur und dem Zusammenspiel von Lyrics, Gesang und Musik. Von Anfang bis Ende eine geniale Spannungskurve. Der Wellenbrecherbereich hat hier seinen Lieblingssong von diesem Album gefunden und wir freuen uns sehr, dass Sängerin Ina Bredehorn uns in unserem Interview speziell zu diesem Lied einiges zur Entstehung und Gestaltung berichtet hat (Link hier!)

„Mir ging es einfach super beschissen an diesem Tag!“

Nach so einem emotionalen Track ist es immer schwierig für den nachfolgenden Song. Am besten einfach ab durch die Mitte. Folgerichtig wird dann mit Träume findet man im Dreck die Stimmung total aufgebrochen. Dieser Song prescht sofort nach vorne und bietet richtigstarken Punkrock.

Das Album bleibt dann facettenreich und bringt mit Bring mich nach Hause eine wirklich starke Rock-Ballade, die zwar in den ersten Takten beginnt wie ein Pet-Shop-Boys Stück, sich aber musikalisch sehr schön entwickelt. Ähnliches gilt für kaputtgeliebt oder 369, wobei das musikalisch wieder etwas poppiger ist, aber den Hörer dafür textlich bindet. Das ist überhaupt ein wesentliches Merkmal der Platte. Die Texte sind stark, weil sie sehr authentisch und sprachlich treffend sind – egal ob eher ironisch spaßig oder ernst und persönlich.

So schließt die Platte dann mit Bielefeld, Paris oder Madrid und Einen noch dann mit den textlich zwar belangloseren, aber dafür musikalisch treibenden und auf Konzerten hervorragend funktionierenden Titeln.

Im Fazit bleibt für mich festzuhalten, dass Deine Cousine mit Ich bleib nicht hier eine Platte abliefern, die nicht in allen Songs meinen persönlichen Geschmack trifft, die ich aber vom Konzept verstehe. Außerdem sind einige hervorragende Lieder dabei und in der Gesamtheit lässt mich diese Platte hoffen, dass man diese Lücke von gelungenem, weil authentischem Pop-Rock mit Deine Cousine endlich schließen kann. Dieses Genre war über Jahre hinweg zu oft peinlich gewollt oder viel zu cheesy besetzt. In jedem Fall sollte man den Werdegang von Deine Cousine weiter verfolgen, denn:

„Ich möchte einfach Musik machen, die mir gefällt. Und vielleicht ist es auch morgen was ganz anderes.“

Ich bleib nicht hier von Deine Cousine erhält von uns 7 von 10 Wellenbrecher.

Teil 2 – Das Festival

Und damit wären wir dann auch beim zweiten Teil meines Berichts, in dem das Deichbrand-Festival einmal gegen den Strich gebürstet wird: Mir fällt es in diesem Jahr noch etwas schwer, Kritik anzubringen, da die Situation rund um Corona plus die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen aus dem bitteren Cocktail der Pandemie und des immer noch miesen Krieges russischer Machthaber gegen die Ukraine sicherlich das Feiern im Allgemein weiter betäuben, vor allem aber Rahmenbedingungen bieten, die mir zuerst mal ein ehrliches Hutziehen und tiefe Dankbarkeit abverlangen vor allen Menschen, die sich trotzdem trauen ein kulturelles Programm auf die Bühne zu bringen. Das geht nicht nur an die Brandstifter vom Deich, sondern an alle Veranstalter, Booker, Schauspieler, Wirte usw., die letztlich für Leute wie uns trotz großer Ungewissheit einfach immer weiter dranbleiben und durchziehen. Merci!

Und wenn ich gerade dabei bin zu loben, dann liebes Deichbrand habe ich auch im Jahr 2022 etwas zu loben, das für andere Besucher teilweise ein richtiger Dorn im Auge scheint. Euer Line Up bietet eine Genre-Vielfalt, die seines gleichen sucht. Wie ich im ersten Teil bereits erwähnte, habe ich nicht alles gesehen und fand auch nicht alles gut – der Auftritt von Apache 207 lässt mich nach wie vor verwirrt zurück. Dennoch war klar wahrzunehmen, dass ihr auch damit einen Nerv trefft und diese Buchungen sicher auch den Altersdurchschnitt auf eurem Festival senken. Die Bühnen waren bei besagten Auftritten stets rappelvoll und aus dem Grund werden wir hier im Wellenbrecherbereich sicher nicht einfach in das klassisch billige Auto-Tune-Bashing verfallen. Ich habe gesehen, dass viele Leute Bock auf diese Künstler und Künstlerinnen haben und wenn mir das nicht gefällt, dann esse ich halt ein Handbrot und freue mich auf oder über den Auftritt Afrobs oder einer anderen Band.

Gleiches gilt für eure Electronic Island. Optisch übrigens ein absoluter Kracher und musikalisch durchaus hochkarätig besetzt mit DJs, die durchgängig die Party am Laufen hielten. Nicht wenige Besucher haben sich eigens für diese Stage das Festivalticket gekauft. Ich persönlich mag dieses Konzept und bin genau aus diesem Grund auch sehr gerne beim Deichbrand, wenngleich auch ich mir in diesem Jahr noch den einen oder anderen Act aus dem Bereich Rock, Punk oder Alternative mehr gewünscht hätte.

Die explodierenden Preise auf eurem Festivalgelände haben wir ebenfalls versucht, so objektiv wie möglich zu bewerten. Aktuell steigen überall die Preise, so natürlich auch auf den Festivals. Aber leider geht diese Argumentation für mich auch nur zum Teil auf, denn da alles teurer wird, die Löhne aber lange nicht in dem gleichen Verhältnis ansteigen, beißt sich hier die Katze in den Schwanz: Ihr müsst mehr Geld verlangen, weil alles teurer wird – ich kann mir weniger bei euch kaufen, weil alles teurer geworden ist. Die Frage also, ob sich Preiserhöhungen in diesem Ausmaß wirklich lohnen, würde mich tatsächlich sehr interessieren. Für alle Menschen, die ohnehin sehr auf ihre Ausgaben achten müssen, war dieses Jahr sicher eine große Herausforderung. Die meisten aus unserer Gruppe arbeiten in Vollzeit und konnten sich so über die Tage noch etwas auf dem Gelände „gönnen“, aber auch das wesentlich reservierter und bedachter als in den Vorjahren. Wir waren uns allerdings auch einig, dass es dann zumindest in Qualität und Quantität stimmen muss und das war leider nicht überall festzustellen. Als kleiner Eindruck für alle, die nicht vor Ort waren ein Bier 0,5l kostete 6 Euro, Wodka Red Bull 0,3l z.B. 9,50, eine Currywurst mit Pommes 10,-, Bratnudeln 9,50 usw.

Es gab ausreichend Getränkestände und somit auch nur zu Stoßzeiten mal längere Schlangen, allerdings habe ich in diesem Jahr sehr wenig leckeres Fassbier bekommen. Natürlich gibt es zwischen einem Besuch in einem bayrischen Biergarten und einem Fassbier aus dem Plastikbecher auf einem Musikfestival immer einen Unterschied, dieses Jahr war das Bier aber sehr häufig richtig flaps und das fällt bei dem Preis auch mächtig auf.

Leider ist uns auch sehr negativ aufgefallen, dass es an einigen Ständen Methode hatte, sich zu verrechnen. Irgendwie verständlich, weil bei den Gästen auch die Bereitschaft Trinkgeld zu geben litt, aber sicher nicht der richtige Weg, dieses so auszugleichen.

Über die Vielfalt im Essensangebot freue ich mich immer sehr, da so für jeden Geschmack etwas Richtiges angeboten wird und die Zeiten, in denen es neben den Brezeln nur noch Pizzaklumpatsch oder Pommes gab vorbei sind. Aber auch hier gab es in der Qualität an einigen Stellen klare Abstriche. Es tut einfach weh einen Zehner in sehr mittelmäßige Imbissideen zu stecken, da hilft es auch nichts, wenn man den Gerichten tolle Namen verpasst. Das gilt nicht für alle Angebote, insbesondere einige Foodtrucks haben leckere, frische Snacks serviert, ingesamt aber mehr so „meh“.

Auch immer wieder Thema ist die Toilettensituation auf dem Gelände. Insgesamt war das noch in Ordnung und die Putzcrew hat alles gegeben. Moderne Konzepte mit mehr Urinalen für Männer und Frauen, Peefences etc. bieten hier aber noch viele Möglichkeiten der Verbesserung.

Die größtenteils ehrenamtlich tätigen Hilfs- und Sanitätsdienste waren sehr präsent. Ohne diesen bemerkenswerten Einsatz sind solche Feste nur schwer umsetzbar.

Ansonsten gab es noch allerlei Werbegedöns von einigen Märkten, Telefonanbietern, Radiosendern oder Getränkeherstellern. Das brauche ich persönlich nicht, kann es aber im Rahmen der notwendigen Sponsor-Partnerschaften akzeptieren und weitgehend ignorieren.

In Bezug auf das Gelände und die Festival-Organisation möchte ich mit einem Lob abschließen: Ich liebe es nach wie vor, dass ihr beim Deichbrand die beiden Hauptbühnen immer nacheinander bespielt und sich die Überschneidungen lediglich auf Auftritte im Palastzelt (oder ggf, der Electronic Island) beschränken. Bitte behaltet das möglichst bei!

Als letzten Teil möchte ich nochmal einen Blick auf das Campinggelände werfen. Gelobt habe ich ja bereits die Genre-Vielfalt, die es allerdings dann auch mit sich bringt, dass man auf dem Campingplatz häufig Musik hören muss, die einem nicht gefällt. Als mein persönliches Problem resümiere ich dann auch etwas, das andere Besucher gar nicht stört bzw. für sie überhaupt den Reiz großer Festivals ausmacht: Unter dem psychosozialen Druck des Saufdiktats werden über vier Tage nur stumpfer Schlagertechno und sogenannte Party- bzw. Sauflieder aus den Boxen geballert. Nicht selten sexistisch, aber klar – ironisch. Wir haben uns da in der oben bereits verlinkten Podcastfolge schon zu ausgetauscht. Es gibt tatsächlich Leute, die nur wegen der Campingplatz-Action zu einem Festival gehen. Ich finde, dass es die Mischung macht. So wundert es mich allerdings nicht, dass je größer ein Festival wird, das Angebot an sogenannten „Green-Campings“ zunimmt. Sehr ähnlich habe ich diese Entwicklung auch schon vor Jahren beim Hurricane und bei Rock am Ring ohnehin festgestellt.

In puncto Antidiskriminierung, Miteinander oder auch Umweltbewusstsein finden sich beim Deichbrand jedoch von vornherein schon erschreckend wenige Bekenntnisse auf der Homepage oder bei den Infos zu Campingplatz und Sicherheit. Immerhin das „Panama-Konzept“ wurde wieder umgesetzt. Hier sehe ich sehr starken Nachholbedarf, zumindest sofern es das Deichbrand-Team wünscht, dass ihr Festival eine Party für alle ist, auf der keiner Angst haben muss, aus irgendwelchen Gründen ausgegrenzt oder diskriminiert zu werden.

Ich bin gespannt, wie es in den nächsten Jahren weitergeht und bin jetzt schon neugierig auf das neue Line-Up für 2023.

Wer selber einmal am Deichbrand teilnehmen möchte, der Ticketverkauf für 2023 hat bereits begonnen: LINK