Iron Maiden – Senjutsu (2021)

von Felix

Früher als Teenager und junger Erwachsener, der noch zu Hause wohnte, hatte ich in unregelmäßigen Abständen einen ganz spontanen Anflug eines wohligen Gefühls des Glücks über das eigene zu Hause verspürt. Meistens war das der Fall, nachdem man einige Tage sein scheinbar selbstbewusstes, spätpubertäres Ich durch verschiedene Sozialexperimente trieb und sich ein paar Nächte in Kneipen, Clubs, auf Konzerten und Partys oder einfach nur mit Freunden irgendwo draußen herumtrieb. Wenn man dann anschließend wieder zu Hause saß mit einem Kaffee in der Hand und alles um einen herum war die bekannte, gemütliche und sichere Umgebung und man dachte, den ganzen Party-Scheiß eigentlich gar nicht zu brauchen, waren das immer sehr glückliche Momente.

Was hat das jetzt bitte alles mit der neuen Iron Maiden Platte zu tun?!

Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn ich eine Iron Maiden Platte höre, dann erlebe ich einen ganz ähnlichen Moment. Ich experimentiere mich musikalisch gerne durch fast alles, was ich finden kann. Ich gebe meinen Ohren alles zu probieren und kenne nahezu keine Genre-Grenzen. Iron Maiden aber holen mich zurück. Dabei ist Metal gar nicht mal mein musikalisches Zu Hause, aber immer wenn die Stimme Bruce Dickinsons und die singende Gitarre Dave Murrays oder insgesamt der doch recht unverkennbare Maiden-Sound ertönt, dann fühle ich mich irgendwie einfach entspannt und gut.

Und so ging es mir auch beim Hören des neuen Albums. Direkt mit dem ersten Stück – gleichzeitig dem Titelstück des Albums Senjutsu wusste ich, dass ich eine Platte höre, die mich nicht enttäuschen wird. Hier werden genau die klassischen Maiden Merkmale abgerufen: die in den Strophen manchmal kehligen, etwas gepressten Vocals, im Chorus dann mitsingbar und teils hymnenartig und in der Bridge dann das verlangsamte, aber unverkennbar intonierte Rufen Bruce Dickinsons. Herrlich.

Bands, die so lange im Geschäft sind wie Iron Maiden brauchen derlei Markenzeichen. Es ist allerdings immer auch eine Gratwanderung bei neuen Aufnahmen. Man möchte die eigenen Fans nicht langweilen, aber sich auch nicht zu weit weg entwickeln und durch zu viele Experimente und Änderungen treue Hörer vergraulen.

Ich persönlich finde, dass der Band dies auf dem neuen Tonträger durchaus gelungen ist, denn zu den eben beschriebenen immer wiederkehrenden klassischen (Erkennungs-)Merkmalen gesellt sich eine doch eher ungewöhnliche Songstruktur, die allerdings viel Platz benötigt. Diesen Platz nimmt sich Iron Maiden und das gefällt mir ausgesprochen gut. Die Songs erzählen Geschichten und diese können nicht alle in radiotauglichen dreieinhalb Minuten erzählt werden. Beim Hören hatte ich nie das Bedürfnis einen der längeren Tracks weiterzuskippen, weil ich das Gefühl hatte genug gehört zu haben, sondern – ganz im Gegenteil – ich konnte mich so gut in den einzelnen Passagen verlieren, dass ich häufiger nachschauen musste, zu welchem Lied der Teil jetzt eigentlich nochmal gehört. Gerade die längeren Stücke – und es sind alleine drei von zehn Titeln mit über zehn Minuten Länge – machen für mich den Reiz des neuen Albums aus, weil die Dramaturgie unglaublich gut getimt und abwechslungsreich ist.

Die drei längsten Songs und vier weitere stammen allesamt aus der Feder des Bassisten Steve Harris. Ich verneige mich vor diesen Kompositionen. Auch die teilweise minutenlangen Instrumentalphasen nehmen einen sofort mit in die Story des Tracks bzw. des Albums insgesamt.

Diese Kombination – Maiden-typischer Sound und durchaus anspruchsvolle Songlängen – hat für eine Rotation gesorgt, die für Iron Maiden Platten bei mir eher ungewöhnlich ist (mit Ausnahme vielleicht der A Real Live One, die habe ich damals auch rauf und runter gehört).

So bleibt Iron Maiden für mich eine Band, von der ich nie sage, dass ich ein richtiger Fan bin, die aber dennoch eine bemerkenswerte Konstante in meiner Musik-Biographie abgibt, die sich durch das neue Album Senjutsu eindrucksvoll zurückgemeldet hat und mir damit nachhaltig zu eingangs beschriebenen Glücksgefühlen verhilft. Ich möchte dies mit ebenfalls bemerkenswerten 9 von 10 Wellenbrechern bewerten.

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