Genuary Tipp 31/31 2022

Anaïs Oluwatoyin Estelle Marinho aka Arlo Parks

Mit Collapsed in Sunbeams erschien Anfang 2021 ein Album für das die junge Engländerin Arlo Parks völlig zurecht viel Aufmerksamkeit bekam. Diese weit überwiegend positive Rückmeldung brachte ihr konkret eine ganze Reihe Preise und Auszeichnungen in 2021 ein. Um nur einige zu erwähnen: Best Independent Album 2021, UK Independent Breakthrough bei den Independent Music Awards, oder Best New Artist bei den Brit Awards und zuletzt den Mercury Price für das Best New Album. Das sind nur einige Beispiele, es gibt weitere Preise und dazu eine noch längere Liste an weiteren Nominierungen. Da kann man sich nur verneigen. Besonders schön ist das, weil Arlo Parks so eine herrlich authentisch sympathische Art hat, sich ehrlich über diese Auszeichnungen zu freuen und diese auch als Anerkennung für ihr musikalisches Schaffen einordnet.

Was den Reiz ihrer Songs ausmacht, ist dass sie zum einen in der Sprache sehr klar, aber durchaus poetisch rüberkommen und zum anderen, dass sie musikalisch eine Leichtigkeit vermitteln, die in den überwiegenden Fällen im Kontrast zum Inhalt der Texte steht. Das ist unglaublich clever komponiert und arrangiert. Einer meiner absoluten Favoriten des Debut-Albums ist zum Beispiel der Song Violet. Er vereint eigentlich alles, was ich an dieser Platte wirklich liebe – sie ist sehr vielseitig hörbar: Wenn ich Zeit habe, kann ich tiefer eintauchen und die Texte richtig wirken lassen und wenn ich nebenbei einfach nur schöne laid-back Musik hören möchte, dann ist dieses Album ebenso gut geeignet.

„It feels like nothing’s changing and I can’t do this.“

Wir schließen heute den Genuary 2022. Alle vorgestellten Künstlerinnen sind Empfehlungen, weil wir ihre musikalischen Werke, ihre Persönlichkeiten und ihr Auftreten schätzen und es sind immer einige Bands und Musikerinnen dabei, die sich auf unseren Playlists festgesetzt haben. Ich wollte diesen Monat daher mit Arlo Parks mit einer Interpretin beenden, die ich allen besonders ans Herz lege. Wenn ihr also eine ähnliche Leidenschaft für hervorragende Texte habt wie ich und Arlo Parks bisher nie so richtig wahrgenommen habt, dann holt das nach. Als jemand der auch 2022 noch gerne beim Hören guter Musik mit einem Textblatt in der Hand die Musik mitliest, ist das mein eindringlicher Appell an euch, der vielleicht etwas romantisch klingt, aber durchaus ernst gemeint ist: Lest mehr Lyrics! Es hilft, die Musik zu fühlen.

Leider gibt es zu dem schönen Beispiel, welches ich dazu anbringen möchte kein gutes Video, nur dieses beschissene Aquarium. Aber gut, vergesst diese Fische, hört einfach das Lied Moon Song, welches mich persönlich ein wenig an Mazzy Stars Fade Into You erinnert, aber tatsächlich ein Cover eines an für sich schon sehr guten Songs Phoebe Bridgers ist. In jedem Fall ein würdiger Abschluss unseres Genuarys. Ihr lieben Leute, bleibt aufmerksam und offen beim Musikhören, urteilt nicht so schnell und schon gar nicht aufgrund irgendwelcher unrelevanter Merkmale, die niemals einen direkten sondern höchstens einen konstruierten oder ideologischen Einfluss auf den künstlerischen Output einer Person haben. Hört doch einfach die Musik, die euch gefällt.

https://www.youtube.com/watch?v=UXFVBg2Gals

https://www.instagram.com/arlo.parks/

#23 Das dreckige Dutzend (Best of 1991) Special

Schon im Dezember trafen wir uns, um ein Jubiläum zu feiern: 30 Jahre war es damals her, als im Jahre 1991 so viel gute, teils bahnbrechende Musik von heute legendären Bands auf den Markt kam. Zum Jahresabschluss wollten wir ganz besinnlich über einige dieser Bands und Künstler sprechen und den 30. Geburtstag von 4×3 großartigen Tracks jenes Jahres mit euch feiern. Natürlich lassen wir dabei auch ein wenig die 90er im Allgemeinen Revue passieren. Fühlt euch eingeladen, einmal mehr in unsere Zeitmaschine zu steigen.

Der Wellenbrecherbereich wünscht allen Hörerinnen und Hörern an dieser Stelle nochmals ein gesundes, freudiges und musikreiches Jahr 2022!

Auch auf den gängigen Streamingdiensten abrufbar.

Genuary Tipp 30/31 2022

Marisa Missy Dabice und Kaleen Reading von Mannequin Pussy

Volle Ladung Live-Musik gefällig? Mitten in unsere Luxus-Problem-Wunde der großen Konzert-Vermissung? Mannequin Pussy spielten im vergangenen Oktober eine Show in ihrer Heimatstadt Philadelphia, die auf Video aufgenommen wurde und akustisch sehr stark abgemischt auf YouTube zu finden ist.

Sängerinnen und Sänger stehen natürlich schnell im Mittelpunkt einer Band und – klar, auch bei Konzerten voll im Fokus. Mannequin Pussy vereint neben der energiegeladenen Frontfrau Marisa aber mit der großartigen Schlagzeugerin Kaleen und dem Bassisten Colins Regisford (der beim letzten Song im unten verlinkten Video auch als Sänger richtig einen raushaut) gleich drei Sympathieträger, die für mich eine Positivität und Power mit auf die Bühne bringen, so dass man sie schnell ins Herz schließt, obwohl viele Lieder eigentlich wütende Texte und Inhalte transportieren. Nebenbei, der Auftritt erfolgte kurz nachdem ihr Van in Ohio mit dem gesamten Equipment gestohlen wurde, so dass auch dieses Konzert nur mit geliehenen Instrumenten gespielt wurde.

Mannequin Pussy haben bereits drei Studioalben veröffentlicht. Irgendwo zwischen Indie, Punk und Grunge haben sie sich im Jahr 2021 – mittlerweile bei Epitaph Records – in mein Herz gespielt. Leider finde ich, das die Studioversionen nicht immer die gleiche Energie mitbringen, wie das was Mannequin Pussy bei ihren Liveshows raushauen. Und trotzdem bleibt diese Band für mich eine absolute Empfehlung. Ich lege allen Festivalmenschen hier eine Band ans Herz, die mit Herz, Hirn und Humor richtig geile Bretter aufs Parkett haut. Und weil das so ist, gibt es heute nur ein Live-Video, das ist dafür aber einfach verdammt gut.

https://www.instagram.com/mannequinpussy/

Genuary Tipp 29/31 2022

Die Dorks mit Lizal Dork aus Marktl am Inn, Bayern

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Unser Interview mit Lizal findet ihr überall, wo es Podcasts gibt und hier auf dem Blog.

Die Entwicklung dieser Band ist schon erstaunlich. Über sieben Alben hinweg vollzog sich langsam, aber stetig die Metamorphose vom – mit Verlaub – musikalisch überschaubaren Spaßpunk hin zum ernsthaften Metalpunk mit politischen und gesellschaftskritischen Texten. Die Maschine von morgen erschien am 30. April 2021 bei Coretex Records und der Titelsong klingt so:

Hauptverantwortlich für diesen Wandel dürfte Sängerin, Texterin und Gitarristin – kurz Frontfrau – Lizal Dork sein: Damals über Abgefuckt liebt Dich Mitmusizierende suchend und seither voller Leidenschaft den Ton angebend.

Ihre Begeisterung für Musik, so berichtet Lizal in einem Interview, entflammte bereits in Grundschultagen, als sie Anfang der 90er zum ersten Mal Barcelona hörte – das epische Duett Freddy Mercurys mit Montserrat Caballé. Schon sehr früh begann sie ein Instrument zu lernen, erst Keyboard, dann etwas später Gitarre. Über einen gewonnenen Talentwettbewerb rutschte Lizal in die Welt des Schlagers. Ein paar Songs wurden aufgenommen und ein Fernsehauftritt beim Grand Prix der Volksmusik folgte.

Doch je älter Lizal wurde, desto deutlicher erkannte sie die sexistische, scheinheilige und gleichförmige Welt hinter dem Schlager – willkommen im #Genuary. Zwar gibt es im Pop wie im Schlager deutlich mehr Musikerinnen, als in anderen Genres, aber ob diese wirklich als Künstlerinnen oder eher als singende „Männerträume“ wahrgenommen und vermarket werden, sei dahingestellt. Auch im Rock muss man diese Frage übrigens – zumindest teilweise – stellen. Da sind wir wieder vor der eigenen Haustür: #punktoo

Lizal jedenfalls kehrte der unechten Schlager-Welt den Rücken und ging, nein, lief schnurstracks in eine andere Richtung. Eine damalige Klassenkameradin brannte ihr den „heißen Scheiß“ des Punks und Metals der Neunziger und so kam sie mit Bands wie Iron Maiden und WIZO in Berührung. An dieser Stelle wärmstens zu empfehlen die herrlich selbstironische, dorkische Coverversion eines Maiden Klassikers – 4 of the Dork…  

auch andere Cover-Versionen wie „Dispo Pogo“ oder „Weil ich’n Assi bin“ sind äußerst kreativ umgesetzt

Seit dem aktuellen Album sind die Dorks nur noch zu dritt: Lizal schreibt weiterhin die Musik und Texte, der neue Basser Mark von Elend arrangiert fleißig mit und Drummer Bons setzt um, was komponiert wurde. Eine Arbeitsteilung, die absolut aufgeht. Die Maschine von morgen – als Doppel-Vinyl mit giftgrünen Platten – bescheinigt der Band mit knapp 70 Minuten Spielzeit auf 13 Songs eine gewisse metal-ige Spielfreude. Punkchords treffen auf Metaltiefe und Gitarrensoli. Dazu Texte, bei denen ich vielfach dachte: Jo, recht hat se! Die Songs packen, musikalisch wie textlich. Lieblingsnummer? Eigentlich zwei: Ob ich morgen noch so bin ist inhaltlich sehr enrsthaft und beschreibt die fragile Funktionalität unseres moralischen Kompasses im dunklen gestern, im heute – und im morgen. Und, als krasser Gegenpart dazu, Jobcenter – mit Gerre von Tankard. Thematisch erinnert die Nummer an AC/DC’s It’s a long way to the top if you wanna Rock n Roll.- und musikalisch irgendwie an Judas Priest, oder Lizal? 🙂 Einfach ehrlich, einfach herrlich:

Genuary Tipp 28/31 2022

Erja Lyytinen aus Kuopio, Finnland

Musikalische Expeditionen über den Tellerrand inbegriffen“ heißt es bei uns im Wellenbrecherbereich. Und mit der Gitarristin Erja Lyytinen ist das heute absolut gegeben. Denn bevorzugt in musikalischen Gefilden, die ich nicht mein Zuhause nenne, finde ich es als „worlds okayest Guitar Player“ extrem spannend, Techniken bei den wirklich talentierten Kolleg*Innen  abzugucken oder die Art zu spielen zu bestaunen. Lyytinen ist begnadet im Umgang mit dem Bottleneck und kombiniert in ihrem Songwriting spielend leicht Blues, Jazz und Funk mit ohrwurmigen Popelementen. Ja, und dass ich ein Fan von wohl platzierten Gitarrensoli bin, ist wohl auch kein Geheimnis mehr:

Die 45-jährige ist schon seit Dekaden aktiv, mir aber lange verborgen geblieben (Stichwort Leben in der Blase). Nachdem vor genau zwanzig Jahren gemeinsam mit der Band Dave’s Special das Album Attention! erschien, dauerte es keine zwölf Monate bis zu ihrem eigenen Solo-Debüt Wildflower.

Sprung ins Jetzt: In Corona Zeiten erging es ihr wie vielen (wenn nicht allen?) Musiker*Innen: Sie fühlte sich isoliert – wie ein Fisch auf dem Trockenen. Untätigkeit und Selbstmitleid kamen aber nicht in Frage – ganz im Gegenteil – und so entstand im ersten Lockdown 2020 ein Livekonzert ohne Publikum, zusammengefasst als Lockdown Live 2020. Was die Gitarristin mit ihrer Band hier abliefert, ist nichts anderes als ganz großes Kino und zementiert ihren Platz in der Weltspitze – auf der Liste der “Top 10 Best Players Right Now“ (herausgegeben vom Fachmagazin Total Guitar) rangiert sie auf Platz 2 hinter Nita Strauss von Alice Cooper.

Wer also mal aus dem Hardcore Metal Punk Grunge Suppenteller ausbrechen möchte, dem sei Erja Lyytinen aller wärmstens ans Herz gelegt. Sie beißt auch nicht, versprochen!

Instagram: Erja Lyytinen
Ihre Musik gibt es hier – Songs auf Finnisch sind auch mit dabei.