Genuary Tipp 3/31: Punch und Super Unison (Meghan O’Neil)

Von Felix

Dass ich phasenweise der Hardcore-Musik sehr zugetan bin, dürfte aus dem Podcast bereits hinlänglich bekannt sein. Leider sind auch in dieser Szene Frauen in den Bands, der Produktion usw. weiterhin stark unterrepräsentiert. Kritiker der Szene erwähnen als störendes Element, dass durch die Bands und die Musik gepflegte „though-guy-image“ zu diesem deutlichen Männerüberschuss in der Szene beiträgt. Über diese und weitere mögliche Ursachen ließe sich streiten, ich würde allerdings den Genuary 2023 lieber direkt dazu nutzen, gleich zwei Frontfrauen richtig geiler Hardcorebands vorzustellen.

Bei der ersten Band, die ich euch heute vorstelle handelt es sich um die – zumindest in der Szene – durchaus bekannte und beliebte Band Punch.

Ich war tatsächlich etwas überrascht, als ich kürzlich vor meinen Platten saß und das Album They Don’t Have to Believe (erschien 2014 bei Deathwish) in den Händen hielt. Die Platte ist immerhin schon bald neun Jahre alt und läuft seitdem immer mal wieder und einzelne Songs der Band sind auch in regelmäßigen Abständen auf meinen entsprechenden Tapes oder Playlists. Ich habe bisher trotzdem nie daran gedacht, sie einmal in einem Genuary Post vorzustellen. Das hole ich hiermit nach:

Ganz kurz lässt ich sagen, Punch spielen geilen Hardcore und wer das mag, der muss sie hören. Der Gesangsteil ist hier weit überwiegend ein Schreiteil und dieser wird durch Meghan O’Neil interpretiert. Die Texte sind offensiv und die Musik hart und meistens schnell. Leider existiert die Band in dieser Form schon gar nicht mehr – die Sängerin kündigte kurz nach dem Erscheinen des Albums ihren Rückzug aus der Band an, so dass diese Platte leider die letzte von insgesamt drei Studioalben bleibt (plus ein paar Splits, EPs etc). Mir persönlich gefallen die Songs darauf insbesondere aufgrund der Vocals und ich schätze die Energie, mit der die Texte herausgebrüllt werden, in der die Fassungslosigkeit über die Zustände der Gesellschaft in puncto Feminismus, Diskriminierungen usw. wie z.B. in dem Lied Worth More Than Your Opinion, dem Opener des letzten Albums.

Meghan O’Neil bedankte sich 2014 via Facebook bei den Fans und gestand, dass sie eigentlich eine sehr schüchterne Person sei und ihr das performen mit Punch sehr geholfen habe, als Person zu wachsen, was einmal mehr zeigt, dass auch und gerade die etwas zurückgezogenen Menschen den Mut aufbringen sollten, eine Kunstform zu finden, in der sie ihren Kopf voller Ideen zum Ausdruck bringen können, da ansonsten auch zu viel gute Musik verloren geht. Ihr Facebook-Statement hat das Magazin Brooklyn-Vegan hier konserviert. Wer sich Videos vergangener Live-Auftritte ansieht, wird kaum glauben, dass dort eine eigentlich sehr schüchterne Persönlichkeit ihre Texte in das Mikrofon brüllt. Der vermutlich fleißigste Live-Filmer der Welt Hate5Six hat unter anderem das Punch-Konzert am 08. September 2014 in Sommerville gefilmt, welches somit eines der letzten gewesen sein dürfte.

Meghan O’Neil hat nach ihrem Austritt bei Punch zum Glück nicht aufgehört, Songs zu schreiben und zu singen. Sie ist kurz darauf in ihrer neuen Band Super Unison, nicht weniger bemerkenswert unterwegs. Da hier jedoch zumindest ein wenig kommerziellerer und melodiöserer Rock gespielt wird, habe ich mich entschieden, ihre erste Band Punch in den Vordergrund zu stellen. Auch aufgrund der eingangs benannten Unterrepräsentation von Frauen in der Hardcore-Szene. Für alle, die nicht so gerne Hardcore-Musik hören, aber schon harte Töne bevorzugen sei ihre nächste Band allerdings noch wärmstens empfohlen, denn auch hier legt sie ihre ganzes Herz in das Songwriting, so dass ein musikalisches sehr empfehlenswertes Projekt entsteht, welches ebenfalls bei Deathwish Records erscheint. Der Gesang O’Neils ist hier facettenreicher eingesetzt und Scream-Parts wechseln sich mit cleanen Gesangsteilen ab. Stella hieß die letzte Veröffentlichung aus 2018, Virus repräsentiert den Stil der Band sehr gut.

Jetzt, da ich das schreibe, sehe ich allerdings, dass auch Super Unison auf der Homepage von Deathwish schon wieder unter der Rubrik „Alumni“ geführt werden. Also ist auch hier in Kürze kein Nachschub zu erwarten. Schade, sehr schade. Bei allen überflüssigen Wir-sind-alt-und-brauchen-das-Geld-Reunions – Punch oder Super Unison mit Meghan O’Neil am Mikrofon dürften sich gerne nochmal für eine Platte zusammenschließen, Anlässe für wütende Texte gibt es ja leider aktuell viel zu viele.

#hardcore #hardcoremusic #punch #superunison #deathwish #meghanoneil #hate5six #brooklynvegan

Genuary Tipp 2/31: Leyla McCalla

von Alex

Aus der Rubrik „Expeditionen über den Tellerrand“ möchte ich euch heute die wunderbare Leyla McCalla vorstellen. Die 37-Jährige wurde als Tochter haitianischer Einwanderer in New York geboren und von Kindesbeinen an aktivistisch geprägt. Ihr Vater war bis 2006 der Geschäftsführer der National Coalition for Haitian Rights, ihre Mutter gründete eine  Menschenrechtsorganisation gegen häusliche Gewalt und ihr Opa, Ben Dupuy, betrieb die Haïti Progrès, eine sozialistisch-haitianische Zeitung mit Sitz in New York. Leyla selbst wuchs hauptsächlich auf der südlichen Seite der Bay – im nahegelegenen New Jersey – auf und ging dort zur High School. Als Teenager verbrachte sie zwei Jahre in der Ghanaischen Hauptstadt Accra.

Nach einem Jahr am Smith College ging es flugs weiter an die New York University, um dort Cello und Kammermusik zu studieren. 2010 wechselte sie ihren Wohnort und zog mit ihrer eigenen Familie in die jazzige Hochburg des Landes – ins Big Easy names New Orleans. Dort – vermehrt auf den Straßen des French Quarters – probierte sie musikalisch einiges aus. Zudem war sie ein erweiterter Teil der afroamerikanischen Stringband The Carolina Chocolate Drops (mit der nicht minder beeindruckenden Rhiannon Giddens). 2011 erhielt die Combo einen Grammy für das beste traditionelle Folkalbum des Jahres (Carolina Chocolate Drops and Luminescent Orchestrii).

Bis heute verbindet Leyla politischen Aktivismus und den Kampf gegen Ungleichheit und Rassismus mit ihrer geschichtsträchtigen Musik. In ihrem 2019 erschienenen Soloalbum Capitalist Blues – ihr bereits drittes und für mich eines der besten Alben des Jahres 2019 abseits des Rocks – ist der Name Programm. Textlich wird hier ohne viel Federlesens klar gemacht, was die talentierte Multiinstrumentalistin, die neben dem Cello u.a. auch Banjo und Gitarre spielt, von der Gier unserer westlichen Welt hält:

If a man has money today
People don’t care if he has coco peat??
He can commit murder
And get off free
Live in a governor’s company
But if you are poor
People tell you: Shu!
A dog is better than you

Die beißende Kritik ist gekonnt eingebettet in traditionelle und gleichzeitig moderne karibisch-kreolische Jazzklänge, zugedeckt mit einer Prise bluesiger Melancholie:

Mein persönliches Albumhighlight aber ist ein anderes: In der bleischweren Ballade Heavy As Lead geht es um die Sorgen einer Mutter, die mir ihrem Kind in den viel zitierten prekären Verhältnissen lebt, immer in Sorge, die Miete nicht zahlen zu können, immer in Habachtstellung, kaum Hoffnung aus eigener Kraft da rauszukommen:

This old house might swallow us whole
Begins with our family and soon it comes ‚round to our soul
We’re trying to grab ‚hold of what we can’t control
Always living here on the edge
And that little heart, so full and complete
Doesn’t worry ‚bout making ends meet
As the dust is settling on every street
I am filling up with dread
That’s got me feeling, feeling
Heavy as lead

Auch in ihrem neuesten Album – veröffentlicht im Mai 2022 – nimmt sich Leyla den Themen an, die oft im Verborgenen schlummern und mehr Gehör verdienen. Breaking The Thermometer To Hide The Fever behandelt die filmreife Geschichte des ersten privaten kreolischsprachigen Radiosenders in Haiti (Radio Haiti-Inter) und thematisiert damit auch eindrücklich die immensen Gefahren, denen sich die damals Beteiligten aussetzen mussten. Es geht um freie Meinungsäußerung, um Identität, um Standfestigkeit und Mut. Herausgekommen ist mehr als ein Stück Musik, das die Hörer*innen einfach mal „weg-konsumieren“. Vielmehr handelt es sich um eine vertonte, mit Musik gewürzte Dokumentation. In den Songs gibt es neben Leylas zerbrechlichen Melodien immer auch Interview-Ausschnitte der involvierten Personen zu hören. Was für eine tolle Idee!

Interessierte finden auf der eigens eingerichteten Website weitere Details zum Projekt (klicke hier).

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Genuary Tipp 1/31: Black Mirrors (Marcella Di Troia)

von Alex

Neue Musik zu entdecken ist doch immer etwas Wunderbares! So geschah es mir vor einigen Monaten mit den Black Mirrors. Die Belgische Band um Sängerin Marcella Di Troia, die im Jahr 2013 – damals noch in anderer Besetzung – die Band gegründet hat, wandelt zwischen groovigem Blues und tightem Hardrock. Schon auf ihrem Debütalbum Look Into The Black Mirror (2018) gibt es diverse Songs, die im Ohr hängen bleiben, so z.B. das chicago-eske Till The Land Wind blows:

Und eine Evolution im Laufe der Jahre ist deutlich festzustellen, kommt das vor zwei Monaten erschienene Nachfolgealbum Tomorrow Will Be Without Us deutlich dreckiger um die Ecke, weniger Blues, mehr metallähnlicher Rock. Di Troias kraftvolle Stimme bleibt dabei das wichtigste Markenzeichen und Aushängeschild der Band:

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Gender Genuary 2023 – unsere Genuary Tipps

Das vermutlich letzte Mal wollen wir den Januar nutzen, um euch gezielt Frauen in der Musik vorzustellen. Das können Sängerinnen sein, die uns begeistert haben, oder Instrumentalistinnen, Songwriter, All-Female-Bands, Produzentinnen und und und.

Nach Beendigung dieses Genuarys werden wir dann über drei Jahre insgesamt 93 Genuary Tipps rausgehauen haben (unsere weiblichen Tipps aus’m Pit nicht mitgerechnet). Die Tipps aus den Vorjahren findet ihr hier:

Genuary 2021
Genuary 2022