“Look in their eyes, Ma – you’ll see me!” Literatur in der Musik

Alex‚ Liederatur Solo Teil 1

Als Marco in unserem Ärzte Spezial den Song Clown aus dem Hospiz lobpreiste, fragte ich, ob sich der Komponist Bela hier vielleicht an Joey Goebels Roman Torture the Artist aus dem Jahre 2004 erinnert haben mochte (deutsche Übersetzung: Vincent). Es reifte in mir die Idee, mal einen Artikel zu schreiben, wie und zu welchem Grad schriftstellende Literaten die Musikwelt beeinflusst haben und bis heute beeinflussen. Und da die Musik – so viel sei an dieser Stelle schon verraten – nur so von Literaturverweisen wimmelt, ja, gewissermaßen ins Schwingen gerät, bietet sich natürlich der ideale Nährboden für eine solche Betrachtung. Dabei reicht die Bandbreite von ganz offensichtlicher und unwidersprochener Inspiration – wie z.B. in der epischen Progrock-Nummer Tom Sawyer von Rush

coole Live-Version des Songs – inklusive selbstironischer Parodie von South Park im Intro.

… bis hin zu subtileren Beispielen, auf die ich gleich gerne zu sprechen komme.

Die Symbiose aus Musik und Literatur
Doch bevor es losgeht, steigen wir mit ein paar allgemeinen Worten in das spannende Thema ein. Schon immer galt: Wer in der Kunst etwas Neues schaffen möchte, sollte wissen, was vorher da war. Nichts entsteht aus dem Nichts! Oder um im Bild zu bleiben: Musiker*innen, die sich anschicken, ein neues Kapital zu schreiben, sollten die vorherigen gründlich “gelesen“ haben. Nicht um zu kopieren, sondern um zu verstehen. Und um sich inspirieren zu lassen. So kommt es nicht selten auch zu Überschneidungen mit anderen Künsten (siehe weiter unten), wobei gerade die Literatur der Musik ihre einzigartige Stimme (ver)leiht.

Die Reise der Familie Joad
Die Textzeile aus der Artikelüberschrift stammt ebenfalls aus so einem Song, dessen im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnete Buchvorlage sogar verfilmt wurde und in meinem Now Playing über Fin the Chaefs Album Spaß war gestern kurz Erwähnung findet.
Der Roman Früchte des Zorns von John Steinbeck (erschienen 1939) ist auch heute aktueller denn je, beschreibt er den Leidensweg der Amerikanischen Farmerfamilie Joad, die in den 1930er Jahren aufgrund einer ökologischen Katastrophe (menschengemachte Dürren in Oklahoma und Arkansas) und ökonomischen Krise (die Große Depression) ihr Hab und Gut an die Bank verliert. In der Hoffnung auf Arbeit und ein menschenwürdiges Leben zieht die Familie um den gerade aus dem Gefängnis entlassenen Tom Joad in Richtung Westen. Dort erleben sie Ausbeutung, Fremdenfeindlichkeit, Erniedrigung. Die Parallelen zu heutigen Gesellschaften sind frappierend.
Bruce Springsteen greift in seinem Song The Ghost of Tom Joad die Thematik des Buches und die Mentalität des Hauptprotagonisten in eindrücklicher Weise auf:

Kurzer Textauszug:
Now Tom said; „Ma, whenever ya see a cop beatin‘ a guy
Wherever a hungry new born baby cries
Wherever there’s a fight against the blood and hatred in the air
Look for me, Ma,
I’ll be there

Wherever somebodies strugglin‘ for a place to stand
For a decent job or a helpin‘ hand
Wherever somebody is strugglin‘ to be free
Look in their eyes, Ma,
You’ll see me!

Die auf dem Album Renegades erschienene Coverversion von Rage against the Machine ist ebenso beeindruckend und explodiert geradezu vor blanker Wut und Leidenschaft:

bei ca. 4:50 Minuten hört ihr für mich eine der wütendsten und aufrüttelndsten Musikpassagen der Geschichte!

Eine Waise ohne Geruch
Doch nicht nur der Boss bediente sich bei Literaten. Auch ein gewisser Kurt Cobain baute einem seiner Lieblingsbücher ein musikalisches Denkmal. 1985 erschien Patrick Süskinds Roman das Parfum – ein Welterfolg. Es war die erste und bis heute einzige Romanveröffentlichung des bayrischen Schriftstellers. Die Handlung spielt im Frankreich des 18. Jahrhunderts.

Das Waisenkind Jean-Baptiste Grenouille ist mit einem extem sensiblen Geruchssinn „gesegnet“, während er selbst keinerlei Körpergeruch verströmt. Mit diesen Besonderheiten ausgestattet, wird Grenouille Lehrling eines Parfümeurs und geht dabei – seinem auffallend komplexen Charakter folgend – auch unkonventionelle Wege der Dufterforschung. Süskinds Beschreibungen des Gestanks zu der Zeit sind atemberaubend. Beinahe glaubt man beim Lesen den Geruch in den Gassen selbst wahrnehmen zu können. Cobain gefiel das Buch so sehr, dass er es auf Touren oft dabei hatte.

Untypischerweise kam nun während einer Bandprobe im Jahr 1992 Dave Grohl mit einem neuen Gitarrenriff um die Ecke, welches Cobain eigentlich zu klischeehaft war. Um seinen Freund aber nicht vor den Kopf zu stoßen, jammte die Band herum, bis die Nummer allen gefiel. Als nur noch ein Text fehlte, erinnerte Cobain sich an sein Lieblingsbuch. Es entstand Scentless Apprentice vom letzten Album In Utero:

Like most babies smell like butter
His smell smelled like no other
He was born scentless and senseless
He was born a scentless apprentice

„Who wants flowers when you’re dead?“ – Holden Caulfield, der Vorbote des Grunge
Doch gibt es in der Musik nicht nur bewusste Literaturanspielungen in einzelnen Songs. Manchmal entwickelt sich gar eine ganze Szene, die sich – natürlich nur aus der Retrospektive ersichtlich – in Büchern bereits ankündigte. Im Jahre 1951 – also vor über 70 Jahren – veröffentlichte der US-amerikanische Autor J.D. Salinger das Buch der Fänger im Roggen. Aufgrund seiner für diese Zeit sehr derben Sprache war es in seinem Heimatland lange verboten.

Der Hauptprotagonist Holden Caulfield ist so sehr grunge, dass es wirklich verblüffend ist. Ich wiederhole: 1951 – etwa 35 Jahre vorm „Seattle-Sound'“! Bei näherer Betrachtung gar nicht verwunderlich, wird die Teenage Angst seit jeher von Generation zu Generation weitergegeben – nur mit neuen Nuancen bestückt.

Die Handlung spielt kurz vor Weihnachten des Jahres 1949. Der im Buch 16-jährige Holden (Ich-Erzähler) ist eine sensible Seele, die sich in den gängien Normen und Gepflogenheiten nicht zurecht finden kann und will. Er flog bereits von mehreren Schulen, so auch gerade wieder, er raucht und trinkt zu viel. Wie viele Menschen der Generation Grunge hat auch Holden depressive Züge und empfindet die genannten Zukunftsängste. Aus Furcht vor der Reaktion der Eltern nach dem erneuten Rauswurf, irrt er tage- und nächtelang verloren durch das im wahrsten Sinne des Wortes kalte New York. Er hasst alles, was phony ist – in der deutschen Übersetzung mit dem wunderbaren Wort piefig beschrieben, gemeint sind verlogene, ignorante Menschen, zumeist Erwachsene (höre hierzu: Mr. Moustache, Do the evolution, Blow up the outside world…). Kinder liebt er hingegen sehr, vor allem seine kleine Schwester Phoebe, mit der er über alles reden kann. Kinder sind für ihn das Gegenteil von phony, nämlich unschuldig, pur und beschützenswert (höre hierzu: Polly, Jeremy, Daughter…). Er möchte sie, in Anlehnung an ein Gedicht von Robert Burns, davor bewahren, dieses Echte zu verlieren. In seinen Gedanken ist er der „Fänger im Roggen“, der die ausgelassen in einem Getreidefeld spielenden Kinder bevor beschützt, von einer nahen Klippe zu stürzen.

Im Internet wimmelt es nur so vor Holden Caulfield Playlists. Was würde der junge Mann aus der Nachkriegszeit heute hören? Hier eine Vermutung.

Visualisierung
Doch nicht nur die Textschreiber*innen lassen sich gerne und häufig inspirieren. Auch Musikvideos triefen geradezu vor literarischen Bezügen. Allen voran sei hier der “Erfinder“ des modernen Horrors genannt (neben bzw. chronologisch nach Edgar Allan Poe): Der amerikanische Schriftsteller H.P. Lovecraft. Wer den Mann und dessen Gedankenwelt nicht kennt, schaue einfach mal bei Tool vorbei. Hier werden seine Albträume gewissermaßen zum Leben erweckt:

die Videos zu „Prison Sex“, „Sober“ oder „Schism“ hätten ähnlich gut als Referenz herhalten können

Zu Lebzeiten weitgehend unbekannt, erfreuten sich seine Werke und Kreaturen erst nach Lovecrafts Tod großer Beliebtheit. So wurde das von ihm entworfene Necronomicon von Tocotronic im Song das böse Buch besungen.

Auch gehen unfassbar viele Metal-Texte und -Songtitel auf die Ausgeburten Lovecrafts zurück. Der geschätzte Blog Loudwire hatte vor einigen Jahren mal eine kleine Liste zusammengestellt (siehe hier).

Und sogar TV-Serien wie Stranger Things oder Twin Peaks können Parallelen kaum leugnen. Ebenso wenig wie Zeichentrick-Genie Matt Groening, der bei Charakteren wie Dr. Zoidberg (Futuruma) oder Kang und Kodos, den beiden grünen Außerirdischen aus den Simpsons, Cthulhus Ruf „gehört“ haben wird. Und wer kennt noch Davy Jones aus Fluch der Karibik?
Auch die „neunte Kunst“ – der Comic – verneigt sich vor Lovecraft: Der Ort Arkham (Asylm) aus der Batman-Reihe geht klar auf sein Schaffen zurück.

Bandnamen
Aber genug Exkurs – zurück zur Musik: Denn neben den Songs gibt es auch viele Bandnamen, die ursprünglich den Synapsen eines kreativen Schriftstellers entsprungen sind.

Da wäre zum Beispiel die US-amerikanische Metalcore-Band Atreyu, deren Benennung auf Michael Ende zurückgeht. Atreyu (deutsch: Atréju; „Sohn von allen“) ist der loyale und unerschütterliche Held aus Die Unendliche Geschichte – ein junger Jäger vom Volk der Grünhäute vom Gräsernen Meer.

Oder die Deutschrockband Muff Potter, die sich nach einem wichtigen Charakter aus Die Abenteuer des Tom Sawyer von Mark Twain benannt hat – schon wieder dieser Tom Sawyer. An der Figur des zu unrecht des Mordes angeklagten Muff Potters darf im Roman besichtigt werden, wie wichtig es ist, das Richtige zu tun, auch unter Vernachlässigung der eigenen Unversehrtheit (Stichwort Zivilcourage), wenn Tom und Huck vor Gericht aussagen, was in der Tatnacht wirklich geschah und wer der eigentliche Mörder ist. Falls noch nicht gelesen, unbedingt nachholen.

Bekanntere Beispiele für literarische Bandnamen sind u.a. Steppenwolf (nach dem gleichnamigen Roman von Hermann Hesse) und The Doors (in Anlehung an das Buch The Doors of Perception – dt.: Die Pforten der Warhnehmung – vom britischen Philosophen Aldous Huxley, der auch den Klssiker Schöne neue Welt schrieb: Ford sei mit euch!). Hier berichtet Huxley von seinen Erfahrungen mit bewusstseinserweiternden Drogen… Girl, we couldn’t get much higher! Come on, baby, light my fire!

Bandnamen, Musikvideos, Songtexte und -titel… es gibt so viele Beispiele, wie Literatur die Musik bereichert, dass einem schwindelig werden kann. Von daher, bleibt mir abschließend nur zu sagen: To be continued?! #alexliederatursolo

Terror – Pain into Power (2022)

von Felix

In diesem Now Playing wurden Teile unseres Interviews (WBB) mit Terror-Vocalist Scott Vogel (SV) integriert. Wir belassen die Fragen und die Statements zum Album, zur Szene und der Welt drumherum im Original, da eine Übersetzung den Antworten die Dynamik raubt. Viel Spaß! Thanks for taking your time Scott Vogel! We’re looking forward to seeing Terror live in June.

Ich bin vielen Musikgenres zugeneigt. Dabei gibt es Wellen und Phasen, in denen man den einen oder anderen Stil bevorzugt hört. Hardcore und hier insbesondere der U.S. Hardcore brandete seit meiner Jugend immer wieder auf. Jetzt (am 06. Mai 2022) veröffentlichen Terror ihr neues Album Pain into Power bei End Hits Records. Reden wir nicht groß drum herum: Mit dem neuen Album bügeln Terror im Schnelldurchlauf alles platt, was sich in den letzten Jahren anschickte, einen Platz auf dem Hardcore-Thron zu ergattern.

Ja, zwanzig Minuten sind für das erste Studioalbum seit vier Jahren eine überschaubare Länge und ich persönlich hätte auch drei bis vier weitere neue Songs auf der Platte vertragen, aber andererseits ist nach diesen zwanzig Minuten auch einfach mal alles gesagt. Ich habe direkt nach dem ersten Hören gedacht, dass die Länge tatsächlich ausreicht und musste feststellen, dass genau hier drin eine der Stärken der neuen Scheibe liegt: Die Songauswahl und die jeweilige Kürze geben dem Album eine Dynamik, die mein Hardcore-Herz schneller schlagen und die Vorfreude auf Vollkontakt-Engtanz-Feten im Sommer wachsen lässt.

WBB: The Songs are (very) short, but sound quite self-contained. However, were there any discussions / plans to expand them to a more popular length?

SV: Nope. The discuss was to keep them short. Brutal. As hard hitting as possible and for the songs And record to never let up.  At all 110 percent start to finish. Thinking about a “ popular length “ was the furthest thing from out mind to be honest

WBB: The covid-19 situation is slightly relaxing, will there be any more Tour-Dates for Europe in 2022 / 2023?

SV: Yes there fucking will be!!!!* [siehe unten!]

Nimmt man zum Beispiel direkt den titelgebenden Opener Pain into Power, dann kann man exemplarisch festmachen, wofür das ganze Album steht. Selbst bei Songs unter einer Minute sind durchaus Variationen von Tempo und Takt integriert, der Gesang und die Texte werden so unmissverständlich von Scott Vogel herausgebrüllt, dass am Ende eines jeden Titels einfach keine Fragen offen bleiben. Der „Gesang“ gefällt mir insgesamt sehr gut und damit meine ich sowohl den Vortrag wie auch die Abmischung. Kritiker von Hardcore-Musik betonen häufiger, dass sie die Mucke an sich ganz geil finden, aber bei dem „Gebrülle“ nichts vom Text verstehen. Das ist natürlich auch bei nicht wenigen Hardcore-Bands (zumindest teilweise) zutreffend, bei diesem Album kann man die Lyrics aber hervorragend mithören. Und in meinen Augen lohnt es sich auf dieser Platte mal wieder so richtig, den Worten Gehör zu schenken.

WBB: In an interview from 2018 you said, it's not hard to find new topics to write lyrics about, it's more hard to find a fresh way to say something / finding fresh terms. Can you tell us something about the process of writing the lyrics for your new record? Was there any struggling finding new terms? Cause for me, the topics aren't new for sure, but it all sounds very fresh and very pure.

SV: I think the times we are all living in and the fucking nightmare the world has become has definitely given me reason to write and to be interceptive. So much is going on in this world and the way it separates and eats people alive is devastating and nothing like I’ve never seen before. Adding the brutal music we wrote was a great recipe for true aggressive hardcore.

WBB: For me Hardcore always stands for the most genuine type of respect. You don't judge people because of their outward appearance, you show respect and you get respect. Still a lot of people are afraid of Hardcore- Music / -artists / -fans or at least misunderstand it / them. Is it possible to live a hardcore attitude without being a real fan of this music?

SV: Hmm. That’s interesting.  I guess it could be. Maybe there are people that would not connect with the music and speed and all out aggressiveness of the music but would love the lyrics and thought process and could read zines and learn all about the hardcore mindset and become part of that while still not loving the music.

WBB: Dylan Slocum (vocalist of Spanish Love Songs) once said during a concert that living in L.A. has nothing to do with the bright and shiny movie version of this city. Everybody's struggling for or worried about money. As one who lived in NY and in LA - is there a difference in the city-society? and do you have to be (or at least had to be) part of this society / (sub-)culture to do true hardcore music? Or is it also possible for young people from the suburbs or the rural area to create a real hardcore sound?

SV:I grew up in a smaller city ( buffalo ny ) and lived way outside the city till I became a teenager. So yes it’s very possible. I lived in Los Angeles for 20 years but recently moved back to Buffalo. I like the small city and not being so trapped in life and all it human insanity.

WBB: What has changed in the scene during the last years / decades? Or what's left from the spirit of the late 1980s / early 1990s?

SV: Hardcore will always have the foundation and spirit from the seeds it grew from.  There will always be people holding on to the traditions kept and respecting  the roots but it has to grow and expand and change and ebb and flow. Just like all of us And everything in the world. For better or for worse the changes come and there is just no way to stop that. The internet and social media was the huge turning point for hc just like it affected all things and again it’s wonderful and terrible at the same time.

Neben klassischen Way of Life-Songs befinden sich auch wieder Texte aus dem Bereich Gesellschaft und Politik unter den zehn Songs. Diese schaffen es anzuklagen, zu schimpfen, zu kritisieren und Fassungslosigkeit über gesellschaftliche Begebenheiten auszudrücken, ohne dass sie dabei zu sehr das Klischee des hilflosen Unterdrückten versprühen, sondern ganz im Sinne des U.S.-amerikanischen old-school-Hardcores ein (ver)zweifelndes, aber kämpferisches Selbstbewusstsein zu verkörpern.

Bestes Beispiel und einer meiner Lieblingssongs auf Pain into Power ist On The Verge of Violence:

Racial tension at an all time high. / Have we learned nothing in these desperate times. / We hate each other – cause we hate ourselves. / So much blood, on our hands,In this man made hell.[…] / Violence -destroying humanity / Violence -it’s taken our sanity / Violence -watch the youth disappear / this is reality- face your fears

WBB: Reading News here in Germany you get the impression, that the society in the US was continuously separated during the last years. Poor people with three or four jobs still have to fear for their existence, super rich people and lobbying keeps holding them down, racism, unjust laws and politics and a deadlocked Democracy that seems like it hasn't developed since decades. Is this a correct image of american society or is it over exaggerated? And if yes - why isn't everybody listening Hardcore Music or living the way? Are there still too many people, who just don't care - who just don't give a fuck as long as they are getting along?

SV: These are my favorite lyrics on the record and I think they are important. I saw people I love choosing opposite side and fully being torn apart by all the things you saw. So many times, I myself was unsure and feeling hopeless and fearing the unknowing. I think we all know the gov is not trying to save us all And doesn’t have our best interest at heart in so many ways. I tried to navigate the best I knew how and focus on finding some hope in such a fucked up time. Hardcore isn’t for everyone but I’m very grateful I found it and never let go. Music has to be your hope and the scene has to be your bridge to the hope.  Lyrics have to make you think and explore and feel. And the scene has to take you in and protect you and teach you and show you some sort of light and reason to believe in life and humanity.

Das auch die kürzesten Songs eine runde Sache sind, zeigt Outside The Lies. Mit 44 Sekunden der kürzeste Track. Mir fällt das beim Hören kaum auf, da ich auf dieser Platte wirklich beeindruckt bin, wie Terror es geschafft haben, jedem Text eine musikalische Struktur im Rahmen des Repertoires einer glasklaren Hardcore-Band zu geben, die jedes einzelne Stück zu einer runden Sache abschließt – egal ob bei 50 oder 150 Sekunden Länge.

 WBB: Very strong lyrics (probably my favorite on the new record): Born on the bottom / United by our shattered dreams /Tested in these damaged times / Don’t you fucking question me

We all have an imagination of what's meant with this lyrics / song, but I'd like to hear what drove or motivated you writing the lyrics of OUTSIDE THE LIES?

SV: During the pandemic and the death of George Floyd I saw everyone I know be tested and made to show who they are.  In these trying times and through all the anger and uncertainty these lyrics came out to say to myself that I will have to decide for myself who I am and what I stand for.

Ähnlich nur ganz anders (Jo, isso) als ich das bei meiner Rezension zu Iron Maidens Senjutsu Album im letzten Jahr schrieb (hier nachzulesen): jeder Song muss je nach Band und Stil den Rahmen bekommen, der nötig ist, um die Geschichte und die beabsichtigten Emotionen zu vermitteln und das geht nicht immer in gewöhnlichen dreieinhalb radioverträglichen Minuten und gewohnten 4/4 Strophe-Chorus-Strophe-Chorus Strukturen.

Das gelingt Terror hervorragend und somit bin ich völlig zufrieden und komme zum Abschluss mit einem genialen Life-Hack: Sind Alben nur 20 Minuten lang, muss man sie einfach drei mal hintereinander hören und schon ist eine Stunde rum. Verrückt oder?!

Ich bin mir allerdings total unsicher, wie ich diese Platte jetzt bewerte, denn wie ihr merkt, feiere ich das (je nach Zählweise) 9. Studioalbum der Amerikaner ziemlich ab. Mein um Objektivität bemühtes Kritiker-Ich denkt aber auch, dass es sich ja „nur“ um Hardcore handelt und hier ja keine handwerklich perfekte Musik-Kunst serviert wird… Aber scheiß drauf: Weil ich wirklich jeden Song geil finde und diese Platte schon etwa hundert mal gehört habe und meine Freude immer weiter daran wächst und ich jetzt wieder weiß, welche Art von Hardcore ich am meisten mag, ist diese Platte unter vielen guten Veröffentlichungen in diesem Jahr bisher mein persönliches Highlight. Ich gebe hier jetzt völlig subjektive und Hardcore-verliebte 9 von 10 Wellenbrecher! Aber so ist das, wenn eine alte Liebe völlig unerwartet wieder zum Leben erweckt wird.

*Pünktlich zum Release wurden erste Tour-Daten für Europa angekündigt:

Bildquelle: Instagram Terror

Cancer Bats – Psychic Jailbreak (2022)

von Felix

Nach 4 Jahren melden sich die sympathischen Kanadier mit einem neuen Album zurück. Vorab gab es bereits einige Singles und Videos, die wie im Falle von Lonely Bong mit einer recht ordentlichen Prise Selbstironie / Humor gedreht wurden. Wie auch bei uns im Podcast schon das eine oder andere mal thematisiert, wird auch hier das Alter der Bandmitglieder aufgegriffen und anhand der Frage, inwieweit Bands vom Format der Cancer Bats versuchen müssen, neue Wege zu gehen, um auch jüngere Menschen verstärkt anzusprechen, spaßig verarbeitet.

Dabei steht die Band keineswegs für altbackene Rockmusik, sondern präsentiert sich auf dem Album zwar durchaus gewohnt im Klang, aber modern im Sound.

Die elf Tracks sind eine angenehm reduzierte, gut arrangierte Auswahl an schnelleren Hardcore- / Alternative-Brettern mit sehr vereinzelten etwas ruhigeren, melodiöseren Parts.

Schon beim Opener Radiate geht es ordentlich nach vorne: Bass und Gitarre voll Distortion in den Strophen, ein einfacher Chorus zum Springen und Mitsingen, Bridges und Soli sorgen für leichte Tempowechsel und der Gesang Liam Corniers auf Anschlag – Das macht direkt Bock auf mehr!

Und es geht auch direkt weiter mit The Hoof, einem Song bei dem sich im Intro der Pit in meinen Gedanken beginnt im Kreis zu bewegen, um dann mit Beginn der ersten Strophe zu explodieren. Auch hier fällt mir auf, dass auf diesem Album die Bässe unglaublich fett wirken und das kann man insgesamt festhalten, hier liegt eine wirklich starke Produktion vor, die in einigen Passagen durch den Bass (Jaye Schwarzer) und die Bass Drum von Mike Peters für einen drückenden Sound sorgt. Wenngleich ich gerade dazu durchaus schon andere Meinungen vernommen habe, die vor allem das Fehlen des ehemaligen Gitarristen Scott Middleton heraushören. Das Gründungsmitglied hatte zweifelsohne großen Einfluss auf den Sound der Vorgänger, aber ich kann für mich feststellen, dass die neue Platte erfreulicherweise auch ohne Scott richtig gut funktioniert. Mir gefällt der Sound auf Psychic Jailbreak wirklich gut.

Aber zurück zu The Hoof: My life was saved by a Skateboard! Die Texte kommen also – wie oben bereits schon mal erwähnt – auch weiter mit einem ironisch-nostalgischen Humor herüber, der aber eben ohne einen ernsten Background wirkungslos bleibt und genau den integriert Liam Cornier beim Songwriting sehr bewusst. In einem Beitrag des Kerrang-Magazins (also hier!) kann man seine direkten, kurzen Statements zu jedem einzelnen Stück der Platte nachlesen.

Das Tempo bleibt ziemlich hoch und hat damit bei mir gerade voll den Nerv getroffen. Kann sein, dass es am eintretenden Frühling liegt und den zunehmenden Öffnungen und Möglichkeiten im Freizeitbereich, ich verspüre gerade jedenfalls eine Menge Bock und dieser Umstand lässt sich durch die zum Teil echt krachenden Stücke des neuen Albums aber mal so richtig anfeuern: Nur ein weiteres Beispiel sei hier der Song Friday Night, in dem es zwar textlich etwas ernster zur Sache geht, der aber der treibenden Eröffnung der Platte in Nichts nachsteht. Der Eindruck soll auch nicht entstehen, Cancer Bats sind bei aller Ironie keine Suppenkasper. Sie haben etwas zu sagen und das transportieren sie auch deutlich. Diese Mischung aus ernsteren und etwas sarkastischen Textpassagen haben die drei hier insgesamt gut angerührt, bei Friday Night ist es am deutlichsten zu spüren. Der Titel des Songs ist einfach entstanden, weil der Bassist diesen an einem einizgen Freitagabend komplett komponierte und hat überhaupt gar nichts mit einem TGIF-Feiersong zu tun.

Aber wie sieht es mit den zumindest etwas ruhigeren oder langsameren Titeln aus? So eine richtig klassische, radiotaugliche Ballade findet sich so schnell gar nicht. Hammering On ist vom Tempo her ein wenig reduziert, behält sich aber auch härtere Parts vor. Der Gesang wird hier passend durch die Sängerin Brooklyn Doran ergänzt. Da würde mich wirklich interessieren, wie es zu der Zusammenarbeit kam, denn Brooklyn Doran ist eine klassische, wenngleich anspruchsvolle Songwriterin, die ich aber – außer der Tatsache, dass sie auch aus Kanada stammt – niemals mit den Cancer Bats in Verbindung gebracht hätte. Aber die Überraschung ist durchaus gelungen. Eigentlich war es das dann aber auch schon mit ruhigeren Songs. Die übrigen Stücke gehen zwar nicht alle so direkt nach vorne (zumindest nicht durchgehend), bringen aber ebenfalls klar zum Ausdruck: Cancer Bats haben Bock zu rocken! Gute Beispiele sind dafür auch die Songs Pressure Mind und Rollin Threes. Bei Pressure Mind gibt es etwas weniger Tempo in den Strophen und Instrumental-Parts, dafür dann im Refrain wieder Gelegenheit zum raumgreifenden Ausdruckstanz, Rollin Threes gefällt mir vom Songkonstrukt her ausgesprochen gut, da er eher eine Geschichte erzählt und so mit längeren Strophen und kurzen Chorusphasen für Abwechslung sorgt.

Ich neige im Podcast ja dazu, Bands bzw. Alben in alltagstaugliche Kategorien zu stecken, bei Psychic Jailbreak fällt mir das etwas schwerer, denn wie gesagt, trifft das Album gerade absolut meinen Geschmack. Deshalb lief es bei mir auch bereits zu vielen Gelegenheiten: beim Putzen, beim Arbeiten, beim Duschen, beim Joggen und beim bewussten Konsumieren im Ohrensessel.

Es kann gut sein, dass ich in anderen Lebensphasen noch stärker bemängelt hätte, dass mir das Album zu wenig Kontraste bietet und der Gesang über die Länge des gesamten Albums zu gleichförmig ist, in meiner aktuellen Verfassung bleiben so aber starke 7,5 von 10 Wellenbrecher. Plattenkritiken sind also nicht einfach nur subjektiv sondern unterliegen auch noch intraindividuellen Schwankungen – und auf meiner aktuellen Schwankung skaten die Cancer Bats stabil in meine Playlists – kannst machen nix…

Genuary Tipp 31/31 2022

Anaïs Oluwatoyin Estelle Marinho aka Arlo Parks

Mit Collapsed in Sunbeams erschien Anfang 2021 ein Album für das die junge Engländerin Arlo Parks völlig zurecht viel Aufmerksamkeit bekam. Diese weit überwiegend positive Rückmeldung brachte ihr konkret eine ganze Reihe Preise und Auszeichnungen in 2021 ein. Um nur einige zu erwähnen: Best Independent Album 2021, UK Independent Breakthrough bei den Independent Music Awards, oder Best New Artist bei den Brit Awards und zuletzt den Mercury Price für das Best New Album. Das sind nur einige Beispiele, es gibt weitere Preise und dazu eine noch längere Liste an weiteren Nominierungen. Da kann man sich nur verneigen. Besonders schön ist das, weil Arlo Parks so eine herrlich authentisch sympathische Art hat, sich ehrlich über diese Auszeichnungen zu freuen und diese auch als Anerkennung für ihr musikalisches Schaffen einordnet.

Was den Reiz ihrer Songs ausmacht, ist dass sie zum einen in der Sprache sehr klar, aber durchaus poetisch rüberkommen und zum anderen, dass sie musikalisch eine Leichtigkeit vermitteln, die in den überwiegenden Fällen im Kontrast zum Inhalt der Texte steht. Das ist unglaublich clever komponiert und arrangiert. Einer meiner absoluten Favoriten des Debut-Albums ist zum Beispiel der Song Violet. Er vereint eigentlich alles, was ich an dieser Platte wirklich liebe – sie ist sehr vielseitig hörbar: Wenn ich Zeit habe, kann ich tiefer eintauchen und die Texte richtig wirken lassen und wenn ich nebenbei einfach nur schöne laid-back Musik hören möchte, dann ist dieses Album ebenso gut geeignet.

„It feels like nothing’s changing and I can’t do this.“

Wir schließen heute den Genuary 2022. Alle vorgestellten Künstlerinnen sind Empfehlungen, weil wir ihre musikalischen Werke, ihre Persönlichkeiten und ihr Auftreten schätzen und es sind immer einige Bands und Musikerinnen dabei, die sich auf unseren Playlists festgesetzt haben. Ich wollte diesen Monat daher mit Arlo Parks mit einer Interpretin beenden, die ich allen besonders ans Herz lege. Wenn ihr also eine ähnliche Leidenschaft für hervorragende Texte habt wie ich und Arlo Parks bisher nie so richtig wahrgenommen habt, dann holt das nach. Als jemand der auch 2022 noch gerne beim Hören guter Musik mit einem Textblatt in der Hand die Musik mitliest, ist das mein eindringlicher Appell an euch, der vielleicht etwas romantisch klingt, aber durchaus ernst gemeint ist: Lest mehr Lyrics! Es hilft, die Musik zu fühlen.

Leider gibt es zu dem schönen Beispiel, welches ich dazu anbringen möchte kein gutes Video, nur dieses beschissene Aquarium. Aber gut, vergesst diese Fische, hört einfach das Lied Moon Song, welches mich persönlich ein wenig an Mazzy Stars Fade Into You erinnert, aber tatsächlich ein Cover eines an für sich schon sehr guten Songs Phoebe Bridgers ist. In jedem Fall ein würdiger Abschluss unseres Genuarys. Ihr lieben Leute, bleibt aufmerksam und offen beim Musikhören, urteilt nicht so schnell und schon gar nicht aufgrund irgendwelcher unrelevanter Merkmale, die niemals einen direkten sondern höchstens einen konstruierten oder ideologischen Einfluss auf den künstlerischen Output einer Person haben. Hört doch einfach die Musik, die euch gefällt.

https://www.youtube.com/watch?v=UXFVBg2Gals

https://www.instagram.com/arlo.parks/