Heute im Genuary eine Künstlerin, die hervorragend auch in unser Dreckiges Dutzend Mental Health gepasst hätte (höre hier). Smith stammt ursprünglich aus dem musikverrückten Manchester und ist eine Musikerin, die ich mir ganz bewusst in ganz bestimmten Gemütszuständen auf die Ohren gebe. Leise, aber durchdringend, resilienzfördernd und selbsttherapierend. Musik von Gizelle Smith macht groß und stark.
Und was gibt’s bei der Engländerin zu hören? Zweierlei: Herkömmlicher Funk and Soul aus vergangenen Tagen, meisterlich arrangiert und tiefseriös vorgetragen. Aber auch frische Sahnetoppings aus dem 21. Jahrhundert, die an Künstler wie Jamiroquai, Portugal The Man oder eine Prise Balthazar erinnern lassen. Und während ihr Debütalbum aus 2009 – eingespielt mit den glorreichen Mighty Mocambos aus Hamburg – noch bluesig schwer im Magen lag (und dabei trotzdem sehr gut war), ist ihr drittes Album Revealing aus 2021 die pure Lebensfreude.
An dieser Stelle sei deshalb auch lobend das Recordlabel Jalapeno erwähnt, das gewiss seinen Teil zum Wohlfühlfaktor des Albums beigetragen hat. Weitere spannende Künstler vom UK-Funk-Label findet ihr hier.
Smiths Mutter kommt von den Seychellen und ihr Vater Joe ist afro-amerikanischer Herkunft – Soul-Experten vielleicht noch bekannt als Teil der Motown Truppe von den Four Tops aus Detroit. Wie bei so vielen Musiker*innen, die uns heute mit ihrem Schaffen erfreuen, war das Talent also gewissermaßen in die Wiege gelegt.
Flora Skuller eigentlich Fleur van Zuilen ist die Sängerin und Gitarristin der niederländischen Punkband MARCH, Hermance van Dijk spielt dort ebenfalls die Gitarre, ich fokussiere mich hier heute zunächst auf Flora Skuller, da sie auch aktuell musikalisch unterwegs ist, wie ich unten genauer berichte. Die Band besteht bereits seit 2013 und hat sich in Breda gegründet und Stück für Stück durch emsiges Touren und viele Festivalauftritte zunächst in ihrer Heimat und dann auch in weiteren europäischen Staaten eine Fanbase erspielt. Sie veröffentlichten 2014 ihre erste EP In The Air und 2016 ihr erstes Album Stay Put. Beide erschienen noch auf White Russian Records. Mittlerweile wurde 2020 das dritte Album Set Loose veröffentlicht, dies erschien dann bei Uncle M und ist auch nach wie vor dort zu bekommen – also greift zu, denn MARCH spielen schnörkellosen modernen Punk. Also rau, aber auch gut produziert, einfach aber nicht langweilig und laut, aber trotzdem eingängig. Der Gesang Flora Skullers ist dazu passend sehr stark, ich habe mehr als einmal im Netz den Vergleich mit Brody Dalle (Distillers) gelesen und kann mich in manchen Teilen durchaus anschließen. Wie z.B. bei dem Stück Head Shears vom Album Stay Put:
Was mir an der Band sehr gefällt, ist, dass sie gerade auch in Videos und auf Konzerten oder anderen öffentlichen Auftritten einen sehr angenehmen ironischen Humor zeigen. Ihr Auftreten entspricht auch keineswegs irgendwelchen Punk-Mode-Diktaten, die Bandmitglieder sind eher als Frische-Wäsche-Punker unterwegs. Dafür kostümieren sie sich und spielen gerne in ihren Videos. Das Video zu Reapers Delight wurde im alten Schlachthof in Haarlem gedreht.
Die Band wird auch in diesem Festival-Sommer wieder viele Bühnen besteigen, darunter auch bei dem großen Jera On Air Festival und auf einigen kleineren Festivals in Deutschland, wie z.B. dem Fallig Open Air in Enkirch. Außerdem habe ich mit Freude wahrgenommen, dass sowohl MARCH wie auch Flora Skuller Solo bei meinem Lieblingsfestival in den Niederlanden (und überhaupt) dabei ist – beim großartigen Madnes! Die Solo Platte der MARCH Sängerin kam im letzten Jahr (nur digital) auf den Markt. Sie trägt den Titel Velvia und zeigt eine andere Seite der Punk-Sängerin, schön arrangierte und gesungene Akustik-Songs wie z.B. der Song Emma.
Flora Skuller ist im Februar (am 25.) für wenig Geld live in Wiesbaden zu sehen. Auf dem Kreativgelände Wiesbaden – ebenfalls ein altes Schlachthofgelände. In den Wochen davor gibt es ebenfalls vereinzelte Auftritte in z.B. Hamburg, Dortmund oder Bonn. Teilweise für umsonst oder für nen Zehner. Ich würde zu gerne einen der Auftritte sehen, ich habe das Gefühl hier schlägt ein echtes Herz für die Musik. So möchte ich enden mit einer Aussage der Sängerin selbst, so wie sie auf der Seite ihrer Booking Agentur zitiert wird:
"Ich habe ein riesiges Bedürfnis zu schreien und dabei abzugehen. Aber, die Kehrseite ist, Mitglied einer Band zu sein, ist auch ein sehr sicherer Ort. Du hast das Gefühl die Band hält dir immer den Rücken frei. Solo zu spielen ist unbequem, herausfordernd und unglaublich persönlich. Ich hatte ein sehr starkes Bedürfnis danach um mich als Songwriterin weiter zu entwickeln. Während ein Teil von mir schreien- und viel zu laut spielen will, gibt es auch die andere Seite von mir, die sich einfach mit einer Akustikgitarre hinsetzen möchte. Diese zwei Welten können absolut koexistieren. ” - von Gröli Music
Momentan hält mein Longboard zwar Winterschlaf, aber sobald der Frühling in den Startlöchern steht, geht’s wieder raus – mit vier Rollen unter den Füßen und Amyl And The Sniffers in den Ohren. Die Australier liefern uns Skate Punk wie er rotziger und authentischer kaum sein kann (wie es Felix bei Generción Suicida erging). Und tanzbar ist er auch… irgendwie; mir gefällt‘s:
Dabei sind die hauptsächlich zwei/drei Minuten Stücke der Band nicht nur fürs unverfängliche Feel-Good-Skaten geeignet. Auf beiden bisher erschienenen Alben (self-titled Debüt aus 2019, ausgezeichnet mit dem ARIA Award als bestes Rock-Album des Jahres und Comfort To Me aus 2021, welches bei mir rauf und runter lief) hat Amy Taylor, die explosive Frontfrau der Sniffers, was zu sagen. Wie sie in Interviews verriet, musste sich die heute 26-Jährige im Laufe der noch jungen Karriere – wie so viele Frauen in der Musikbranche (höre dazu unser Interview mit Lizal von den Dorks) – nicht wenige diskriminierende Entgleisungen anhören. Dieser unterschwellige oder auch offene Sexismus, diese Ignoranz in der Musikszene, macht sie würtend. Und Wut und Punk, das passt wie Arsch auf Eimer und kann ganz wunderbar in den Texten aufgearbeitet werden. Im Interview mit dem österreichischen Radiosender FM4 erklärt Taylor, was sie am meisten nervt: „Frauen müssen so viel mehr leisten, so viel härter arbeiten und so viel besser sein, um eine Chance zu bekommen im Musikgeschäft. Scheiß drauf! Ich kämpfe dafür, dass Frauen genau so viel Mist bauen können wie Männer. Wenn es eine Message gibt, dann die: Geht raus und spielt. Und wenn es richtig schlecht ist, umso besser, dann spielt erst recht!“
Denn so fing nach eigener Aussage auch ihre Band mal an. Nachdem Taylor als junge Erwachsene bei der erstbesten Gelegenheit aus ihrem Heimatkaff Mullumbimby im Norden von New South Wales nach Melbourne flüchtete, das eine großartige Musik- und Livemusikszene beherbergt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, gründete sie dort mit ihren drei Mitbewohnern die Band. Einfach mal so, warum auch nicht? Just for Punk! Die Instrumente beherrschte niemand so richtig.
Inzwischen ist das anders (Sidefact: der heutige Basser kam später dazu und ist als einziger kein Gründungsmitglied).
Und was die Live-Auftritte angeht, ist die vierköpfige Band sowieso eine Liga für sich. Gerade die Performances von Taylor sollten meiner Ansicht nach Pflichtprogramm an sämtlichen weiterführenden Musikschulen sein. Titel des Moduls: „How to own the stage without fearing to look unfavourable“. Wenn Amy Taylor loslegt, sollte man schleunigst Platz machen. Nicht selten wirkt es, als wäre sie bis in die Haarwurzeln mit dem Adressaten ihrer Worte auf dem Kriegsfuß. Ein Streitgeschrei, Widerworte zwecklos! Das hab ich bisher selten so gesehen. Und überlege mir besser zweimal, der Frau irgendwie zu widersprechen.
die positiv verrückte Frontfrau von Amyl And The Sniffers liefert ab… zwischen Rap, Gesang und Geschrei
Das Kerrang-Magazin bezeichnete die Band Generación Suicida 2018 als Los Angeles most authentic Punk Band (hier nachzulesen) und das ist ein Urteil, dem ich mich gerne anschließen möchte. Ich habe es schon im Podcast durchblicken lassen, mit US-Punk habe ich so meine Schwierigkeiten. Viele Bands sind nicht schlecht und thematisieren auch punktypische Themen, aber irgendwie klingt es einfach immer unverwechselbar amerikanisch und zu durchgestyled. Generacion Suicida bringt richtig geilen Punk-Sound mit spanischen Texten angekurbelt von der großartigen Kimberly „Kiwi“ Martinez, die neben dem Schlagzeug auf einigen Songs auch für Gesangsteile verantwortlich ist. So wie z.B. bei dem Titel Ilusion.
Das auch im linken, toleranten Punk- und Alternative-Bereich viel Nachholbedarf in der musikalischen Partizipation besteht sollte mittlerweile deutlich geworden sein. Exemplarisch wurde in den letzten Jahren viel (und durchaus zurecht) mit dem Finger auf große Festivals gezeigt, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Besetzungen der engagierten Bands weit überwiegend männlich sind. Auf deutschen Punkrockfestivals ist die Situation allerdings kaum besser (gewesen). An den Drums sind Frauen immer noch sehr selten anzutreffen, ich denke aber, dass Persönlichkeiten wie eben Kiwi durchaus ein Vorbild sein können und weitere Interessierte motivieren und inspirieren können, denn gerade Live kommt die Musik der vier Kalifornier noch stärker rüber. Ich würde mich freuen, wenn sich da mal eine Gelegenheit gibt auch in Deutschland ein Konzert zu besuchen. Nebenbei: auch diese Band habe ich über den Kanal KEXP kennengelernt, genau wie die vorgestern vorgestellten Margaritas Podridas. Zum Abschluss ein Song aus dem kurzen Set aus dem Oktober 2021. Deshalb gibt es hier einfach den Link zur vollen Performance und Interview
Bei meinem heutigen Tipp dachte ich erst: Ja, ganz cool, aber schon x-fach gehört. Doch als ich tiefer in das aktuelle Album Faster (aus 2021) eintauchte, war ich positiv überrascht. Samantha Fish spielt nicht bloß Southern Rock. Nein, sie mischt ihn auf ansprechende Weise mit Syntipop Elementen. Und das klingt dann so:
Ja, Alex und der Syntipop, das ist wahrlich keine Freundschaft fürs Leben. Auch in der Albumbesprechung zu den Blood Red Shoes konnte ich mit dem Sound nicht viel anfangen (höre hier). Samantha Fish hat mir jedoch gezeigt, dass man nichts kategorisch ausschließen sollte. Es ist lediglich eine Frage der Umsetzung und der Dosierung. Die Dosis macht das Gift oder in diesem Fall: Die richtige Zubereitung macht das bekömmliche Mahl. Doch nicht nur der Syntipop transformiert welken Southernrock in ein junges, knackfrisches Gemüse. Auch ihre Anleihen in Richtung RnB, Rap und Blues tragen ihren Teil dazu bei. Die Nummer Loud lässt gar an Amy Winehouse erinnern, ehe der Rock Einzug hält:
Die musikbegeisterte Samantha drosch schon in jungen Jahren auf das Schlagzeug ein, ehe sie (erst) als Teenager zur Gitarre wechselte. Das meiste brachte sie sich selber bei. Als sie ein gewisses Niveau erreicht hatte, ließ sie sich von lokalen Bluesmusikern inspirieren, hörte und spielte aber auch Hard Rock, Americana und Bluegrass. Machen wir uns nichts vor: Ehrlicherweise haben Frauen es auch heute zumeist immer noch deutlich schwerer, irgendwo Fuß zu fassen, anerkennt zu werden, Respekt zu erhalten, als Männer. In Samanthas Heimatstaat, dem konservativ geprägten Kansas (auch die Jazz- und Bluesszene ist extrem männerdominiert) mag das besonders spürbar sein. This is a man’s world! Um so beeindruckender, wenn Frau sich dort durchsetzt und mit Größen wie Buddy Guy oder Joe Bonamassa auftritt.
Und aktuell steht ein weiteres Feature ganz vorne im Schaufenster: Zusammen mit Südstaaten-Gitarrist Jesse Dayton, der wiederum schon musizierte mit Johnny Cash, Waylon Jennings und Willie Nelson, kam im Dezember druckfrisch die EP The Stardust Sessions auf den Markt, was die Houston Press hinreißen ließ, die beiden als „dynamisches Duo“ zu lobpreisen.
Ab März ist zumindest die eine Hälfte des dynamischen Duos in Deutschland auf Tour (Tickets gibt’s hier).
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