Genuary Tipp 23/31 Spelling

Von Felix

Wir blicken nach zwei deutschen Acts in Folge mal wieder in die USA. Mit Spelling aus Kalifornien gibt es dort eine Künstlerin, Tia Cabral mit bürgerlichem Namen, die 2021 mit The Turning Wheel ihr drittes Studio-Album veröffentlicht hat. Spellling übt auf mich eine merkwürdige Faszination aus, da sie Indie-Pop Songs komponiert und singt, die eigentlich viele Elemente enthalten, die ich gar nicht mag. Viel Pop, viel Klingklang, viel Drama und zum Teil sehr hoher Gesang. Aber was soll ich sagen, alles ist so hervorragend dosiert und arrangiert, dass am Ende eher ein Art-Pop dabei herauskommt der unfassbar viele Assoziationen im Kopf entstehen lässt und es mir unmöglich machte, abzuschalten. Beinahe jedes Lied beinhaltet etwas neues Faszinierendes. Beim ersten Hören des letzten Albums dachte ich mal an Busta Rhymes, Eurythmics und auch konkret an den Gesang Annie Lennox, oder an die Musik von Sleigh Bells, 70er Jahre Zeichentrick-Serien, dann wieder an Film Noir Soundtracks und so weiter. Ein Beispiel gefällig? Hier der Song Queen of Wands und ich wette, ich muss nicht mal dazusagen, welche der oben aufgezählten Assoziationen dazu passen:

Wer beim ersten Hören nicht überzeugt ist, Album zurückstellen. Bei mir kam nach einigen Wochen ein Drang, dem Album eine zweite Chance zu geben und es hat mich dann offensichtlich auf den richtigen Vibes erwischt. Ich bin jetzt so angetan von der Künstlerin, dass ich ihre Platten sammeln möchte und mit großer Freude gesehen habe, dass es mittlerweile auch drei Tapes gibt. Richtige oldschool Mixtapes made by Spellling, wie geil ist das bitte?! So empfehle ich wieder mal allen Lesern die von uns so oft gepredigte Expedition über den Tellerrand zu unternehmen – von Zeit zu Zeit lohnt sich das einfach.

Für solche vielfältigen Klangwelten braucht die Sängerin eine ganze Reihe Musiker, die für ihr Album die Musik einspielten, produziert ist das ganze aber wiederum von ihr selbst. Bei diesem Musikstil sicher eine gute Lösung, denn nur so kommt am Ende auch das zum Vorschein, was dem Anspruch dieser bemerkenswerten Künstlerin genügt. Ich scheine aber auch nicht der einzige Mensch zu sein, der bevorzugt harte Musik hört und trotzdem diese Künstlerin schätzt: Im November spielte Spellling auch auf der Turnstile Tour. Krasse Kontraste – Ying und Yang. Leider habe ich davon keine Aufnahme finden können, gute andere Live-Aufnahmen gibt es aber doch eine ganze Reihe und so schließe ich mit einer Live-Version des Songs Boys at School.

https://www.youtube.com/watch?v=Xt1rtF2col4

Genuary Tipp 22/31: Lulu und die Einhornfarm

Von Felix

Lucie Fuckface, Sängerin auch bei The Toten Crackhuren im Kofferraum hat mit Lulu und die Einhornfarm ein weniger elektronisches mehr punkiges Projekt am Start. Alles Weitere bleibt ähnlich. Die Texte sind direkt, ironisch, sarkastisch und manchmal irgendwie sogar etwas tragisch, denn wenn man ihrem Gesang und ihren Texten richtig zuhört ist das häufig vordergründig etwas witzig verpack, thematisiert aber doch oft sehr ernste Themen. Das finde ich immer sehr bemerkenswert, wenn es gelingt, da es sonst auch schnell nach Lustig-Lustig-Saufi-Saufi-Punk klingen kann. Zugegeben, Die Songs machen schon Spaß und lassen sich sicher auch hervorragend an feuchtfröhlichen Abenden mitgrölen.

Am 24. Februar erscheint das neue Album Alles klärchen Bärchen (bei Bakraufarfita). Die bereits veröffentlichten Titel zeigen, dass dies auch auf dem neuen Tonträger so weitergehen wird, Das trifft natürlich nicht auf alle Titel zu. Im Bus wird nicht gekackt hat keine tiefgründigere Message. Das ist bei dem Song Ich bin so lustig, wenn ich betrunken bin schon etwas anders. Alkohol macht vielen von uns Spaß, bereitet aber auch sehr viele Probleme, eines der noch harmlosen Probleme ist dabei die fehlende oder verzerrte Selbstwahrnehmung – das wird hier sehr gut dargestellt.

Das 2016 veröffentlichte erste Album Ihr seid Alle scheiße zeigte bereits Krawall-Lyrik muss nicht immer stumpf sein und kann auch Spaß machen. Wobei ich es ebenfalls sehr schätze, dass die einzelnen Songs dann auch eine angenehme Kürze haben, sonst nutzt sich das Hau-drauf-Prinzip doch irgendwann recht schnell ab. Somit bleiben Lulu und die Einhornfarm ein Tipp für etwas kurzweilig polemische Sozialkritik. Macht Spaß, ist dreckig und trotzdem nicht ganz belanglos. Und weil der Titel so schön ist schließen wir mit dem lyrischen Mittelfinger:

Genuary Tipp 21/31: Bokka (Karolina Kozak)

von Alex

Heute Nachschub aus der wunderbaren Rubrik Kuriositäten aus der Genrekiste: Die polnische Band Bokka. 2013 gegründet von drei anonymisierten Musiker*innen, die stets futuristisch anmutende Masken tragen – Slipknot lässt grüßen. Die Identität der Sängerin wurde zu einem späteren Zeitpunkt als Karolina Kozak bekannt gegeben, womit sich auch der Bandname entschlüsselt. Dieser setzt sich vermutlich (?) aus ihrem Namen und dem ihres Ehemannes Bogdan Kondracki, auch Teil der inzwischen vierköpfigen Band, zusammen. Musikalisch hat Bokka nicht das geringste mit Slipknot zu tun. Sie hocken selbstbewusst in der Nische hinter der Nische – im melancholisch-elektronischen Dreampop. Sehr speziell und ich weiß selbst noch nicht so genau, was ich nun davon halte. Horizonterweiternd ist ihre Musik allemal. Und nur kopieren, was es schon ewig gibt, ist auf Dauer auch ermüdend. Für Schaffende wie für Hörende. Deshalb unbedingt ein eigenes Bild machen:

Nach dem self-titled Debüt im Gründungsjahr folgten drei weitere Alben, im Abstand von erst zwei, dann drei und jetzt vier Jahren. Vor allem die letzten beiden Longplayer Life on Planet B (2018) und Blood Moon (2022) erinnern mich sowohl vom Albumtitel her, als auch bei Musik und Bandoptik intensiv an Ray Bradburys Buchklassiker die Mars Chroniken (1950) – und an die visionären Denkanstöße des Autoren. Grüße an die Moralbehörde!

Und meine bold prediction zum Schluss: 2027 dann das fünfte Album von Bokka.

Interessante Links:
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Genuary Tipp 20/31: Velvet Two Stripes

Von Felix

Wir sprachen im Podcast bereits häufiger darüber, dass wir musikalisch in alle Stilrichtungen offen sind. Ich kann in fast allen Stilen und Genres Bands, Künstlerinnen oder Künstler benennen, die mir gut gefallen. Trotzdem verharre auch ich häufig über gewissen Zeiträume – manchmal Tage, mal Wochen oder Monate – in bestimmten Musikrichtungen. Aktuell eher mal wieder im Hardcore und Punk. Dieses Verharren hält dann meist so lange an, bis mir ein Song begegnet der mich vom ersten Moment an packt und umhaut und aus dem musikalischen Dornröschen-Schlaf wachküsst. Vor kurzem waren das eben die Velvet Two Stripes mit ihrem Song Catch 22. Umhauen darf man hier nicht missverstehen, es ist zu Beginn ein sehr ruhiges Stück, aber mit diesem astreinen Bluesrock wurde ich an eine Musikrichtung erinnert, die ich sehr lange vernachlässigt habe. Das hat auch den Grund, dass mir viele Interpreten dieser Richtung zu kompliziert und / oder langatmig erscheinen. Velvet Two Stripes zeigen, dass Bluesrock auch sehr stark ist, wenn er direkt und mit der richtigen Energie gespielt wird.

Der Titel ist von dem letzten Album Sugar Honey Iced Tea, welches im Oktober 2021 herauskam. Leider ist dieses so wie die anderen aktuell nicht mehr als Tonträger verfügbar. Das ist sehr bedauerlich. Die Band besteht aus Sophie Diggelmann (Gesang und Gitarre), Sara Diggelmann (Gitarre) und Franca Mock (Bass). Am Schlagzeug werden sie live von Dave Flütsch unterstützt. Die drei Schweizerinnen haben damit 2021 ihr bereits drittes Album herausgebracht und sie bestehen bereits seit 2010 wenngleich es noch etwas dauerte, bis die ersten Veröffentlichungen auf den Markt kamen. Ich habe erst im letzten Jahr über GRRRL-Noisy kennengelernt. Das Album überzeugt mich durch die Abwechslung denn einige Stücke gehen eher in eine Garage oder Fuzz-Rock Richtung (wie z.B. Two To Tango), während andere eben klar zum Blues tendieren (wie z.B. FU).

Es ist sehr schade, dass aktuell keine Konzerte in Planung sind. Ich hoffe, dass sich das demnächst noch ändert. Ich habe mich jetzt durch ihre Discographie gehört und bin sehr froh diese Formation jetzt nach erst zwölf Jahren ihres Bestehens für mich entdeckt habe – sicher noch nicht zu spät, denn auf ihrem dritten Album klingen sie so wie eine Band, die sich gefunden hat und wenn man Interviews mit ihnen liest oder schaut, dann sagen sie es letztlich auch genau so. Sie haben nach einem anfänglichen Hype in der Schweiz mit den Jahren immer mehr als Band bzw. als Trio zusammengefunden und können so auch ihre Rolle als mögliches Vorbild vor allem, aber nicht nur für junge Frauen voll ausfüllen, denn auch im (Blues-)Rock ist auf und vor der Bühne noch ein klarer Männer-Überschuss.

Für eventuelle Konzerttermine oder News zu Veröffentlichungen folgt ihnen hier auf Instagram.

Genuary Tipp 19/31: Gizelle Smith

von Alex

Heute im Genuary eine Künstlerin, die hervorragend auch in unser Dreckiges Dutzend Mental Health gepasst hätte (höre hier). Smith stammt ursprünglich aus dem musikverrückten Manchester und ist eine Musikerin, die ich mir ganz bewusst in ganz bestimmten Gemütszuständen auf die Ohren gebe. Leise, aber durchdringend, resilienzfördernd und selbsttherapierend. Musik von Gizelle Smith macht groß und stark.

Und was gibt’s bei der Engländerin zu hören? Zweierlei: Herkömmlicher Funk and Soul aus vergangenen Tagen, meisterlich arrangiert und tiefseriös vorgetragen. Aber auch frische Sahnetoppings aus dem 21. Jahrhundert, die an Künstler wie Jamiroquai, Portugal The Man oder eine Prise Balthazar erinnern lassen. Und während ihr Debütalbum aus 2009 – eingespielt mit den glorreichen Mighty Mocambos aus Hamburg – noch bluesig schwer im Magen lag (und dabei trotzdem sehr gut war), ist ihr drittes Album Revealing aus 2021 die pure Lebensfreude.

An dieser Stelle sei deshalb auch lobend das Recordlabel Jalapeno erwähnt, das gewiss seinen Teil zum Wohlfühlfaktor des Albums beigetragen hat. Weitere spannende Künstler vom UK-Funk-Label findet ihr hier.

Smiths Mutter kommt von den Seychellen und ihr Vater Joe ist afro-amerikanischer Herkunft – Soul-Experten vielleicht noch bekannt als Teil der Motown Truppe von den Four Tops aus Detroit. Wie bei so vielen Musiker*innen, die uns heute mit ihrem Schaffen erfreuen, war das Talent also gewissermaßen in die Wiege gelegt.