Genuary Tipp 18/31: MARCH (Flora Skuller, Hermance van Dijk)

von Felix

Flora Skuller eigentlich Fleur van Zuilen ist die Sängerin und Gitarristin der niederländischen Punkband MARCH, Hermance van Dijk spielt dort ebenfalls die Gitarre, ich fokussiere mich hier heute zunächst auf Flora Skuller, da sie auch aktuell musikalisch unterwegs ist, wie ich unten genauer berichte. Die Band besteht bereits seit 2013 und hat sich in Breda gegründet und Stück für Stück durch emsiges Touren und viele Festivalauftritte zunächst in ihrer Heimat und dann auch in weiteren europäischen Staaten eine Fanbase erspielt. Sie veröffentlichten 2014 ihre erste EP In The Air und 2016 ihr erstes Album Stay Put. Beide erschienen noch auf White Russian Records. Mittlerweile wurde 2020 das dritte Album Set Loose veröffentlicht, dies erschien dann bei Uncle M und ist auch nach wie vor dort zu bekommen – also greift zu, denn MARCH spielen schnörkellosen modernen Punk. Also rau, aber auch gut produziert, einfach aber nicht langweilig und laut, aber trotzdem eingängig. Der Gesang Flora Skullers ist dazu passend sehr stark, ich habe mehr als einmal im Netz den Vergleich mit Brody Dalle (Distillers) gelesen und kann mich in manchen Teilen durchaus anschließen. Wie z.B. bei dem Stück Head Shears vom Album Stay Put:

Was mir an der Band sehr gefällt, ist, dass sie gerade auch in Videos und auf Konzerten oder anderen öffentlichen Auftritten einen sehr angenehmen ironischen Humor zeigen. Ihr Auftreten entspricht auch keineswegs irgendwelchen Punk-Mode-Diktaten, die Bandmitglieder sind eher als Frische-Wäsche-Punker unterwegs. Dafür kostümieren sie sich und spielen gerne in ihren Videos. Das Video zu Reapers Delight wurde im alten Schlachthof in Haarlem gedreht.

Die Band wird auch in diesem Festival-Sommer wieder viele Bühnen besteigen, darunter auch bei dem großen Jera On Air Festival und auf einigen kleineren Festivals in Deutschland, wie z.B. dem Fallig Open Air in Enkirch. Außerdem habe ich mit Freude wahrgenommen, dass sowohl MARCH wie auch Flora Skuller Solo bei meinem Lieblingsfestival in den Niederlanden (und überhaupt) dabei ist – beim großartigen Madnes! Die Solo Platte der MARCH Sängerin kam im letzten Jahr (nur digital) auf den Markt. Sie trägt den Titel Velvia und zeigt eine andere Seite der Punk-Sängerin, schön arrangierte und gesungene Akustik-Songs wie z.B. der Song Emma.

Flora Skuller ist im Februar (am 25.) für wenig Geld live in Wiesbaden zu sehen. Auf dem Kreativgelände Wiesbaden – ebenfalls ein altes Schlachthofgelände. In den Wochen davor gibt es ebenfalls vereinzelte Auftritte in z.B. Hamburg, Dortmund oder Bonn. Teilweise für umsonst oder für nen Zehner. Ich würde zu gerne einen der Auftritte sehen, ich habe das Gefühl hier schlägt ein echtes Herz für die Musik. So möchte ich enden mit einer Aussage der Sängerin selbst, so wie sie auf der Seite ihrer Booking Agentur zitiert wird:

"Ich habe ein riesiges Bedürfnis zu schreien und dabei abzugehen. Aber, die Kehrseite ist, Mitglied einer Band zu sein, ist auch ein sehr sicherer Ort. Du hast das Gefühl die Band hält dir immer den Rücken frei. Solo zu spielen ist unbequem, herausfordernd und unglaublich persönlich. Ich hatte ein sehr starkes Bedürfnis danach um mich als Songwriterin weiter zu entwickeln. Während ein Teil von mir schreien- und viel zu laut spielen will, gibt es auch die andere Seite von mir, die sich einfach mit einer Akustikgitarre hinsetzen möchte. Diese zwei Welten können absolut koexistieren. ” - von Gröli Music

Genuary Tipp 16/31 Generación Suicida (Kiwi)

Von Felix

Das Kerrang-Magazin bezeichnete die Band Generación Suicida 2018 als Los Angeles most authentic Punk Band (hier nachzulesen) und das ist ein Urteil, dem ich mich gerne anschließen möchte. Ich habe es schon im Podcast durchblicken lassen, mit US-Punk habe ich so meine Schwierigkeiten. Viele Bands sind nicht schlecht und thematisieren auch punktypische Themen, aber irgendwie klingt es einfach immer unverwechselbar amerikanisch und zu durchgestyled. Generacion Suicida bringt richtig geilen Punk-Sound mit spanischen Texten angekurbelt von der großartigen Kimberly „Kiwi“ Martinez, die neben dem Schlagzeug auf einigen Songs auch für Gesangsteile verantwortlich ist. So wie z.B. bei dem Titel Ilusion.

Das auch im linken, toleranten Punk- und Alternative-Bereich viel Nachholbedarf in der musikalischen Partizipation besteht sollte mittlerweile deutlich geworden sein. Exemplarisch wurde in den letzten Jahren viel (und durchaus zurecht) mit dem Finger auf große Festivals gezeigt, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Besetzungen der engagierten Bands weit überwiegend männlich sind. Auf deutschen Punkrockfestivals ist die Situation allerdings kaum besser (gewesen). An den Drums sind Frauen immer noch sehr selten anzutreffen, ich denke aber, dass Persönlichkeiten wie eben Kiwi durchaus ein Vorbild sein können und weitere Interessierte motivieren und inspirieren können, denn gerade Live kommt die Musik der vier Kalifornier noch stärker rüber. Ich würde mich freuen, wenn sich da mal eine Gelegenheit gibt auch in Deutschland ein Konzert zu besuchen. Nebenbei: auch diese Band habe ich über den Kanal KEXP kennengelernt, genau wie die vorgestern vorgestellten Margaritas Podridas. Zum Abschluss ein Song aus dem kurzen Set aus dem Oktober 2021. Deshalb gibt es hier einfach den Link zur vollen Performance und Interview

Genuary Tipp 14/31 Margaritas Podridas (Esli Meuly und Carolina Enríquez)

Von Felix

Ich gebe es zu, als ich im April 2021 das erste mal das self-titled Album von Margaritas Podridas hörte, habe ich nach fünf Liedern ausgemacht und diese Band erstmal wieder vergessen. Als dann im Dezember 2021 ein Auftritt bei KEXP erfolgte, erinnerte ich mich wieder an die Band und wunderte mich, warum sie beim ersten Hören bei mir so durchfielen. Ich finde es unglaublich gut, dass diese Band mit ihrer Musik, in ihrer Sprache bzw. ihren Texten, ihrer Attitüde und Besetzung keineswegs einen bequemen Pop-Punk oder reduzierten Alternative-Sound wählt, sondern – in meiner Wahrnehmung – auf großartige Art und Weise einen Noise-Rock-Grunge-Sound wieder aufleben lässt, den es so original und glaubhaft kratzig schon länger nicht mehr gab und der natürlich auch nicht zuletzt aufgrund der Zusammensetzung der Band sehr schön an die aktive Zeit von Sonic Youth erinnert. Seit diesem Auftritt folge ich der Kombo, um nichts Neues zu verpassen. Freunde dieses Stils sollten den Song Margaritas testen – inklusiver leidenschaftlicher Bearbeitung der Instrumente aller Beteiligten Musikerinnen und Musiker dieser Band.

Verfolgt man die Band bei z.B. hier bei Instagram oder anderen Plattformen, fällt durchaus auf, dass sie gerne provozieren und dabei auch bewusst sexistische Tendenzen bei ihren Followern oder Sympathisanten triggern. Wie bei der letzten Veröffentlichung No Quiero Ser Madre aus dem August 2022, bei der das gewählte Cover und der Text Anlass genug für Diskussionen waren, dabei ist es in erster Linie geile und eben nicht belanglose Musik, aber überzeugt euch doch einfach selbst.

Neben dem einen Album gibt es noch einige Singles. Aktuell könnt ihr alles gut komprimiert hier über Bandcamp streamen. Die paar Tonträger waren schnell weg und sind jetzt leider recht teuer, ich hoffe, dass da in Zukunft noch etwas Neues (oder auch das „alte“ Zeug) nachkommt. Ansonsten wäre es das mit dem nach Violencia gleich zweitem Tipp einer Band aus Mexiko. Ich schließe mit meinen persönlichen Lieblingssongs der Band: der erste ist der Opener des Albums und heißt Pétalos Mordidos – musikalisch allein durch den Bass für mich eine kleine Zeitreise. Der zweite Song Chant ist ursprünglich unter dem Namen Rotten Daisies erschienen und auf Englisch gesungen. Die spanischen Lyrics gefallen mir eigentlich besser, aber dieses Lied weckt doch eine tiefe Sehnsucht nach unverkrampfter Grunge-Musik.

Genuary 2023 Tipp 12/31 Bishop Briggs

Auch im Poprock gibt es immer wieder Bands, Künstlerinnen und Künstler zu entdecken, die aufgrund ihrer entweder etwas unkonventionellen Art, oder ihres künstlerischen Approaches in ihrer Musik posiitiv aus der breiten Masse hervorragen. Eine davon ist in meinen Augen Sarah Grace McLaughlin alias Bishop Briggs. Die 30-jährige Engländerin, die mittlerweile in Los Angeles lebt, ließ sich von dem Heimatort ihrer schottischen Eltern zu ihrem Künstlernamen inspirieren – Bishopbriggs ist ein nördlicher Stadtteil Glasgows. Bisher hat sie zwei Studioalben und diverse Singles und Features herausgebracht. 2019 erschien das letzte Album Champion. Auf diesem Album ist von Indie-Pop zum Teil mit gut arrangierten Beats über Songwriter-Songs, ruhigen Balladen bis zu Gospel-inspirierten und rockigeren Stücken eine abwechslungsreiche Bandbreite vorhanden, in der sie ihre Stimme ebenso vielfältig, mal ruhig und zerbrechlich, oft kraftvoll und laut intensiv einsetzt. Wie z.B. auch im titelgebenden Track Champion. Hier in der Version einer Live Performance:

Dieses Album allein gibt damit einen Eindruck in die facettenreiche musikalische Begabung einer Persönlichkeit, die auch auf Social Media-Kanälen (z. B. hier auf Instagram) und öffentlichen Auftritten zeigt, dass sie immer einen recht hohen Anspruch an sich und ihre Kunst hat. Was sich hier aber sehr positiv auswirkt, alleine die Artworks im Merchandise-Bereich sind sehr ansprechend gestaltet, aber natürlich auch ihre Auftritte und Outfits wirken eher von Stimmungen inspiriert als von langer Hand durchgeplant und durchchoreographiert. Sie ist eine Musikerin, die durch und mit Musik sehr stark Emotionen aufnimmt und repräsentiert. Diese werden dann in den Videos häufig künstlerisch inszeniert. Das betrifft sowohl ihr Auftreten auf Live-Bühnen wie auch ihre Gestaltung der Musikvideos. Ein gutes Beispiel ist das Video zu dem Song River.

In den USA ist Bishop Briggs sehr bekannt, von daher ist sie alles andere als ein Geheimtipp. In Europa kommt davon immer recht wenig an, was sehr bedauernswert ist. Ich mag es sehr gerne, wenn man auch im Pop-Bereich Künstlerinnen und Künstler hat, die etwas unkonventionell daher kommen und auch in Kauf nehmen, durch ihre Performance den einen oder anderen standard Pop-Fan wieder zu vergraulen. Ansonsten würde man das Knacken der 1 Million YouTube-Follower vermutlich nicht so feiern wie Bishop Briggs es getan hat. Dieser Clip befindet sich mitten zwischen ihren gut sortierten Musikvideos und zeigt auch ihre humorvolle Seite.

Aber zurück zur musik, ich erwähnte ja schon, dass das letzte Album Champion schon alleine sehr viele Facetten bereithält und so möchte ich diese Empfehlung für heute auch mit einem meiner Lieblingstracks von diesem Album schließen: Das Lied Someone Else ist eine klassische Ballade, die musikalisch treffend reduziert ist und eben auch hier wieder vordergründig vom Gesang gesteuert wird und mit einem schönen Text versehen ist: All I wanna do is be alone / Write a song by myself / All I wanna do is be alone / Lose my phone / Be someone else

Genuary Tipp 10/31 Tess Parks

Im September 2022 hat Tess Parks ihr neues Album And Those Who Were Seen Dancing herausgebracht. Ying und Yang im musikalischen Sinne bedeutet bei mir einerseits sehr harte Musik und ruhigere bis melancholische Musik andererseits. Ich brauche beides. Tess Parks erfüllt mit ihrem im Ansatz psychedelischen Rock oder Alt-Brit-Pop den ruhigeren Part.

Es ist ihr zweites Solo-Album. Das erste Blood Hot erschien 2013, dazwischen erschienen noch zwei Alben gemeinsam mit Anton Newcrombie (The Brain Jonestown Massacre). Ich bin erst mit dem neuen Album durch das Eröffnungslied WOW auf sie aufmerksam geworden.

Die Keys erinnern mich stark an ältere Brit-Pop-Bands, allerdings sind sie bei Tess Parks häufig anders eingebettet, eher in ein insgesamt etwas sphärisches Soundkonstrukt. Das war zu dem Zeitpunkt als ich das Lied entdeckte genau das, was ich gesucht habe. Diesen Titel höre ich mit Abstand am häufigsten, aber das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Album aus 2022 insgesamt gelungen ist. Die Lyrics sind bei ihr eher reduziert, wenngleich ihre Stimme schon sehr im Vordergrund steht. Das Album ist außerdem kein rein melancholisches Songwriter-Album, sondern durchaus abwechslungsreich. Die Zeitreise auf die britische Insel zieht sich für mein Gehör allerdings recht konsequent durch. Tess Parks selbst lebt in London, stammt ursprünglich aus Kanada und war kürzlich auch für einige Konzerte in Deutschland. Vielleicht folgen im Sommer / Herbst ja einige weitere Auftritte. Lieblings Songtitel ist der des Sprechgesang-Stückes Brexit at Tiffanys. Den eher visuell Geneigten empfehle ich überhaupt ihre Videos, die eine eigene spezielle künstlerische Ästhetik haben, die sie auch auf einigen Fotografien auf ihrer Homepage darstellt.

Natürlich habe ich dann auch Verpasstes aufgeholt und in die Vorgänger reingehört. Das erste Album war klanglich noch deutlich reduzierter und kommt auf jeden Fall im Gitarrensound rockiger rüber. Der Gesang hat dabei phasenweise etwas von Mazzy Stars Hope Sandoval.

Eine Mischung von Titeln aus dem ersten und ihrem neuen Album gespickt mit einzelnen Songs aus ihren Alben mit Anton Newcrombie ergeben in jedem Fall eine sehr entspannt runterfahrende Playlist.