Genuary Tipp 3/31 2022

Hadar Farjun

Nach Sima Noon bereits die zweite Künstlerin aus der interessanten Musikszene Israels, die sich im ebenfalls sehr stark von Männern dominierten Hip Hop mit einer beeindruckenden Leichtigkeit durchsetzt. Ich verstehe kein einziges Wort, werde aber von der Dynamik der Songs voll gepackt. Natürlich kann man über Rap immer streiten. Auch Musikpuristen geringschätzen Musik und Sprechgesang des Genres, weil alles künstlich ist und kein bis wenig musikalisches Können erfordert. Im Grunde genommen würde ich da nicht mal widersprechen, allerdings anfügen, dass ja genau das den Reiz ausmacht und es außerdem Subkulturen ermöglicht sich ebenfalls künstlerisch auszudrücken, auch wenn es einem an musikalischer Bildung oder erwünschter Sozialisation mangelt. Ein schönes Thema zum Streiten. Ich denke, dass sollten wir mal in einer Folge des Podcasts diskutieren.

Aber ich schweife ab. Eigentlich geht es hier um Hadar Farjun. Eine Künstlerin die gleich einen ganzen Cocktail an Eigenschaften mitbringt, die notwendig sind, um einen Platz im Musik-Business zu beanspruchen. In erster Linie meine ich damit, Schnauze, Bock, Haltung und eine Portion Humor.

Mir gefallen die Beats, die Rap-Strophen und auch die meist etwas poppigen Refrains. Ich mag die Sprache, den Rhythmus, die Attitüde, die teilweise schreibunten Farben in den Videos und die Tänzerinnen der Alpha-Bitch-Posse (https://www.instagram.com/alpha_bitch_official/). Ich würde mir mehr Videos wünschen, denn gerade zu einem meiner favorisierten Tracks gibt es leider (noch) kein offizielles Video.

In unserer Folge #11 zum Thema Sprachen kamen wir zu dem Schluss, dass es auf der Welt so unverschämt viel gute Musik zu entdecken gibt und dass es ganz schön schade ist, dass wir uns in Europa weit überwiegend auf Musik in Englisch und der jeweiligen Heimatsprache beschränken. Wir sollten die heute durch das Internet vorhandenen Möglichkeiten viel mehr nutzen, um die Szenen und Subkulturen anderer Nationen wahrzunehmen und zu würdigen.

Bleibt also immer dran und aufmerksam und offen für die ganzen großartigen Künstlerinnen und Künstler auf dieser Welt. Hadar Farjun könnt ihr z. B. über Instagram (https://www.instagram.com/hadar.farjun) oder YouTube folgen.

Genuary Tipp 1/31 2022

24/7 Diva Heaven

Auus Berlin! Richtig geiler moderner Punk-Grunge-Alternative-Rock!
So wie 24/7 Diva Heaven wollen viele andere Bands in diesem Genre klingen, kommen dabei aber über ein wenig 90er Retrosound nicht hinaus. Katharina Ott-Alavi, Karo Paschedag und Mary Westphal machen auf dem Album Stress mit ihrer ziemlich geradeaus orientierten Spielfreude und insbesondere mit dem hervorragenden Gesang Katharina Ott-Alavis einfach vom Start weg neugierig. Song 1 Potface ist also ein clever ausgewählter Opener, der zum Dranbleiben animiert und genau das wird voll belohnt.

Kein langweiliger Song kein Spannungsabfall. Ganz im Gegenteil ist auf dem Album eine angelegte Songfolge, die zwar musikalisch einen stets punkigen Grundton hat, diesen aber in sehr stimmige Varianten fasert. Vom 1-2-3-4-Punk-Standard (z.B. Topped Cheese) bis zu im Takt halbierten Mosh-Parts wie z.B. in dem ohnehin sehr guten vorletztem Track des Albums White Swamp.

Das Album erschien im März 2021 bei Noisolution und wartet auch darauf, live auf den Clubbühnen gespielt zu werden. Ich persönlich hoffe, dass diese Kombo auch weit über die Pandemie hinaus Bestand hat und weitere Songs und Alben raushaut. In meinen Augen mit gleich drei mal absoluter Girl Power ein würdiger Start für unseren Genuary!

https://www.instagram.com/247divaheaven/

#24/7divaheaven #noisolution #grunge

Dödsrit – Mortal Coil (2021)

Von Felix

Alter Schwede! Was für ein Brett: Christoffer Öster, der bereits mit ebenfalls nennenswerten Solo-Projekten auf sich aufmerksam machte und auch unter dem Namen Dödsrit alleine schon zwei Platten veröffentlichte, hat für den dritten Tonträger Mortal Coil dieses mal allerdings eine richtige Band um sich geschart. Das führt hierbei zu noch mehr Energie und wirkt sich absolut positiv auf das Gesamtwerk aus.

Die Platte Mortal Coil ist aufgrund der 4 Tracks eher eine EP, aufgrund der Länge von insgesamt 36 Minuten und somit fast neun Minuten pro Song hat es aber fast schon Langspieler-Länge, so spreche ich folgend auch häufiger vom „Album“.

Ich wusste nicht, was mich erwartet, als ich das Album zum ersten mal hörte und war trotzdem von der ersten Sekunde an voll im Bann. Dödsrit spielen eine kraftvolle Mischung aus verschiedenen Stilen bzw. Stilelementen. Ich bin in Bezug auf Stile auch alles andere als Purist und würde jetzt mal frei formulieren, dass man bei Dödsrit eine Art Black-Metal-Punk mit vereinzelten progressiven oder Metalcore-Elementen serviert bekommt. So hauen sie einem teilweise wütend stampfende Staccato-Akkorde um die Ohren, schreien größtenteils finstere Vocals ins Mikro und gehen dann in melodiösere und zum Teil fast schon sphärische Instrumentalparts über, in denen die Gitarren die Story des Tracks angenehm unaufdringlich weitererzählen. Das alles absolut bemerkenswert abgestimmt. Ich kann mich hier wiederholen, denn was ich bei Iron Maidens Senjutsu anmerkte, trifft auch hier – bei allen musikalsichen Unterschieden – voll und ganz zu: Songlängen von mehr als fünf Minuten erfordern einfach noch konsequenter eine gute Komposition. Auch bei dieser Platte bewundere ich das Timing der Wechsel von lauten und schnellen Teilen zu ruhigeren und langsameren Passagen. Diese markanten Strukturen verleihen jedem einzelnen Titel einen ganz eigenen Charakter. Gleich der erste Track The Third Door ist ein hervorragendes Beispiel. Mehr als 11 Minuten und keine Langeweile. Alleine die ersten 30 Sekunden zeigen gleich mal sehr eindrücklich auf was sich der Hörer eigentlich einzustellen hat.

Kritisch bleibt anzumerken, dass bei aller Abwechslung innerhalb der Songs die 4 Stücke der Platte insgesamt alle sehr ähnlich angelegt sind. Klar ist auch, dass Dödsrit keine leichte Begleitmusik zum Abendessen mit den Eltern ist, man muss für diese Gangart natürlich auch in der richtigen Laune sein. Solltet ihr z.B. in einer gestressten Phase eine Axt im Walde für unsortierte Gedanken im Kopf brauchen, dann ist Dödsrits Album Mortal Coil absolut die richtige Wahl. Und natürlich für alle, die sich ohnehin für etwas finsteren, aber nicht albern aufgesetzten Metal begeistern können. Interessierte bekommen den Tonträger in verschiedenen Formaten über Wolves of Hades.

Außerdem ist diese Kritik insofern zu relativieren, dass ich eindringlich empfehle bis zum Ende dranzubleiben, da das letzte Lied Apathetic Tounges, geschrieben von dem Gitarristen und zweitem Sänger Georgios Maxouris, auch textlich nochmal ein etwas versöhnlicheres Licht in das ansonsten wirklich finstere Album bringt. In dem leider recht kurzen aber sympathischen Interview auf metal.de erfährt man einiges über die Intention, die vor allem aus der Ermutigung, sich bei Depressionen helfen zu lassen, besteht. Mal ganz davon abgesehen, dass es hier auch nochmal musikalisch die volle Bandbreite gibt.

Mich haben Dödsrit jedenfalls voll erwischt und so gebe ich dem Album fette 8 von 10 Wellenbrechern.

#dödsrit #mortalcoil #wolvesofhades

Iron Maiden – Senjutsu (2021)

von Felix

Früher als Teenager und junger Erwachsener, der noch zu Hause wohnte, hatte ich in unregelmäßigen Abständen einen ganz spontanen Anflug eines wohligen Gefühls des Glücks über das eigene zu Hause verspürt. Meistens war das der Fall, nachdem man einige Tage sein scheinbar selbstbewusstes, spätpubertäres Ich durch verschiedene Sozialexperimente trieb und sich ein paar Nächte in Kneipen, Clubs, auf Konzerten und Partys oder einfach nur mit Freunden irgendwo draußen herumtrieb. Wenn man dann anschließend wieder zu Hause saß mit einem Kaffee in der Hand und alles um einen herum war die bekannte, gemütliche und sichere Umgebung und man dachte, den ganzen Party-Scheiß eigentlich gar nicht zu brauchen, waren das immer sehr glückliche Momente.

Was hat das jetzt bitte alles mit der neuen Iron Maiden Platte zu tun?!

Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn ich eine Iron Maiden Platte höre, dann erlebe ich einen ganz ähnlichen Moment. Ich experimentiere mich musikalisch gerne durch fast alles, was ich finden kann. Ich gebe meinen Ohren alles zu probieren und kenne nahezu keine Genre-Grenzen. Iron Maiden aber holen mich zurück. Dabei ist Metal gar nicht mal mein musikalisches Zu Hause, aber immer wenn die Stimme Bruce Dickinsons und die singende Gitarre Dave Murrays oder insgesamt der doch recht unverkennbare Maiden-Sound ertönt, dann fühle ich mich irgendwie einfach entspannt und gut.

Und so ging es mir auch beim Hören des neuen Albums. Direkt mit dem ersten Stück – gleichzeitig dem Titelstück des Albums Senjutsu wusste ich, dass ich eine Platte höre, die mich nicht enttäuschen wird. Hier werden genau die klassischen Maiden Merkmale abgerufen: die in den Strophen manchmal kehligen, etwas gepressten Vocals, im Chorus dann mitsingbar und teils hymnenartig und in der Bridge dann das verlangsamte, aber unverkennbar intonierte Rufen Bruce Dickinsons. Herrlich.

Bands, die so lange im Geschäft sind wie Iron Maiden brauchen derlei Markenzeichen. Es ist allerdings immer auch eine Gratwanderung bei neuen Aufnahmen. Man möchte die eigenen Fans nicht langweilen, aber sich auch nicht zu weit weg entwickeln und durch zu viele Experimente und Änderungen treue Hörer vergraulen.

Ich persönlich finde, dass der Band dies auf dem neuen Tonträger durchaus gelungen ist, denn zu den eben beschriebenen immer wiederkehrenden klassischen (Erkennungs-)Merkmalen gesellt sich eine doch eher ungewöhnliche Songstruktur, die allerdings viel Platz benötigt. Diesen Platz nimmt sich Iron Maiden und das gefällt mir ausgesprochen gut. Die Songs erzählen Geschichten und diese können nicht alle in radiotauglichen dreieinhalb Minuten erzählt werden. Beim Hören hatte ich nie das Bedürfnis einen der längeren Tracks weiterzuskippen, weil ich das Gefühl hatte genug gehört zu haben, sondern – ganz im Gegenteil – ich konnte mich so gut in den einzelnen Passagen verlieren, dass ich häufiger nachschauen musste, zu welchem Lied der Teil jetzt eigentlich nochmal gehört. Gerade die längeren Stücke – und es sind alleine drei von zehn Titeln mit über zehn Minuten Länge – machen für mich den Reiz des neuen Albums aus, weil die Dramaturgie unglaublich gut getimt und abwechslungsreich ist.

Die drei längsten Songs und vier weitere stammen allesamt aus der Feder des Bassisten Steve Harris. Ich verneige mich vor diesen Kompositionen. Auch die teilweise minutenlangen Instrumentalphasen nehmen einen sofort mit in die Story des Tracks bzw. des Albums insgesamt.

Diese Kombination – Maiden-typischer Sound und durchaus anspruchsvolle Songlängen – hat für eine Rotation gesorgt, die für Iron Maiden Platten bei mir eher ungewöhnlich ist (mit Ausnahme vielleicht der A Real Live One, die habe ich damals auch rauf und runter gehört).

So bleibt Iron Maiden für mich eine Band, von der ich nie sage, dass ich ein richtiger Fan bin, die aber dennoch eine bemerkenswerte Konstante in meiner Musik-Biographie abgibt, die sich durch das neue Album Senjutsu eindrucksvoll zurückgemeldet hat und mir damit nachhaltig zu eingangs beschriebenen Glücksgefühlen verhilft. Ich möchte dies mit ebenfalls bemerkenswerten 9 von 10 Wellenbrechern bewerten.

Dropkick Murphys – Turn Up That Dial (2021)

Now Playing // 09.05.2021 (von Felix)

Ohne langes Nachdenken kann ich sagen, dass die Dropkick Murphys die Band sind, die ich am häufigsten aus Versehen live gesehen habe. Damit meine ich in erster Linie ihr unermüdliches Bespielen größerer Festivals, denn zumindest in den letzten bald 15 Jahren verging kaum ein Jahr ohne Auftritt in Deutschland. Und so begegnen einem die Jungs immer wieder, auch ohne dass man sich gezielt ein Ticket für eine ihrer Tour-Shows gekauft hätte. 2007 Habe ich sie erstmals auf dem Hurricane Festival gesehen, zuletzt 2019 bei Rock am Ring und auch beim aufgrund der Pandemie abgesagten Deichbrand für 2020 standen sie wieder im Line-Up und ich hoffe, dass sie dort auch 2022 weiter mit von der Partie sein werden, schließlich haben sie dann ja voraussichtlich die erste Möglichkeit, ihr neues Album auf den Festivalbühnen zu präsentieren – in diesem Jahr wird es in Europa zumindest nicht mehr klappen. In den Jahren von 2007 bis 2019 haben die Dropkick Murphys im Durchschnitt unglaubliche 120 Konzerte pro Jahr gespielt (genauer 118,9 ermittelt anhand der Zahlen von concertarchives.org → genau hier ). Eine bemerkenswerte Zahl.

Ich würde mich sehr freuen, die Dropkick Murphys live Teile ihres ganz frischen Albums Turn Up That Dial spielen zu hören und genau um dieses soll es hier ja eigentlich gehen.

Mit der diesjährigen Veröffentlichung bleiben sie in dem Vierjahres Rhythmus der letzten zwei Studioalben (2013 Signed and Sealed in Blood und 2017 11 Short Stories of Pain & Glory). Ich würde dieses Album zunächst gerne vom Gesamteindruck her bewerten, denn da schneidet es in meinen Augen sogar besser ab, als eben genannte Vorgänger. Es sind 11 gut ausgewählte neue Songs, die klar und unverkennbar nach Dropkick Murphys klingen, allerdings ganz und gar ohne dabei abgedroschen zu wirken. Das Album ist für mich ein sehr kurzweiliges Gesamtpaket. Der Grundtenor ist von Song 1 bis Song 10 fast durchgehend rockig mit hübscher irisch-amerikanischer Attitüde, deutlicher Sprache und Bier-positiver Atmosphäre. Der 11. Song (I Wish You Were Here), der auch vorab als Single veröffentlicht wurde, bildet dann als einzige 3/4-Takt-Schunkel-Ballade mit allerdings ernsten und gefühlvollem Text einen sehr würdigen Abschluss.

Von Song 1 hängt auf einer neuen Platte immer viel ab, deshalb wird dieser natürlich immer mit Bedacht ausgewählt. In diesem Fall ist es der Namensgeber und Titelsong Turn Up That Dial. Ich war mit diesem Opener direkt „in the mood“ und das obwohl ich zugeben muss, dass ich vor dem ersten Hören eher skeptisch war, da ich befürchtete, ein Album zu hören, das ich „irgendwie Okay“ finde, aber auch schnell wieder vergessen werde. Kurzum, diese Befürchtungen konnten damit direkt gekippt werden:

Nach den ersten Durchläufen der neuen Platte könnte ich dann nach dem ersten Lob die Kritik anbringen, dass eine klassische „Hymne“ – im Sinne eines überragenden Songs, bei dem man sofort weiß, das wird ein Live-Highlight – fehlt. Oder doch nicht? Potenzial sehe ich da schon bei einigen Songs, die sowohl musikalisch als auch textlich etwas in diese Richtung anbieten (Middle Finger, Smash Shit Up), aber das braucht vielleicht noch ein paar Hör-Durchläufe.

Worauf ich mich definitiv schon freue, ist auf irgendeinem Festival in einer schwitzenden, staubigen Menge zu Mick Jones nicked my Pudding meine Kreise zu ziehen. Der Song erschien bereits im Sommer 2020 als erste Single zum neuen Album.

I know the whole „Songs about former members of The Clash stealing deserts from fellow punks“ genre isn’t massive, but this is definitely a highlight of it. – Paul Holmes Kommentar zum Video auf Youtube

Ich fasse zusammen: Das neue Album der Dropkick Murphys erfreut mich gleich auf verschiedenen Ebenen. Es rockt 40 Minuten mit gutem Tempo, hat Texte, die man nur mit gutem sarkastisch bis zynischem Humor schreiben und mitsingen kann und wirkt auf mich einfach komplett und gut reduziert auf elf wirklich starke Aufnahmen.

Fazit: nicht innovativ aber mit hohem Spaßfaktor im klassischen Dropkick Murphys-Gewandt > 8 von 10 Wellenbrecher