Genuary Tipp 30/31: Kochkraft durch KMA (Lana Van da Vla, Nicki Frenking)

von Alex

So sperrig der Name, so dringend die Empfehlung, ihn abzuspeichern. Kochkraft durch KMA polarisieren, daran besteht keinerlei Zweifel, wenn selbst die Band in Gestalt von Keyboarderin Nicki Frenking im Interview mit morecore.de zugibt: „Wir gehen auch gerne Leuten auf den Zeiger!“ Ihre Musikrichtung, bandintern bezeichnet als „Neue Deutsche Kelle“, ist schon ziemlich speziell und wabert zwischen Synthirock, Punk, Elektro und New Wave. Dazu die – so der Vorwurf – prätentiös anmutenden Texte, die bei Kritikern zu einem genervten Augenrollen und zumindest musikalisch zu Vergleichen mit Alexander Marcus führen (hey, nix gegen den Elektriker!). Der Tenor: Werdet erwachsen (sind alle Kinder tot? Gleich mehr dazu!)

Und zugegeben: Auch ich mochte längst nicht alles, was uns die Band aus NRW in früheren Werken aufgetischt hat. Was mir aber Respekt abverlangt, ist ihre Vehemenz, sich nicht in Schablonen pressen zu lassen. Weder musikalisch, noch textlich. Und wenn Sängerin Lana Van da Vla (Lana Giese) und Co. klingen wie eine wütende Mischung aus Grossstadtgeflüster und Deichkind und auf Nazis losgehen, bin ich in der ersten Reihe vorne voll mit dabei:

Der Vergleich mit Grossstadtgeflüster ist dabei kein Zufall, haben Jen Bender und Co. (mehr hier) auf Kochkrafts Zweitling Alle Kinder sind tot (2022) fleißig mitgewirkt. Ebenso wie Sperling – in der albumtitel-gebenden Single, die zweierlei anspricht: Die düstere Zukunft der Menschheit und den Fetisch „erwachsen“ werden zu müssen. Eine wütende Anklage:

Bei aller Ambivalenz, bei allem Polarisieren: Lana Van da Vlah und Co. wissen zu jeder Zeit, was sie tun – ob nun als Kinder oder Erwachsene – und liefern hier einen düster kreischenden, aber leider geilen Soundtrack zum Untergang der Gesellschaft. Auch Songs wie Wir fahren schnellerer oder Influencer:innen hassen diesen Trick (mit Rapperin Liser) sprechen mir inhaltlich extrem aus der Seele und sind dabei musikalisch so ungezwungen und korsettfrei, dass es fast frech ist. Kein Wunder, dass die Jungs von Fjørt (unser Interview hier) die aufstrebende Scheißdrauf-Kapelle für zwei Shows als Support mit auf Tour genommen haben (jetzt Mittwoch Dresden, Donnerstag Berlin). Eigene Shows folgen im Frühling (Tickets hier). Der Wellenbrecherbereich wird Kochkraft durch KMA definitiv im Auge behalten.

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#44 Im Interview mit Fjørt

Wir hatten das große Vergnügen, mit Chris und David von Fjørt über ihr aktuelles Album “nichts“ zu sprechen und uns über Politik, Religion, Selbstkritik und nerdige Equipment-Themen auszutauschen. Kurz: Wir sprachen über Lod und die Welt! Und wer es noch nicht wusste: Fjørt machen nicht nur überzeugend wütende Musik mit deutschsprachigen Texten, die nachhallen und zum Denken anregen – eine Kombination, die wir hierzulande definitiv gut gebrauchen können -, sie sind dabei auch noch unerhört sympathisch. Aber überzeugt euch selbst.

Wie immer ist unser Gespräch musikalisch aufgehübscht mit einigen ausgewählten Songschnipseln der aktuellen Platte. Dringende Kaufempfehlung! Aber nicht sofort, denn vielleicht… gibt es zu einem späteren Zeitpunkt bei uns noch etwas Schönes zu gewinnen (mehr dazu im Interview!). Also, bleibt am Ball und folgt dem Wellenbrecherbereich am besten auf Instagram und Facebook für weitere Informationen und Veröffentlichungen. Und: Seht zu, dass ihr die drei Aachener noch irgendwo auf ihrer Tour erwischt – ein paar letzte Tickets sind vereinzelnd noch erhältlich.

Genuary Tipp 28/31: Beach Bunny (Lili Trifilio)

von Alex

Wir sprachen in unserem Podcast schon öfter über die neuen Tendenzen und Trends in der Musikbranche. Eine Entwicklung ist sicherlich die, dass Künstler*innen heute seltener in kleinen Clubs oder auf der Straße “entdeckt“ werden, sondern vermehrt auf Onlineplattformen wie YouTube oder TikTok (mehr dazu in unseren Folgen zur Straßenmusik und zum Musikfernsehen). So geschah es auch Lili Trifilio aus Chicago mit ihrer Band Beach Bunny. Zwar frickelten und schraubten Lili und ihre zwei Kollegen schon ein paar Jahre an eigenen Songs, die zu ersten EPs zusammengeschustert wurden, aber als ihr Song Prom-Queen – eine Kritik zur Zenralisierung ungesunder Schönheitsideale –  im Jahr 2018 viral ging, war Beach Bunny quasi über Nacht berühmt. Ihr Song wurde millionenfach gestreamt.

Und obwohl in der Branche bemängelt werden darf, dass “dank“ TikTok die Aufmerksamkeitsökonomie einen neuen perversen Höhepunkt von nur ein paar Sekunden Laufzeit gefunden hat, was dem bewussten Wahrnehmen von Musik einen weiteren Tiefschlag versetzt und obwohl die schiere Menge an Shorts-Videos die zweifellos vorhandene Qualität der Wenigen zu ersticken droht, kann TikTok für talentierte Newcomer wie eben Lili Trifilio und Band auch ein Segen sein – vorausgesetzt zum Talent kommt das Quäntchen Glück, zum richtigen Zeitpunkt aus der Masse herauszustechen. Aber dieses Glück brauchte es ohnehin schon immer.

Was sich als winziges Puzzleteil über die TikTok-Shorts angekündet hat, konnten Beach Bunny nach Fertigstellung des Puzzles in Form von zwei LPs mehr als bestätigen: Honeymoon aus 2020 und Emotional Creature aus 2022 erfreuen uns mit neo-grungigem Indipoprock.

Ende 2022 – da sind wir nun leider etwas spät – war Beach Bunny in Europa und für einige Termine auch in Deutschland unterwegs. Im Frühjahr dieses Jahres steht eine Tour in Australien und Neuseeland an. Ja, mit der digital-globalen Bekanntheit sind den Märkten keine lokalen Grenzen mehr gesetzt.

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Genuary Tipp 26/31: Set Yøur Sails (Jules Mitch)

von Alex

Die vierköpfige Band aus Köln wurde mir irgendwie zufällig in die Playlist gespült. Und wie es mit Playlists manchmal so ist, ließ ich diese einfach runterlaufen, ohne jeden einzelnen Song zu kennen. Aber bei meinem heutigen Tipp musste ich dann doch genauer hinhören und -schauen. Kenn ich die? Nein, ich kannte sie tatsächlich noch nicht und hätte auch beim besten Willen nicht vermutet, dass Set Yøur Sails aus Deutschland sind. Die Musik lässt Amerika vermuten – Iowa oder so.

Seit ihrem Debütalbum Enough (2018) gibt es bei den Vieren ordentlich auf die Fresse. Musikalisch, textlich und stimmlich (Sängerin Jules Mitch singt nicht nur, sondern schreit sich bei passender Gelegenheit auch die Seele aus dem Leib).

Aber wie so oft im Hardrock und Metal Bereich sind äußere Schale und innerer Kern inkohärent. In den Texten geht es um Sexismus, Queer-Feindlichkeit und Rassismus. Entsprechend klar positioniert sich die Band auf und neben der Bühne.

Und während Enough eher ein „Haufen unbearbeiteter Demos“ war – „wirklich nichts, worauf wir stolz sind“, wie Jules in einem Interview mit metal.de selbstkritisch zugibt (mehr hier), ist der Zweitling Nightfall aus 2022 eine klare Herzensangelegenheit. Jules, die die Texte schreibt, nahm sich viel Zeit dafür. Schon 2020 – im Jahr des Lockdowns – entstand Material. Es ist die Zeit, in der sich die Sängerin ein ganzes Jahr lang aus dem social media Zirkus rausnahm – eine bemerkenswert starke Entscheidung für die Frontfrau einer aufstrebenden Band. Nicht nur, dass sie die Zeit für intensives Songwriting nutzen konnte. Auch psychisch war dieser Schritt, wie sie im Gespräch mit dark divas offen verriet, notwendig und wichtig (lese hier).

Der musikalische Feinschliff und die Aufnahmen zu Nightfall erfolgten schließlich bei Sawdust Recordings in Halle an der Saale. Herausgekommen ist ein sehr gelungenes Machwerk, welches den Facettenreichtum der Band gut widerspiegelt: Mitsingbare Hooks (wie auch in dem Cover Shallow unten), brettharte Shouts (höre FCKOFF weiter oben) und metalcorig drückende Tiefe formen ein rundes Hörvergnügen. Das sah offenbar auch das nicht gerade unbekannte Napalm Label so, welches Set Yøur Sails kurzerhand unter Vertrag nahm.

Ich bin überzeugt, dass wir künftig noch einiges von der jungen Band zu erwarten haben. Wünschen wir ihnen also immer eine Handbreit Sherry in der Bilge. Und nun, setzt die Segel, liebe Musikmenschen da draußen, denn in diesem Frühjahr werden die vier Cypecore auf Tour supporten (Tourdaten/Tickets hier).

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Genuary Tipp 25/31: Dead Posey (Danyell Souza)

von Alex

Drei EPs, diverse Singles und Heavy Rotation in Computerspielen, Serien, Werbeclips. Ja, beinahe überall könntet ihr über dieses Duo bereits gestolpert sein. Und obwohl Sängerin Danyell Souza und Multiinstrumentalist Tony Fagenson, welcher auch Souzas Ehemann ist, ihr Projekt bereits 2017 ins Leben gerufen haben, gibt es bisher keine komplette LP des Duos aus Los Angeles. Das ist ja auch total old school, wie wir schon oft in unserem Podcast festgestellt haben.

Geht man die von der Band genannten musikalischen Einflüsse mal durch – Nirvana, Nine Inch Nails, Rob Zombie, Marilyn Manson… – klingt das nach jeder Menge Spaß auf der dunklen Seite der Nacht [sic]. Und wenn sich Marilyn Manson entschieden hätte gemeinsam mit Taylor Momsen von The Pretty Reckless einen New Order Song zu covern (wenn man an seine Eurythmics und Depeche Mode Cover denkt, keine allzu steile These und Orgy hat es schließlich auch getan), hätte das vermutlich genau so geklungen:

Und wer ist nun Danyell Souza? Die Beschreibung Tausendsassa trifft es ganz gut. Vor dem Projekt Dead Posey machte sie sich als Schauspielerin einen Namen. Nach einer kleinen Rolle in Clint Eastwoods Jersey Boys, folgten Serien wie Lucifer oder Wynona Earp und diverse Modeljobs. Inzwischen hat die Kalifornierin mit Midnight Vamp eine eigene Modelinie am Start.

Aber zurück zur Musik, um die es ja im Wellenbrecherbereich hauptsächlich geht. Dort versteckt sich Dead Posey nämlich nicht ausschließlich hinter Neuauflagen. Sie funktionieren – wie eingans erwähnt – auch ganz fantastisch mit Eigenkompositionen und erweitern dabei das Female-fronted Sortiment im musikalischen Dunstkreis der großen Schwestern – den bereits genannten The Pretty Reckless oder auch Halestorm:

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