#11 Felicità und das (kleine) Schwö – Sprachen in der Musik

Sommerpause ade, Musik-Geschnacke ahoi! Heute geht es – passend zur Reisezeit – um die Viel- bzw. Einseitigkeit von Sprachen in der Musik: Brauchen wir eine Quote für deutschsprachige Musik im Radio? Und wieso singen eigentlich so viele Künstler*Innen auf Englisch? In Anlehnung daran gibt es abschließend das Mitrate-Spielchen “Wat sächst?!“, bei dem der Verlierer dieses Mal akustisch wie optisch richtig einen raushauen muss… Seid gespannt! In der Albumbesprechung (ab 47:05 Minuten) widmen wir uns heute dem Erstlingswerk der Newcomer von Sperling ( @wirsindsperling ). Ihr Album Zweifel kam Anfang des Jahres auf den Markt und sorgte für reichlich Gesprächsstoff im Wellenbrecherbereich. Wie ist eure Meinung? Und ja, eingangs hat jeder von uns natürlich auch wieder einen Tipp aus’m Pitt dabei (ab 2:57). Gemütlich machen und auf’s Dreieck drücken! Wir freuen uns auf euch! PS: Und nach der Folge melden sich die Sänger unter euch bitte umgehend bei der Hamburger Band @inflatormusic (mehr dazu in der Folge, ab 6:55).

00:00:00 – Intro
00:00:50 – Begrüßung
00:02:57 – Tipp aus´m Pitt
00:18:12 – Hauptthema – Sprachen in der Musik
00:47:05 – Albumbesprechung Sperling
01:14:17– Abschlußquiz

„Tipps aus’m Pit“ zum Nachbetrachten (aus #11)

Felix: Song Exploder
Keine Band, keine Platte, aber ein marktbegleitender Podcast. Der Gastgeber Hrishikesh Hirway nimmt hier einzelne Songs genau unter die Lupe. Und das Schöne daran: Immer kommen auch die Musiker*Innen selbst ausreichend zu Wort und berichten eindrücklich und aus dem Nähkästchen über die Entstehung, die Aufnahme oder andere Besonderheiten und Hintergrundgeschichten. Und dabei wird kein Genre ausgegrenzt. Sehr kurzweilig, sehr horizonterweiternd – für alle Musikmenschen. Sprache: Englisch. Überall, wo es Podcasts gibt und auch auf Netflix in bewegten Bildern:

Gerrit: Inflator – The Conditioning (VÖ: 01.04.2016)
Unser Sänger im Bunde wohnt leider (oder für uns zum Glück!) zu weit weg, um sich bei den Jungs zu bewerben. Die Hamburger suchen nach dem Ausstieg von Xung Pascal van Nguyen adäquaten Ersatz. Keine ganz einfache Aufgabe. Wie sie musikalisch klingen? Geil – und zwar so:

Näheres zur Band und natürlich zur Sängersuche findet ihr hier:

Alex: Greta van Fleet – The Battle at garden’s gate (VÖ: 16.04.2021)
Auch das zweite Album der Jungrocker aus Frankenmuth, Michigan kann sich wirklich hören lassen. Ein bisschen weniger rockig, dafür sehr rund und hmynisch. Gibt’s das Wort? Heute ja. Wenn 70er Jahre Rock so frisch und innovativ klingt, ist Alex dabei:

Marco:
Ihr braucht einen akustischen Motivationsschub für die letzten Kilometer beim Joggen? Marco hat da einen brandheißen Tipp für euch: Arsch wackelnd durch den Bürgerpark – die Orsons machen’s möglich:

Und dann wären da noch die Herren Alligatoah und Finch, die “keine bösen Wörter“ aussprechen wollen, auf gar keinen Fall:

Foo Fighters – Medicine at Midnight (2021)

Now playing // 16.05.21 von Alex:

Wenn Dave Grohl und seine Mannen mit einem Album von sich hören lassen, sind Vorfreude und Erwartungen naturgemäß groß. Erscheinen sollte das Stück Musik bereits im letzten Jahr. Eine begleitende Tour, um einerseits das zehnte Studioalbum fleißig zu promoten und andererseits um gebührend das 25-jährige Bandbestehen zu feiern, war zudem geplant. Es hätte so schön werden können. Dann kam Corona. Release und Tour wurden verschoben.

Während Fans weiterhin auf Live-Futter verzichten müssen, ist zumindest Medicine at Midnight inzwischen erschienen. Zu meinem Geburtstag bekam ich im Februar von meiner Familie die CD geschenkt. Lange Zeit lief sie bei uns zuhause während diverser Indoor-Aktivitäten rauf und runter.

Um mir aber eine belastbare Meinung anzueignen, habe ich mir das Album natürlich auch ganz allein und ganz bewusst zu Gemüte geführt. Heute kann ich sagen: Der erste Eindruck bleibt. Ich höre gut komponierten und arrangierten Poprock, der niemandem wehtun will. Hörbar, ja klar, aber nicht mal in der Nähe des Wortes Meilenstein. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass diese Scheibe sehr bald in meinem CD-Regal verschwindet und dort verstaubt. Zum „Immer mal wieder Auflegen, weil gespickt mit Highlights“ ungeeignet.

Als der Funke also trotz Intensivbeschallung nicht so recht überspringen wollte, habe ich mich gefragt, ob ich der Band gegenüber vielleicht ungerecht bin und zu hohe Maßstäbe anlege. Über das aktuelle Biffy Clyro Album „A Celebration of Endings“ sagte ich schließlich auch, dass Poprock nicht per se zu verteufeln ist (hier die schriftliche Rezension dazu und hier unsere Albumbesprechung im Podcast).

Was gefällt mir also am neuen Foo Fighers Album?

Da wäre zum einen Waiting on a War. Eine zweifellos schöne Ballade:

Klingt sie musikalisch nach einer angenehmen Untermalung für das entspannte Sonntagsfrühstück, ist sie bei genauerem Hinhören weit mehr als das. Es geht, wie der Titel vermuten lässt, um die Angst vor einem Krieg. Eine diffuse Angst, die Dave schon als Kind verspürt hat. Heute geht es vor allem seiner Tochter Harper so, die ihrem Vater gegenüber ähnliche Gefühle ausgedrückt hat. Dave: „Dieser Song wurde für meine Tochter Harper geschrieben, die eine Zukunft verdient – wie jedes Kind.“ Eine wichtige Botschaft also, die allerdings so honigsüß verpackt ist, dass die Relevanz der Zeilen (fast) in der Viskosität kleben bleibt.

Auch der Opener Making a Fire hat mich gleich gefangen genommen. Taylor Hawkins haut einen seiner großartig flowenden 3/4-Hi-Hat-Beats raus und zeigt einmal mehr, wie gut er ist – wissen wir natürlich schon. Ansonsten: Ohrwurm, schöner weiblicher Backgroundgesang, bei dem auch Tochter Violet zu hören ist (endlich wieder gospel-poppige Na-Na-Na-Na-Nas), Daves Timbre: Ich fühlte mich auf angenehme Weise in eine warme Foo Fighters Decke gehüllt und freute mich über den groovigen Sound zum Eintieg mir der Hoffnung auf langsame Steigerung:

in dieser Live-Version ohne Violet als Backgroundsängerin

Die blieb aus. Das große Plätschern folgte.

Und der Rockfaktor? Die zweite Single No Son of Mine bietet durchaus Potential, aber irgendwie mit reduziertem Wirkungsgrad. Auf eine weitere „härtere“ Nummer wartet der Hörer/die Hörerin vergebens.

Fazit:
(Beinahe) alle neun Songs des Albums kann man sich anhören ohne ein dringendes Skip-Bedürfnis zu verspüren. Eine andere Bewertung wäre unfair, da die Foo Fighters einfach zu gute Musiker sind und Dave Grohl ein zu guter Songwriter. Bei dem hypnotisch monotonen Shame Shame, der ersten Single, ist es allerdings hart an der Grenze.
Zu keinem Zeitpunkt hatte ich den Wunsch, einzelne Lieder immer und immer wieder in Endlosschleife zu hören. In Summe bietet mir die Platte viel zu wenig Aha-Effekte. Um nicht zu sagen: Keine. Braver Poprock wohin das Ohr hört, es hätte schon Mehr sein dürfen. Dass die Scheibe mit etwas über 35 Minuten auch das kürzeste Foo Fighters Album bis hierher ist, kann ich daher leicht verschmerzen.

Wenn ich There is nothing left to lose* aus 1999 mit 10/10 Wellenbrechern als bandinterne Benchmark zugrunde lege, gebe ich für Medicine at Midnight wohlwollende

6/10 Wellenbrechern

PS: Hab dich trotzdem lieb, Dave!

* There is nothing left to lose ist das dritte Studioalbum der Foo Fighters. Während für viele Fans das zweite Album The Colour and the Shape (1997) mit Klassikern wie Monkey Wrench, My Hero oder Everlong der absolute Liebling ist, gehe ich mit diesem. Es ist für mich das noch stärkere und abwechslungsreichere Gesamtkunstwerk. Ich sage nur Learn to Fly, Breakout, Generator, Next Year…

Dropkick Murphys – Turn Up That Dial (2021)

Now Playing // 09.05.2021 (von Felix)

Ohne langes Nachdenken kann ich sagen, dass die Dropkick Murphys die Band sind, die ich am häufigsten aus Versehen live gesehen habe. Damit meine ich in erster Linie ihr unermüdliches Bespielen größerer Festivals, denn zumindest in den letzten bald 15 Jahren verging kaum ein Jahr ohne Auftritt in Deutschland. Und so begegnen einem die Jungs immer wieder, auch ohne dass man sich gezielt ein Ticket für eine ihrer Tour-Shows gekauft hätte. 2007 Habe ich sie erstmals auf dem Hurricane Festival gesehen, zuletzt 2019 bei Rock am Ring und auch beim aufgrund der Pandemie abgesagten Deichbrand für 2020 standen sie wieder im Line-Up und ich hoffe, dass sie dort auch 2022 weiter mit von der Partie sein werden, schließlich haben sie dann ja voraussichtlich die erste Möglichkeit, ihr neues Album auf den Festivalbühnen zu präsentieren – in diesem Jahr wird es in Europa zumindest nicht mehr klappen. In den Jahren von 2007 bis 2019 haben die Dropkick Murphys im Durchschnitt unglaubliche 120 Konzerte pro Jahr gespielt (genauer 118,9 ermittelt anhand der Zahlen von concertarchives.org → genau hier ). Eine bemerkenswerte Zahl.

Ich würde mich sehr freuen, die Dropkick Murphys live Teile ihres ganz frischen Albums Turn Up That Dial spielen zu hören und genau um dieses soll es hier ja eigentlich gehen.

Mit der diesjährigen Veröffentlichung bleiben sie in dem Vierjahres Rhythmus der letzten zwei Studioalben (2013 Signed and Sealed in Blood und 2017 11 Short Stories of Pain & Glory). Ich würde dieses Album zunächst gerne vom Gesamteindruck her bewerten, denn da schneidet es in meinen Augen sogar besser ab, als eben genannte Vorgänger. Es sind 11 gut ausgewählte neue Songs, die klar und unverkennbar nach Dropkick Murphys klingen, allerdings ganz und gar ohne dabei abgedroschen zu wirken. Das Album ist für mich ein sehr kurzweiliges Gesamtpaket. Der Grundtenor ist von Song 1 bis Song 10 fast durchgehend rockig mit hübscher irisch-amerikanischer Attitüde, deutlicher Sprache und Bier-positiver Atmosphäre. Der 11. Song (I Wish You Were Here), der auch vorab als Single veröffentlicht wurde, bildet dann als einzige 3/4-Takt-Schunkel-Ballade mit allerdings ernsten und gefühlvollem Text einen sehr würdigen Abschluss.

Von Song 1 hängt auf einer neuen Platte immer viel ab, deshalb wird dieser natürlich immer mit Bedacht ausgewählt. In diesem Fall ist es der Namensgeber und Titelsong Turn Up That Dial. Ich war mit diesem Opener direkt „in the mood“ und das obwohl ich zugeben muss, dass ich vor dem ersten Hören eher skeptisch war, da ich befürchtete, ein Album zu hören, das ich „irgendwie Okay“ finde, aber auch schnell wieder vergessen werde. Kurzum, diese Befürchtungen konnten damit direkt gekippt werden:

Nach den ersten Durchläufen der neuen Platte könnte ich dann nach dem ersten Lob die Kritik anbringen, dass eine klassische „Hymne“ – im Sinne eines überragenden Songs, bei dem man sofort weiß, das wird ein Live-Highlight – fehlt. Oder doch nicht? Potenzial sehe ich da schon bei einigen Songs, die sowohl musikalisch als auch textlich etwas in diese Richtung anbieten (Middle Finger, Smash Shit Up), aber das braucht vielleicht noch ein paar Hör-Durchläufe.

Worauf ich mich definitiv schon freue, ist auf irgendeinem Festival in einer schwitzenden, staubigen Menge zu Mick Jones nicked my Pudding meine Kreise zu ziehen. Der Song erschien bereits im Sommer 2020 als erste Single zum neuen Album.

I know the whole „Songs about former members of The Clash stealing deserts from fellow punks“ genre isn’t massive, but this is definitely a highlight of it. – Paul Holmes Kommentar zum Video auf Youtube

Ich fasse zusammen: Das neue Album der Dropkick Murphys erfreut mich gleich auf verschiedenen Ebenen. Es rockt 40 Minuten mit gutem Tempo, hat Texte, die man nur mit gutem sarkastisch bis zynischem Humor schreiben und mitsingen kann und wirkt auf mich einfach komplett und gut reduziert auf elf wirklich starke Aufnahmen.

Fazit: nicht innovativ aber mit hohem Spaßfaktor im klassischen Dropkick Murphys-Gewandt > 8 von 10 Wellenbrecher

Black Honey – Written and Directed (2021)

Now Playing // 30.04.21 (von Felix)

Kommen wir zu einer Platte, die sich an vielen Stellen hört wie der Soundtrack eines anspruchsvollen Independent-Films. Titel und Artwork der Platte unterstützen dieses Empfinden stark. Mir gefällt es, wenn Bands ihre Konzepte auch optisch so stark umsetzen, dass die Neugier beim Erhalt der Platte steigt und man direkt den Impuls verspürt, die Scheibe aufzulegen:

Allerdings verbirgt sich in derlei Aufmachung das Risiko, dass diese geweckten Erwartungen oder Assoziationen sich bei den ersten Tönen zerschlagen. Black Honey schafft es jedoch, diese nicht einfach nur zu bedienen, sondern verstärkt sie mit den ersten Takten der Platte sogar noch. Ich spreche nur für mich, aber ähnlich wie ein gutes Buch, das einen von Seite 1 an in seinen Bann zieht, konnte ich auch das zweite Album der britischen Indie-Rocker nicht einfach durchskippen oder abschalten. I Like The Way You Die ist hier ein würdiger Opener für insgesamt 10 Tracks, die jetzt musikalisch sicherlich keine neue Erfindung der Independent-Musik sind, aber doch so gut arrangiert und angeordnet, dass es für mich beim Hören einfach passt. Umami für die Ohren gewissermaßen.

Was meine Freude darüber sicherlich weiter anfachte, ist die Tatsache, dass ich zwar gerne mal Indie-Rock höre, ich aber in dem Genre in den letzten Jahren eine starke Verballadisierung festgestellt habe. Dabei habe ich nichts gegen gute Indie-Balladen, hatte aber das Gefühl, dass viele Bands beim Fischen nach den Reaktionen über den einen tief berührenden Emo-Song – möglichst gepusht durch eine markante Platzierung in irgendeiner Netflix-Serie – vergessen haben, andere Facetten zu bedienen und somit für mich in vielen Lagen und Situationen keine Hör-Option mehr darstellten. Diese sogenannten Sync-Deals (Musikplatzierung in Serien, TV-Shows und anderen Formaten) sind lukrativ und natürlich ist es völlig legitim diesem Interesse nachzugehen – Black Honey haben diesen Nerv mit ihrer Platte Written and Directed allerdings mit einer ganz anderen Stimmungslage getroffen und wissen das für sich, z.B. in ihren Videos zu nutzen. Das Video zu Beaches ist übrigens komplett zur Lockdown-Zeit im UK entstanden, transportiert aber auch unter diesen Einschränkungen sehr gut die Stimmung des Songs: Right down to the beach, where we can have fun…

Endlich wieder Indie-Rock, der auch mal rockt und zum Tanz einlädt und nicht nur zum betroffen Nachdenken. Diese Platte liefert im Kopfkino nicht nur Drama, sondern auch rauchende Helden und trinkende Antihelden, Road-Trips, raffinierte Bösewichte mit sympathischem Twist und vieles mehr. Eine Platte für alle, die gerne ins Kino gehen.

Kommen wir aber noch kurz zu der Band an sich: Black Honey existieren seit 2014 und haben 2018 ihr erstes Studioalbum (Black Honey) veröffentlicht. Kennengelernt und geründet während des Studiums in Brighton. Ich empfehle an dieser Stelle gerne Interviews mit der Band, oder Teilen der Band, da sie dabei äußerst kurzweilig Auskunft über ihre Songs, Videos, Auftritte und Pläne und alles Weitere erteilen und das auf eine sehr sympathische und humorvolle Weise. Die Sängerin und Gitarristin Izzy B. Phillips berichtete in Interviews, dass der musikalische Einfluss ganz von ihrer Laune oder ihrem Gefühl abhinge, und manchmal fühlt sie sich nach White Stripes und an anderen Tagen halt eher nach Lou Reed. Ich denke, dass es genau das ist, was mir an den 10 Songs des Albums so gefällt – eine gelungene, vielfältige Mischung, für die ich gut gelaunte 9 von 10 Wellenbrecher austeile.