Kein Scheiß, kein Clickbait: In der heutigen Episode wird doch tatsächlich Musik gespielt, die es nirgendwo sonst, sondern nur bei uns im Wellenbrecherbereich, zu hören gibt (Downloadmöglichkeit hier und unten auf dieser Seite)! Wenn das nichts ist! In unserem neuen dreckigen Dutzend präsentiert euch jeder von uns seinen ganz persönlichen “Soundtrack of my life“, eingedampft auf je drei Songs – zumindest so circa. Dies geht selbstredend einher mit einem veritablen Seelenstriptease. Lernt uns näher kennen und begleitet uns auf eine musikalische Reise, denn “nichts ruft die Erinnerung an die Vergangenheit so lebhaft wach wie die Musik.“ Schriftstellerin Anne Louise Germaine de Staël
In unserer Episode #6 hatten wir das Thema bereits angeschnitten, als es in unserem Best-of-Format “das dreckige Dutzend“ um Soundtracks ging (hört hier gerne nochmal rein). Heute wollen wir tiefer graben und uns voll der Synergie aus bewegten Bildern und aufrüttelnden Klängen hingeben. Wie kam Musik auf die Leinwand? Welche Songs finden warum den Weg in Filme und Serien? Gibt es auch für Newcomer diese Möglichkeit oder ist der Heilige Gral der “Sync Deals“ mangels Mut und Kreativität auf Seiten der Filmemacher nur den “Etablierten“ vorbehalten? Ein luftiglockeres Thema für den Mai, das bestimmt auch bei euch Erinnerungen an persönliche Lieblinge und Klassiker, an Filmszenen und Schauspieler*innen weckt. Im Abschlussspiel könnt ihr dann noch euer Wissen testen. Erst heißt es: Wahr oder falsch? Und danach wird zitiert! Und, ja „es ist nicht immer Shakespeare, aber es ist echt. Es ist das Leben.“ Also, seid dabei!
When They Come (They Bring Guns) 1984 Ghettoway Driver Running For A Dream Hoka Hey! You Gotta Fight For Love Unchain My Heart Know Better Hero Edith Groove
In unseren “Tipps aus’m Pit“ (Episode #51, höre hier) hatte ich erwähnt, dass ich mich tierisch auf das neue Album des Rockduos aus New York freue und dass ich andererseits etwas traurig bin, sie nicht auf ihrer Europa Tour erleben zu können. Wie ihr unlängst vielleicht am Foto in unserem Instagram Feed erkannt habt, konnte ich wider Erwarten doch hin – und zwar nach Hamburg ins Headcrash – und was soll ich sagen? Es war eine fantastische Show! Aber nun los:
Musikalischer Metamorph – das dritte Werk eine bunte Hommage an Vorbilder Los geht das neue Album mit dem dichtatmosphärischen Intro When They Come (They Bring Guns), indem Paz an Grace Slick von Jefferson Airplane erinnert. Ein perfektes Entree, um anschließend mit der rockigsten Nummer der Scheibe – 1984 – die Hörer*innen schm(h)erzlich Willkommen zu heißen. Dank der Riff-Originalität kommen sofort Gedanken an Tom Morello‘s Rage Against The Machine hoch. Dazu wütende, fett produzierte Post-Blues-Anleihen. Und auch der Text hätte aus der Feder Zack de la Rochas entstammen können.
No Peace when you’re looking for shelter […] More lies, hollow More graves, shallow When hate echoes, cattle follow
Ja, es ist frei nach George Orwell eben „motherfuckin‘ 1984“ und wir drehen frei – ein weiteres Beispiel für Alex‘ Liederatur Solo Reihe. Die packende Gesellschaftskritik, als Vorabsingle bereits 2022 erschienen, war als Honorable Mention in der engeren Auswahl zum “Song des Jahres“ im Wellenbrecherbereich. Und einmal mehr denkt der geneigte Kapitalismuskritiker an die Wurzel des Bandnamens: Die französische Sozialismus-Hymne des 19. Jahrhunderts „The Internationale“.
Und selbst wenn ich jetzt nicht jeden Song chronologisch runterbeten möchte, muss ich an dieser Stelle direkt mit dem dritten Song weitermachen. Hier gibt es nämlich den ersten stilbrechenden Stolperstein. Hoppala! Was ist das? Nach dem anklagenden Abriss einer Dystopie, schallen uns beim Ghettoway Driver (wunderbares Wortspiel) plötzlich 80s-Synthis entgegen und wir wachen auf in einer melodischen Kate Bush Hommage. Eine auf gute Weise radiotaugliche Nummer, die erst verwundert, aber mit jedem Hören ein Stückchen mehr ihrer Eleganz entfaltet und zeigt, wie Pop frei von Gewissensbissen klingen kann. An Radiotauglichkeit mangelt es dem neuen Werk der letzten Internationalen ohnehin nicht. Auch das titelgebende Running For A Dream und You GottaFight For Love sind opulente, herzzerreißende Balladen im Stile der Grande Dames des Genres – Janis Joplin lässt grüßen! Leckerbissen mit großartigen Melodien, die Delila Paz‘ Bandbreite erneut untermauern. Auch musikalisch, denn sie singt nicht nur, sondern spielt Nina-Simone-like in beiden Songs Klavier.
die Stimmung, die bei TLI erzeugt wird, ist live fast greifbar: Pure Energie, Wut, Enttäuschung: Paz und Pires legen live wirklich alles, inkl. ihrer Seelen, in jeden Song und lassen sich davontragen!
Kommen wir abschließend zurück zu dem Metamorph-Gedanken: Denn wie die New Yorker hier gestaltwandelnd zwischen Grace Slick, Janis Joplin, Nina Simone und Kate Bush, zwischen Synthipoprock und Rage Against The Machine Vibes herumspringen, ist schon schwindelerregend. Dem nicht genug, kommt mit Unchain My Heart noch eine lupenreine 3/4-Takt-Blues-Komposition zur Vita hinzu (mitgeschrieben hat hier die „Sync Deal Queen“ Jenny Owen Youngs). Und der klare Hidden Champion Edith Groove klingt wie ein Abschlussmix aus alledem: Ein frischfrecher Breakdown-Chorus, eine groovende Bassbridge gepaart mit bezauberndem Gitarrensolo und tanzbare Portugal. The Man Samples lassen das Album mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht ausklingen. Da muss selbst Paz lachen:
Independent Days Was das Album neben musikalischer Variabilität und starken Texten noch bemerkswert macht, ist die Tatsache Delila Paz und Gitarrist Edgey Pires sich ganz bewusst, also keineswegs mangels Alternativen, dazu entschieden haben, unabhängig/“independent“, zu bleiben, was in diesem Fall „labellos“ bedeutet. Für ihre künstlerischen Freiheiten, für ihre Autarkie. Nachdem ihr Debütalbum We Will Reign in 2014 noch über Epic Records, eine Sony Tochter, lief und produziert wurde von Branchenriese Brendan O`Brien (Pearl Jam, RATM, RHCP, AC/DC, Korn, Springsteen u.v.m.), ist am aktuellen Album – wie übrigens auch am Zweitling Soul on Fire (2019) – wirklich alles selbst gemacht: Die Musik sowieso, aber auch die Produktion und sogar das auffällige Album-Cover ist von der großartigen Paz mit eigenen Händen gezeichnet worden. Und während die Band in ganz Europa tourt, wurden die vorbestellten Schallplatten und CDs zwischen den Shows “mal eben“ eigenhändig von Band und Roadteam eingetütet, beschriftet, zur nächsten Post transportiert und verschickt. Als ich das vorbestellte Werk dann in den Händen hielt, war ich ziemlich perplex, dass sich Paz sogar noch die Zeit genommen hatte, die Schallplatte zu signieren.
„I wouldn’t mind cuz to regret is to compromise“
Nach dem Konzert hatte ich die Chance kurz mit den beiden zu sprechen und ihnen ist natürlich bewusst, dass der Bekanntheitsgrad leidet, wenn man komplett unabhängig bleiben will. Sie selbst und ihre kapitalismus- und regimekritischen Texte macht es umso authentischer. Ein spannendes Thema auch mal für eine Podcastepisode: Schadet Berühmtheit oder Authentizität? Oder mehr catchy: Credit rating kills Credibility! Edgey Pires meinte an jenem Abend jedenfalls mit einem Augenzwinkern zu mir: „Aber Du kennst uns, das ist doch auch was wert!“
Und Paz bat ganz selbstironisch während der Show, als für die Zugabe Menschen aus der Crowd zu Hit ‘em With Your Blues auf die Bühne eingeladen wurden: „Vielleicht können wir es so machen, dass zumindest eine Person unten bleibt, damit nicht der ganze Laden auf der Bühne steht.“ Das Ganze sah dann so aus:
Die Live-Energie und Freude dieser Band sind nicht in (bewegte) Bilder zu pressen – versucht habe ich es trotzdem!
Ja, wäre diese Welt eine gerechte, so wäre TLI ganz sicher „on top of it“ und würde, bei allem Respekt vor kleinen Locations, in denen üblicherweise die geilsten Abrisse stattfinden, bereits viel größere Bühnen bespielen.
Fazit: Für mich gibt es an diesem Album (fast) nichts zu mäkeln. Und auch die bereits thematisierte Genre-Springerei, die man negativ betrachtet als fehlenden roten Faden interpretieren könnte, empfinde ich als bereichernd. Dank der extremen Wandelbarkeit begeben wir uns auf eine musikgeschichtliche Entdeckungsreise, bei der hinter jeder Ecke etwas Neues warten kann. Allerdings hätten nach meinem Geschmack ein paar mehr rockigere Nummern (neben 1984 eigentlich nur Hoka Hey!) der Albumdynamik und -dramaturgie gut getan. Aber wer bin ich, dem Paz-Pires-Paar zu erklären, wie sie in 2023 zu klingen haben?
Choo-Choo-Choo-Choo – Electric Callboy und ihr TEKKNO (Train) rollen und stampfen sowas von auf der Überholspur. Eine ausgedehnte Hallentour über den halben Globus – der Wellenbrecherbereich war in Hamburg live dabei – lässt die Lichtsignale an der Strecke auf Weltkarriere schalten. Also, liebe Musikmenschen: Zurücktreten von der Bahnsteigkante, die Türen schließen selbsttätig, und Abfahrt! Denn der TEKKNO Train kennt keine Unpünktlichkeit!
Und nun genug der schlechten Zug-Metaphern: Heute beschäftigen wir uns in der Folge – ihr habt es geahnt – mit dem aktuellen Album der Trance-Metal-Core-Truppe aus Castrop-Rauxel mit deutlichem Hang zur Selbstironie und zur Komik. Viva la Elton John!
Die Digitalisierung hat in allen Lebensbereichen Einzug erhalten. Das hat natürlich zwei Seiten, im Kern geht es in diesem Beitrag um eine sehr positive Seite dieses Fortschritts. Musikerinnen, Musiker und Bands können vermehrt ihre Musik in Eigenregie produzieren und veröffentlichen. Allerdings birgt auch das Verfahren des Self-Publishings natürlich gewisse Risiken und es kommt zu Synergieeffekten, die die Vorteile zum Teil auch wieder relativieren oder ihnen zumindest gegenüberstehen.
„Der größte Vorteil für uns war, dass wir in unserem eigenen Tempo arbeiten konnten und so auch die Kontrolle über den Sound und das visuelle Drumherum wie Artwork und Videos behalten konnten. Das ist aber Vorteil und Nachteil zugleich. Die Freiheit, alles selbst zu machen und zu experimentieren nimmt auf der einen Seite viel Druck raus, aber der zeitliche Aufwand ist bei einer zweiköpfigen Band dann pro Person schon sehr hoch.“ – Paul und Tom (Wrong Chat)
Wir haben dazu unter anderem mit Wrong Chat und Alphatraz gesprochen, die kürzlich den Schritt des Self Publishings gewählt haben, sie zu ihren Erfahrungen befragt und um ein möglichst differenziertes Bild zu bekommen mit POLEDANCE, die ihre neue Platte über Label Thirty Something Records veröffentlichte . Für die ausführlichen Antworten bedanken wir uns herzlich und möchten euch im Zuge weiterer „Now Playings“ natürlich auch ihre Musik und Produkte vorstellen und ans Herz legen.
Eigentlich befinden wir uns schon seit Jahrzehnten in den laufenden Prozessen der Digitalisierung im Bereich der Musikproduktion und natürlich auch des Musizierens an sich. So richtig in Schwung kam die Digitalisierung bereits zu Beginn der 1980er Jahre, in welchen insbesondere MIDI kompatible Synthesizer und auch Mehrspur-Aufnahmegeräte günstiger produziert und verkauft werden konnten, im Laufe der achtziger Jahre wurden die Computer nicht nur beständig leistungsfähiger, sondern allmählich für Privathaushalte erschwinglich. Diese Entwicklungen setzen sich unaufhörlich fort und haben seit der Jahrtausendwende und der in Europa und den USA nahezu flächendeckenden Vernetzung der Menschen noch eine weitere nicht zu unterschätzende Komponente des Austausches gebracht. Dabei geht es auch um Wissenstransfer im Bereich Musik und Musiktechnologie. Möchte ich mir zu Hause ein eigenes kleines Studio einrichten, kann ich mich mit Gleichgesinnten und erfahrenen Produzenten austauschen und mir stundenlang Equipment-Tests und Tutorials ansehen. Ich kann als Musiker eigene Spuren oder ganze Stücke einspielen, Bands können aktuell nicht nur viel einfacher ihre eigene Musik mit Hilfe von Computern und verhältnismäßig günstigen Interfaces selber mischen und bearbeiten, sie müssen sich dazu noch nicht mal mehr regelmäßig räumlich treffen. Jedes Bandmitglied kann das Instrument zu Hause einspielen, über die Cloud werden dann alle Spuren zusammengetragen und am heimischen PC / Mac abschließend in Form gebracht. Die digitalen Dateien können dann auf Plattformen wie Bandcamp oder Soundcloud oder ähnlichen Portalen hochgeladen werden und stehen dort auch mittlerweile mit Kaufoption zur Verfügung. Wenn man einen Schritt weitergehen möchte, kann man über spezielle Hosts dafür sorgen, dass die Musik auch auf die großen Streaming Plattformen eingespeist wird.
„Songs über einen Dienst wie Recordjet, Distrokid o.Ä. auf allen wichtigen Streaming-Diensten zu veröffentlichen war natürlich ein Thema […]. Es ist ziemlich einfach zu handeln und das zu einem sehr überschaubaren Preis. Der Vorteil ist, dass je nach Modell alles in der Bandkasse landet. Für einige Künstler:innen wird das ein wichtiges Argument sein.“ – Daniel (POLEDANCE)
Hinzu kommt, dass es mittlerweile unabhängige Dienstleister für die Tonträgerproduktionen gibt, so dass man auch zur digitalen Variante physische Platten, CDs oder Kassetten produzieren lassen kann, um diese z. B. über einen eigenen Web-Shop und auf Konzerten zu verkaufen. Dies ist mittlerweile auch in geringen Stückzahlen möglich. Außerdem gibt es weitere online Shops, über die man eigene Ware verkaufen kann, natürlich auch Merchandise wie T-Shirts, Hoodies und viele weitere Produkte und zumindest in den Städten gibt es mittlerweile auch wieder gute Plattenläden, die für gute, zum Angebot passende Musik immer offen sind. Und klar ist ein ganz logischer Vorteil an dieser Herangehensweise das Geld, welches am Ende des Tages direkt in die Tasche der Bands, Künstlerinnen und Künstler wandert, denn je weniger Stationen am Verkauf beteiligt sind, desto mehr bleibt von der Gewinnspanne bei den Musikerinnen und Musikern selbst. So formuliert klingt das erstmal alles toll und mir liegt auch wenig daran, dies jetzt einfach aus Prinzip zu zerreden, darum würde ich zunächst gerne dieses Vorgehen in der Selbstproduktion aus der Perspektive der Band Wrong Chat unterstützen.
„Klar ist das ein guter Weg, um erstmal überhaupt mit eigener Mucke an den Start zu kommen. Der Aufwand, digital selbst zu veröffentlichen, ist ja relativ gering.“ – Paul und Tom (Wrong Chat)
Und welche Probleme kann diese Form der Veröffentlichung mit sich bringen?
Nun ja, zunächst scheint es doch erstmal ganz logisch: Ihr spielt in einer Band, ihr spielt gemeinsam Musik, also nehmt ihr sie auf und vertreibt sie, oder nicht?! Man wird als Band oder Künstlerin / Künstler recht schnell feststellen, dass die benötigten Fähigkeiten und Talente je nach eigenem Anspruch rasant zunehmen können. Es beginnt spätestens beim Mastering der Aufnahmen, eigentlich schon vorher bei den Aufnahmen selbst. Alles soll gut klingen, also sollte man auch besser wissen, welche Mikros, Kopfhörer, Mischpulte und Interfaces gut geeignet sind. Mit welcher Aufnahme-Technik (DAW) kenne ich mich aus? Ist der Raum überhaupt geeignet? Je professioneller die verwendeten Geräte und Programme sind, desto umfangreicher sind die Einstellungsmöglichkeiten und dadurch steigt auch die Gefahr gewisse Komponenten zu übersehen, die für gelernte Menschen, z.B. Audio-Engineers, zu den Standard-Handgriffen zählen.
Wer entwirft und gestaltet ein Artwork für die Platte bzw. für das Merch? Wer übernimmt die Promotion? Gibt es ausreichend Kontakte oder sogar ein gut funktionierendes Netzwerk, z.B. auch für Pressefotos etc.? Sind Auskopplungen und ggf. Videos dazu in Planung? Wer dreht und schneidet die Videos? Wer plant und organisiert im Anschluss Auftritte oder sogar eine ganze Tour? Natürlich benötigt man zusätzlich eine halbwegs vernünftige Buchhaltung, um zu sehen, ob am Ende wenigstens die schwarze 0 steht.
„Ich hatte ein tolles Team an meiner Seite, alleine hätte ich es nicht geschafft. Meine Frau hilft bei vielem, Collapse of Art haben das Artwork gemacht. Das Alphatraz-Logo ist von Jordan Barlow, das Mastering machte Freio vom Big Easy Studio. Alles hat sich toll zusammengefügt und ich bin sehr dankbar für meine helfenden Hände.“ – Christoph Martin (Alphatraz)
All diese Aufgaben gehören zu einer gelingenden Veröffentlichung sicher dazu. Wenn man in einer Band mit mehreren Mitgliedern und einem engen Kreis aus Freunden und Familie einige dieser Aufgaben stemmen kann, ist das sicher glücklich, wird jedoch auch nicht alle Jahre wieder aufs Neue funktionieren, so dass einige Bands heutzutage die Mühen für erste Auskopplungen nicht scheuen, für weitere Veröffentlichungen nach ersten kleineren Erfolgen jedoch gerne auf Labels zurückgreifen, die einem in der Regel viele der oben genannten Anforderungen abnehmen oder vermitteln können.
„Wer denkt, dass es noch ausreicht, gute Songs zu schreiben, ist entweder in einer Zeit groß geworden, in der das noch genug war, oder hat wenig Erfahrung. […] Neben einer Vision, wo man die eigene Band in ein paar Jahren sieht, sind vor allem die Kontakte und das Netzwerk ausschlaggebend. […] Im Endeffekt habe ich im Laufe der Jahre gelernt, dass eine Band nichts anderes als eine kleine Firma ist, die auch ähnlich gemanaged wird.“ – Daniel Pfeiffer (POLEDANCE)
Ähnlich formuliert es Christoph Martin (Alphatraz): „Als Musiker muss man heutzutage Unternehmerfähigkeiten haben. Wenn du als Musiker erfolgreich sein willst, musst du dich vermarkten.“
Klar ist natürlich auch, je mehr Außenstehende ich engagieren muss, desto weniger bleibt mir am Ende von meinen Einnahmen. Auch hier bietet uns die Digitalisierung wieder einige Hilfe: via Tutorials, Webinaren oder Online-Fortbildungen, Zugriff auf Datenbanken, fleißiger Recherche usw. kann man sich heutzutage viele der Fähigkeiten autodidaktisch aneignen. Das ersetzt natürlich keine Ausbildung, es kann aber den eigenen Ansprüchen z.B. an Sound oder Corporate Design genügen, die rechtliche Stellung ausreichend absichern oder reichen, um die Gage zufriedenstellend auszuhandeln.
Gängigste Varianten um digital Reichweite zu kreieren sind im Jahr 2023 selbstverständlich vor allem die Social Media Plattformen. Über Instagram, Tik Tok und Facebook erreiche ich schnell meine Fans, kann Neuigkeiten (grundsätzlich) ohne Kosten verkünden, neue Songs anteasern, Live-Videos posten, Tickets bzw. im allgemeinen Shops verlinken usw. Allerdings zeigt sich auch hier eine klare Kehrseite: „Experten“ raten dazu, selbst bei einer Anzahl von etwa 1000 Followern ein bis zwei Posts pro Tag abzusetzen, bei etwa sechsstelligen Followerzahlen sollten es mindestens drei pro Tag sein. Das stresst, zumal die Erwartungshaltung bei Kommunikationen über diese Plattformen recht hoch sind. Das heißt, es kommen regelmäßig Verlinkungen, Mentions, Nachrichten, Anfragen usw., gekoppelt mit der Erwartung einer Reaktion. Social Media bleibt bei Künstlerinnen und Künstlern ein ambivalentes Thema. Da sind sich die von uns Befragten sehr einig:
„Ich finde es sehr belastend, dass man sich täglich Content aus den Fingern saugen muss, weil man sonst aus dem Algorithmus fliegt. […] Gleichzeitig ist es unumgänglich, wenn man seine Hörer:innenschaft ausbauen will.“ – Daniel (POLEDANCE)
„Generell sind wir eher abgeneigt von solchen Plattformen, aber verstehen auch, dass es leider nicht anders funktioniert. [Wir] investieren lieber unsere Zeit in Musik machen. Einen Service, den wir dagegen ganz toll und fair finden, ist Bandcamp.“ – Tom und Paul (Wrong Chat)
„Manchmal muss ich meine Tochter fragen. Ich habe sehr schnell gemerkt, wie wichtig diese Plattformen sind. Es ist doch toll, dass man Feedback bekommt und sich mit Menschen aus der ganzen Welt austauschen kann. Ohne diese Plattformen gäbe es das Projekt Alphatraz nicht.“ – Christoph (Alphatraz)
Von meiner Seite aus – als Nutzer oder Konsument – kann ich ergänzen, dass diese Entwicklung mir ebenfalls nicht ausschließlich Anlass zur großen Freude bringt, allerdings auch nicht dafür sorgt, dass ich mir irgendeine angeblich gute alte Zeit zurückwünsche. Ich freue mich über die Geschwindigkeit mit der ich Zugriff auf neue (und alte) Musik habe, die unkomplizierten Kommunikationswege, um mit Labels und Promo-Agenturen in den Austausch zu kommen. Allerdings vermisse ich tatsächlich im Allgemeinen die Wertschätzung für physische Tonträger und den noch aktiveren Austausch im direkten sozialen Kontakt z.B. bei Gesprächen am Vorhör-Tresen in Plattenläden. Es ist allerdings auch sehr wahrscheinlich, dass es ohne den technischen Fortschritt und die Digitalisierung den Wellenbrecherbereich gar nicht geben würde und das wäre ja nun wirklich sehr schade.
Bleibt aufmerksam, denn die netten Menschen, die hier bereits auszugsweise zitiert wurden, werden wir euch hier in Kürze etwas genauer vorstellen. Damit ihr schon mal reinhören könnt, hier ein paar direkte Links zur Musik von Alphatraz, POLEDANCE und Wrong Chat, die ihr allesamt beim bereits angesprochenen Dienst Bandcamp finden könnt und dazugehörige Video-Links. Weiter unten findet ihr noch zwei Quellen und Lese-Empfehlungen über dieses Thema.
Quellen und Empfehlungen zur Thematik:
Hviid, Morten; Jacques, Sabine; Izquierdo Sanchez, Sofia: Digitalisation and intermediaries in the Music Industry, CREATe Working Paper 2017/07
Holger Schwetter: Teilen – und dann? Kostenlose Musikdistribution, Selbstmanagement und Urheberrecht, Kassel: University Press, 2015
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