KMPFSPRT – Aus gegebenem Anlass (April 2024)

Von Felix

Liebe Musikmenschen!

Wir haben KMPFSPRT für euch interviewt, die Platte gehört und ihr zweites Konzert der Tour im Tower Bremen besucht. Lest hier unseren ausführlichen Bericht und das meinungsstarke Interview.

KMPFSPRT aus Köln veröffentlichen ihr neues Album zu einem absolut passenden Zeitpunkt. „Leider“ muss man zumindest zu diesem Zusammenhang sagen: die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der letzten 10 Jahre mit dem vermehrten Aufkommen von Rechtsradikalismus und Neonazis, machen ein Aufzeigen auf Demos gegen den Rechtsruck wieder notwendiger. Punk-Bands wie KMPFSPRT liefern zur Bewegung gegen rechts textlich und musikalisch einen motivierend linksdrehenden Soundtrack ab. Mal wütend und schnell, mal etwas melodiöser, aber immer ohne Umschweife, klare Positionen mit Anlauf ins Mikro gebrüllt. Musik, die Spaß macht, Texte, die man hören sollte. Das neue Album Aus gegebenem Anlass ist eine absolute Empfehlung und aus unserer Sicht für die Band auch ein großer Schritt: Der klassische Sound bleibt und dennoch wirkt die Platte etwas reifer, abgestimmter, die Musik treibt an und verbindet sich sehr organisch mit den Texten bzw. den damit transportierten Emotionen.

Nach dem Konzert am späten Samstagabend, saßen wir noch bei einem Terrassenbier zusammen und waren glücklich. KMPFSPRTs zweites Konzert der laufenden Tour war voller Energie und echter Spielfreude. Leider war der Tower nicht ganz ausverkauft. Das ist wirklich bedauernswert, liebe Bremerinnen und Bremer: geht wieder mehr auf Konzerte! Der Stimmung hat es aber grundsätzlich nicht geschadet und auch der Support-Act Schrammen hat dazu einen Teil beigetragen und erste Bewegungen in die Gäste gebracht. Testet also auf der Suche nach neuer Musik ruhig die Schrammen mal aus, mich persönlich haben sie etwas an die Band Blaufuchs erinnert.

KMPFSPRT haben vom Start weg überzeugt. Vor über fünf Jahren haben wir sie in der selben Location gesehen und wenn sich eins nicht geändert hat, dann ist es die Spielfreude, die man der Band auf der Bühne anmerkt. Die Dynamik zündete bei diesem Konzert erfreulicherweise auch stark bei den neuen Songs, von den ich mir sogar noch ein bis zwei mehr in der Setlist gewünscht hätte – Perfekt / Defekt ist eines von den neuen Liedern, die ich mir auch sehr gut live vorstellen kann. Aber die ausgewählten neuen Songs waren sehr schön eingebettet und vor allem „Schade, dass die Welt uns nicht versteht“ und „Bisher alles gut“ animierten zum Mitsingen, brüllen und Wild-im-Kreis-Laufen. Es war einfach ein hervorragender Mix, der ziemlich geradeaus durchgespielt wurde. Einfach eine schöne Punkrockparty. Wer die Gelegenheit hat, sollte noch einen Besuch einplanen.

Aber ist es denn überhaupt noch Punk?

Interview mit KMPFSPRT

Es haben sich in den letzten Jahren ja doch einige Subgenres entwickelt und bieten viel Platz zum Haare spalten und klugscheißen – also fragen wir die Band doch mal, wie sie ihre Musik selber sieht?

KMPFSPRT: Ich finde „Punkband“ eigentlich sogar die perfekte Beschreibung. Denn Punk steht an der Wurzel all dessen, was wir tun und ist der gemeinsame Nenner, auf den wir immer wieder zurückkommen. Als wir mit 14 oder 15 unsere ersten Bands gegründet und musikalischen Gehversuche getätigt haben, war das eben Punk. 2-3 schnelle Powerchords, kurzer Text, fertig. Die absolute Demokratisierung von Musik, jeder kann es, der etwas zu sagen hat, auch ein 14jähriges Kid in irgendeinem Proberaum. Das fand ich damals ungemein „empowernd“, um mal ein unangenehmes Modewort zu verwenden. Danach haben wir dann auch irgendwann Bands abseits der Ramones oder Misfits entdeckt, irgendwann kam Hardcore dazu, dann Emo, dann meinetwegen auch Pop (allerdings meine ich, wenn ich von „Pop“ spreche, eher so was wie The Smiths oder The Housemartins als Ed Sheeran oder Adele oder so) und alles hat irgendwie seinen Weg in unsere Musik gefunden. Aber ist das nicht bei den meisten Bands so? Und müsste man dann nicht fast immer von Indiehardcorepoweremopoppunk oder etwas Ähnlichem sprechen? Daher bin ich mit „Punkrock“ perfekt bedient. Am Ende des Tages machen wir genau das.

Das neue Album ist aufgenommen und veröffentlicht, die Proben vorbei, die Tour gestartet. Sind die Konzerte eurer eigenen Tour und im Sommer auf Festivals auch so etwas wie eine Belohnung für die langen Phasen im Studio und im Proberaum?

KMPFSPRT: Die richtige Antwort darauf wäre: ja. Die ehrliche Antwort aber ist, dass ich Zeit im Studio fast ebenso genieße wie live zu spielen. Ich kann auch gar nicht verstehen, dass es immer wieder Bands und Musiker gibt, die das Studio gar nicht zu mögen scheinen. Mögt ihr denn keine Musik? Ich finde, es gibt kaum etwas Schöneres, als Songs vor den eigenen Augen entstehen zu sehen. Sich kreativ auszutoben, auszuprobieren, und auf einmal hat man Musik vor sich, die noch vor wenigen Stunden einfach nicht existiert hat. Und vielleicht sind Songs dabei, die wir die nächsten Jahre live spielen werden, die uns was bedeuten, die den Leuten da draußen was bedeuten, die auf Konzerten mitgesungen werden… wie kann man das nicht mögen? Außerdem öffnet man im Studio ab irgendwann nachmittags das erste Bier und hängt mit seinen Brudis rum und raucht und säuft und labert Scheiße, auch deswegen spiele ich schließlich in einer Band. Und ja, auf Tour irgendwann ist auch schön, klar.

Aus gegebenem Anlass“ ist der Titel der neuen Platte (Shop hier). Gleich im ersten Lied „Das Ende aller Tage“ verdeutlicht ihr, welcher Anlass gemeint ist. Wie steht ihr zu den Entwicklungen in Deutschland in den letzten Jahren und (wenn möglich) was kann man trotzdem versuchen, Positives herauszuziehen? Denn der Refrain sagt ja deutlich „Du bist nicht das Ende aller Tage“.

KMPFSPRT: Bis vor wenigen Monaten hätte ich es vermutlich wirklich schwer gefunden, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Immer größere Erfolge für die blaubraunen Faschos im Osten wie im Westen, Gewalt, Krieg und eine Linke, die lieber über Pronomen oder Wortendungen diskutiert als über das nahende Ende der Demokratie, wie wir sie kennen. Dann aber kam der Switch, mit dem Bekanntwerden der Abschiebephantasien diverser Politiker diverser Parteien. Da hat man schon gemerkt, dass ein Ruck durch die Gesellschaft ging und die schweigende Mehrheit endlich ihre Stimme gefunden hat. In ganz Deutschland gab es ja gigantische Demos, wir waren in Köln und Bonn dabei, und man endlich wieder sehen konnte, dass der gesellschaftsfähig scheinende Rassismus eben noch immer eine Minderheitsmeinung ist und die Mehrheitsgesellschaft keinen Bock auf die Scheiße hat. Ich fand vor allem cool, dass auf all diesen Demos nicht ausschließlich Linke oder Punks wie wir waren, sondern Familien mit Kindern, Normalos, Rentner und alle dazwischen. Das hat mich an den „Aufstand der Anständigen“ Anfang der 90er Jahre erinnert, der den Nazis damals auch ganz klar gezeigt hat: Ihr seid nicht das Volk, ihr seid nur ein Haufen armseliger Vollidioten.

Ein ähnlicher Tenor klingt bei Lied 3 „Bisher alles gut“ an. Befinden wir uns gerade auf einem Weg zurück in die Neunziger Jahre, wo man die Feindschaften zwischen links und rechts ziemlich offen, unvermittelt und schonungslos auf der Straße ausgetragen hat und schon die falsche Frisur oder das falsche Shirt als ausreichende Provokation galt?

KMPFSPRT: Ich glaube nicht, dass das je anders war. Versuch mal in der falschen Stadt oder dem falschen Stadtteil mit einem Antifa-Shirt oder händchenhaltend mit einem Menschen des gleichen Geschlechts durch die Straßen zu gehen. Es gibt über 200 Todesopfer durch rechte Gewalt seit der Wiedervereinigung. Auch wenn die „Baseballschlägerjahre“ irgendwann vorbei schienen und eine gewisse Normalität eintrat (auch, wie oben erwähnt, erkämpft durch antifaschistischen Protest auf der Straße Anfang der 90er), hat das ja nie ganz aufgehört. Und mit den Erfolgen der Blaubrauen in den letzten Jahren haben auch die rechten Gewalttäter wieder das Gefühl, „Volkes Willen“ zu vollstrecken – da ist weitere Gewalt nur eine Frage der Zeit. Und auch wenn wir selber keine gewalttätigen Menschen sind und Gewalt vollkommen abstoßend finden, denke ich nicht, dass man Nazis mit Worten und Argumenten stoppen kann. Darum ging es denen ja nie. Da muss man sich schon die Hände schmutzig machen, zum Schutz von Minderheiten und auch zum Schutz von sich selbst.

Welchen Beitrag leistet ihr mit eurer Musik, um diesen aktuellen Entwicklungen entgegenzuwirken?

KMPFSPRT: Wir sind nicht so verblendet, zu glauben, dass unsere Songs eine größere Wirkung haben, wenn es darum geht, Leute zu politisieren oder Themen zu setzen. Das können eher Die Ärzte oder Die Toten Hosen, im Osten vielleicht auch Feine Sahne hier und da. Ich hoffe aber natürlich trotzdem, dass es im Kleinen Menschen gibt, die sich angesprochen oder zumindest bestärkt fühlen. Mir ging es ja selbst nicht anders, als ich mit 14 oder 15 Punk entdeckt habe. Slime waren damals der Soundtrack meiner frühen Jugend, später haben Bands wie Gorilla Biscuits, Manliftingbanner oder Propagandhi dazu beigetragen, dass ich angefangen habe, Dinge zu hinterfragen und mir eine kritische Meinung zu bilden. Vielleicht können wir das ja auch für eine Handvoll Menschen tun.

Eure Tour streckt sich über einen etwas längeren Zeitraum. Habt ihr schon oft überlegt, den Schritt ganz in den Beruf des Künstlers zu gehen, um vielleicht auch mehr Zeit oder einfach mehr Möglichkeiten für mehr Konzerte etc. zu haben?

KMPFSPRT: Schon oft? Oh Gott. Nee. Noch nicht ein einziges Mal, ehrlich gesagt. Was für eine schreckliche Vorstellung. Stell dir vor, du machst das, was du liebst, zum Beruf. Du MUSST auf einmal Songs schreiben, ob du in dem Moment willst oder nicht. Du MUSST auf Tour gehen, du MUSST jedes Festival spielen, du MUSST Insta-Videos drehen, in denen du in die Kamera laberst und Dinge sagst wie: „Hi, hier ist der David von KMPFSPRT, wir spielen am Wochenende in Bayreuth und haben MEGA BOCK, kommt rum, blaaaa“. Und das dann jede Woche, jedes Jahr. Mit 30, mit 40, mit 50… Urgh. Nein danke. Musik, Kunst ist meine/unsere große Liebe, das muss immer auf Freiwilligkeit basieren und darf nie vermarktbare Wegwerfware werden.

In Bezug auf eure Diskographie merkt man auch nur wenig, dass ihr die Musik „nur“ als Fulltime-Hobby betreibt. Wie schafft ihr das, doch so einen verhältnismäßig regelmäßigen Veröffentlichungsrhythmus beizubehalten?

KMPFSPRT: Vermutlich geht das, weil wir es eben nicht müssen. Sondern einfach wollen. Nach einer bestimmten Zeit juckt es einen immer in den Fingern, dann sitzt man zu Hause abends mit der Gitarre in der Hand vorm Fernseher, spielt und spielt und spielt und schreibt so fast automatisch Songs. Oder es passieren Dinge, auf der Welt oder im eigenen Leben, die einen in irgendeiner Form emotionalisieren und irgendwann einfach raus müssen, in unserem Fall eben in Form von Musik. Und dann ist der Ball meistens schon ins Rollen gekommen und man schreibt und tut und macht und sammelt und irgendwann geht man dann ins Studio und – zack – hat schon wieder ein neues Album oder eine neue 7“ oder was auch immer. Aber klar, das geht nur, weil wir alle das auch wollen. Es würde vermutlich reichen, wenn einer nicht mitzieht, was bei uns bisher zum Glück nie so richtig vorkam. Wir sind ja auch schon eine Weile dabei und wissen, was wir tun und was wir wollen (und was nicht).

Neben den eben erwähnten, bedenklichen gesellschaftlichen Entwicklungen sprecht ihr noch ein paar andere relevante Themen an. In „Schade, dass die Welt uns nicht versteht“ geht es im Kern um den Klimawandel. Aber auch ein Stück weit um einen diesbezüglichen Generationenkonflikt. Auf wen sollten wir aus eurer Perspektive mehr hören: auf den fatalistischen Vater am Klavier oder die aktiven Neo-Hippie-Kids?

KMPFSPRT: Vielleicht auf beide gleichermaßen, vielleicht stehen die irgendwann sogar Schulter an Schulter auf den Barrikaden und reißen ein System nieder, das nur auf Profite und nicht auf Vernunft oder Logik basiert und so uns und unseren Planeten auf dem Altar des Geldes opfert. Ich glaube, dass wir da durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten zusammenarbeiten müssen, da die Mächtigen ihre Macht bestimmt nicht freiwillig aufgeben werden. Wenn wir aber den Kapitalismus nicht beenden und durch ein humanistisches, soziales System ersetzen, bei dem es um Mensch und Natur geht, sehe ich da schwarz. Das allerdings wird nur zusammen gehen und zwar mit so einer großen Mehrheit, dass es keine Zweifel an der Konsequenz der Veränderung geben kann. Ich hoffe, ich erlebe noch etwas davon.

Ein auch bei uns im Podcast häufig aufkommender Themenbereich ist der der Alltagsbelastungen. Bei „Letzte Hilfe“, „Trugschluss der Dummen“ oder auch „Fliegenfriedhof“ und letztlich auch in „Hana-Bi“ geht es um individuelle Probleme, um Struggles möglichst normal und sorgenfrei durch das Leben zu kommen. Wo seht ihr die Ursachen für diese doch immer stärker wahrnehmbaren Szenarien, wie ihr sie in den genannten Liedern beschreibt?

KMPFSPRT: Ich finde, es klingt immer etwas billig, alle seine privaten, individuellen oder psychischen Probleme auf den eben genannten Kapitalismus zu schieben, aber… genau daran liegt es in der Regel eben. Wie soll man in einer Welt wie der unseren leben und NICHT dadurch krank werden? Und das sage ich aus der relativ privilegierten Position eines studierten weißen Mannes in Mitteleuropa. Aber klar hilft einem das im Alltag nicht, wenn man an Depressionen leidet oder einfach „nur“ seinen Job oder seine Freundin verloren hat oder was einem sonst noch immer so passieren kann. Dafür gibt es dann ja irgendwie auch Kunst und Musik. Mir hilft das zumindest immer sehr, mich von einem Buch oder einem Song verstanden zu fühlen. Mehr kann man kurzfristig eh nicht tun. Außer mal Fünfe gerade sein zu lassen und ein paar Bier zu viel zu trinken. Aber das hilft auf Dauer ja auch nicht.

Dann kommen wir auf der Zielgeraden nochmal zu positiven Dingen. Musik hilft bei vielen Dingen und gerade Konzerte können unglaublich viel Spaß machen und einen den Alltag auch mal vergessen lassen. Bei welchem Konzert sieht man euch 2024 noch als Gast und wenn ihr dort seid, dann im Wellenbrecherbereich / Moshpit oder lieber am Tresen?

KMPFSPRT: Ich habe tatsächlich eine Menge Konzerte in meinem Kalender stehen. Ein paar davon wären Slapshot, EA80, Jeff Rosenstock, NOFX, Alkaline Trio, D.R.I., Madness, The Stranglers und Hot Water Music, um nur ein paar zu nennen, die mir direkt einfallen. Es gab mal eine Zeit, nach ein paar intensiven Jahren KMPFSPRT, da hatte ich weniger Lust auf Konzerte, irgendwann ist man ja auch einfach übersättigt, aber inzwischen bin ich wieder voll am Start und freue mich auf jede Show. In der Regel, dem Alter entsprechend, eher hinten an der Bar, aber es kann immer mal wieder vorkommen, dass mich die Musik weiter nach vorne zieht und der Funke überspringt wie bei einem liebeskranken Teenager. Zuletzt war das bei Samiam und den Menzingers so.

Gebt uns zum Abschluss noch einen kurzen Ausblick, was ist 2024 noch alles von KMPFSPRT zu erwarten?

KMPFSPRT: Das Album ist ja jetzt draußen, also… Konzerte? Eine Tour, ein paar Festivals, vielleicht irgendwas Schönes zum Jahresabschluss und dann, so wie ich uns kenne, hat auch schon irgendwer Bock auf das nächste Projekt, die nächste 7“ oder was auch immer. So richtig langweilig wird uns eigentlich nie.

Herzlichen Dank für das Interview! Wir wünschen euch geile Konzerte auf der Tour!

Shaka Ponk – Selftitled (2023)

von Alex

1. D’Essence
2. Alegria
3. Dad’Algorhythm
4. 13000 Heures
5. J’aime Pas Les Gens
6. Je M’avance
7. Il y a
8. Multiply
9. Tout Le Monde Danse
10. Resign

Manchmal muss man sich doch wundern: Seit ich zahlender Kunde bei Spotify bin, und das ist gar nicht mal so lange (ihr wisst noch: Musik Tinder, lese hier), hatte ich jetzt das erste Mal die Situation, dass ich in meiner digitalen Bibliothek ein Album entdeckte, an das ich mich überhaupt nicht erinnern konnte. Shaka Ponk?! Was ist das? Nie gehört! Wer hat das hier reingezogen? Hm, muss wohl ich gewesen sein! Und vielleicht habe ich mir sogar was dabei gedacht… Und in einem Satz: Ja, das hatte ich!

Shaka Ponk passt perfekt sowohl in unsere Playlist Best of MultiSingual (Folge hier), weil viel Französisch und auch mal Spanisch gesungen wird, als auch in die Playlist New Rock (Folge hier), obwohl die Band gar nicht so “new“ ist (gegründet 2004), aber einfach verdammt frisch und zeitgemäß klingt. Interessanterweise verließen die Franzosen schon in ihrem Gründungsjahr ihr Land und zogen nach Berlin, weil sie sich in Frankreich aufgrund der dort existenten nationalen Radioquote in ihrer kreativen Freiheit sehr eingeengt fühlten.

Wie also eben gehört bin ich bei Shaka Ponk so spät auf der Party, dass schon Reinhard Meys „Gute Nacht, Freunde“ erklingt. Wie gemunkelt wird, könnte das gerade erschienene Album ihr letztes gewesen sein. Den letzten Wagon des Hypetrains habe ich aber noch erwischt.

Das „Wie für mich gemacht“-Album
In Anlehnung an eine schlechte Werbung für Kreditvergabe, kann man wirklich behaupten, dass dieses Album Vieles von dem vereint, was ich mag: Wir hören Metal-Elemente zum Kopfnicken, schnellen Punk, Rap-Parts in verschiedenen Sprachen, wunderschönen Gesang und in homöopathisch angemessenen Dosen Elektrosamples. 

Highlights
Direkt die ersten beiden Songs stechen heraus. Der Elektro-Metal-Opener D’Essence und Alegria, das neben einem indigen-anmutenden Klangbild mäandert zwischen handfestem Rock, einem im Freudentaumel gut mitgrölbaren Refrain und einer ausladenden Crescendo-Bridge.

Der klare Champion der Platte ist aber die zeitlose Ballade Il y a. Auf unserem Instagram Kanal hatte ich per Reel häppchenweise meine drei Songs des Jahres 2023 präsentiert – Il y a war einer von ihnen. Er startet mit einem mantraartigen Elektosample, das uns durch den ganzen Song begleitet, uns an die Hand nimmt, wie eine Mutter es bei ihrem Kinde tut. Es folgen Akustikgitarre, ein leichter Ghost-Note-Snare-Beat, später Geigen. Und über allem schwebt die kraftvoll und zugleich verletzliche Stimme von Sängerin Sam, die uns auf Französisch erklärt, worum es im Leben geht. Fantastisch!

Der Gesang
Apropos Gesang: Nicht nur genre-technisch hat das Album einiges zu bieten. Auch hinsichtlich der Stimmen gilt es genauer hinzuhören: Sängerin Sam kann nicht nur toll singen, sondern auch – meist auf Französisch – on point rappen. Ihr männliches Pendant Frah tut es ihr gleich. Auffällig zudem, dass neben Französisch und Spanisch auch immer mal wieder ins Englische gewechselt wird, sowohl innerhalb eines Songs, als auch über einen ganzen Song hinweg (höre zum Beispiel das punkige Dad’Algorhythm oder das radiotaugliche Multiply; gemäß Artikelanfang: Wettbewerbsnachteil in Frankreich!). Wir hören auf dem selftitled Album also Crossover im musikalischen, gesanglichen und sprachlichen Sinne.

Diese Revolution ist tanzbar
Neben dem Rock und der Vorzeige-Ballade legt das Ensembe enorm viel Wert auf Tanzbarkeit. Entgegen der Erwartung bei einem Titel wie Tout Le Monde Danse (Alle tanzen) ist jedoch gerade diese Nummer eher ein Hybrid und kein klassischer Tanzsong. Musikalisch passagenweise ja, aber die Charakterfarbe ist ein melancholisches Grauschwarz. Übersetzt man den Text und schaut sich das dazugehörige Video an, wird schnell klar: Es geht keinesfalls ums ausgelassene Tanzen. Es geht um die Frage, warum in der Konsensfabrik denn eigentlich die Lämmer schweigen, ein übersetzter Auszug:

Alle tanzen, wenn diese Leute mit den Fingern schnippen.
Aber ich tanze nicht
Ich tanze nicht nach dieser Melodie, ich tanze nicht für falsche Kriege.
Ich tanze nicht, wenn man mir alles und das Gegenteil vorschreibt.
Ich tanze nicht, wenn diese Leute mit den Fingern schnippen
.

Songs wie J’aime pas les Gens, das verbindende Resign oder besagtes Multiply sind da schon deutlich tanzbarer und klingen ein bisschen nach Culcha Candela, die in einen Zaubertrank aus Rockmusik gefallen sind. In Letzterem erklingt sogar ein zurückhaltendes Pianosample, das uns zaghaft, aber eindeutig an ABBA erinnert.  

In den Texten der Band bleibt ihr inhaltlicher Anspruch zu jede Zeit sichtbar. Wie das Cover des Albums vemuten lässt – siehe oben: Sam steht mit entschlossenem Blick, einem brennenden Molotov-Cocktail und einem umgehangenen Patronengürtel vor uns – sehen sich Shaka Ponk als Teil einer Gegenbewegung. Gegen Elitarismus, gegen soziale Ungleichheit, gegen Neo-Kolonialismus, gegen Rassismus, gegen Sexismus.

And if you don’t wanna resign
Join us in the fight, Join us in the fight
And don’t you worry ‚bout it
It’s not up to them to decide

aus Resign

Keine Frage: Auch 2024 gibt es genug zu tun. Dass die sogenannte „schweigene Mehrheit“ nicht alles kommentarlos hinnimmt, haben die letzten Wochen eindrucksvoll bewiesen, als deutschlandweit etwa 1,5 Millionen Menschen gegen Faschismus auf die Straße gingen. Allein es kann nur der Anfang gewesen sein. Auch in Zukunft wird es mehr als notwendig sein, Haltung zu zeigen. Dieses Album kann ein Soundtrack sein – 8/10 Wellenbrechern

The Cat Empire – Where The Angels Fall (2023)

Songs des Albums:
Thunder Rumbles
Boom Boom
Money Coming My Way
Deeper
Owl
Dance the Night Away
Be With You Again
Rock ‘n’ Roll
Coming Back Again
West Sun
Old Dog, New Trick
Oh Mercy
Walls
Drift Away

von Alex

Wer uns schon etwas länger (ver)folgt, weiß, dass ich durchaus ein Faible für Blechgeschmetter in meiner Musik habe – exemplarisch zu nennen seien die bereits im Wellenbrecherbereich thematisierten Moop Mama, Dubioza Kolektiv, La Vela Puerca, Leo In The Lion Cage oder eine Band, dessen Album wir voraussichtlich Anfang 2024 besprechen werden. Bleibt also dabei!

Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass sich auch die Australischen The Cat Empire – quasi als Godfather des Fusion-Brass – in meine Rotation gespielt haben. Bei Spotify schon länger verfügbar, wird das neunte Album des frisch zusammengewürfelten Ensembles in physischer Form erst ab dem 13. Oktober erhältlich sein. Ein Now Playing ist aber trotzdem drin. Doch vorher kurz zum geänderten Personal:

Ensemble-Roulette
Das Katzenimperium wurde immer schon um die Gründungsmitglieder Felix Riebl und Oliver McGill herumgebaut. Der dritte Mitbegründer Ryan Monro sowie viele weitere Mitglieder des langjährigen Stammpersonals (seit 2001) verließen die Band Ende 2021. Offiziell war dies die Auflösung. Doch Riebl und McGill hatten offensichtlich noch Bock. Ziemlich genau ein Jahr ist es her, als The Cat Empire über ihre Social Media Kanäle eine neue Zusammensetzung verkündete. Vor allem die von den Seychellen stammende Grace Barbé (Bass und Gesang) sticht dabei ins Auge und Ohr.

Ein Donnergrollen ausgelöst durch Spaß und Spielfreude
Das erste Album in ziemlich neuem Gewand startet ganz puristisch. Die tief in die Eingeweide fahrenden Töne des Sousaphons drücken die richtigen Knöpfe und so folgt ein verheißungsvolles Kopfnicken bei den Hörern fast zwangsläufig. Binnen Sekunden. Was sich musikalisch anschließt darf mit Fug und Recht als Cat Empire Classic verbucht werden, welcher den Hits des starken Vorgängeralbums Stolen Diamonds (mehr zum gescheiteren Erwerb der Platte nach der Rezension) in nichts nachsteht: Bewegende Beats, treibende Bläser, konsonant warme Melodien und dazu eine hookähnliche Gesangslinie von Felix Riebl, die beim Rezensenten schnell steckenbleibt. Wer sich hier nicht bewegt und lauthals mitsingt, ist taub oder tot.

I like the lights that shine on the distant shore
I like the blinding city where my dreams are born
I like the rush and the shudder of the stadium roar
Where the underdogs rise and the giants fall
And the thunder rumbles…

Abrocken ohne Stromgitarren-Distortion: Riebl und Konsorten haben es schlicht drauf
Bleiben wir in der chronologischen Dramaturgie des Albums darf mit Boom Boom und Money Coming My way ansatzlos weitergefeiert werden. Aber mein ganz persönliches Highlight ist Dance The Night Away, das wie eine Hommage an die Mavericks daherkommt und mich unverhofft an meine Sympathie für den Teufel (Whoo, Whoo!) erinnert und an die zappeligen Verrenkungen eines positivverrückten Jerry Lee Lewis an seinem Klavier. Pleased to meet you… Ollie McGill! Versteht ihr nicht? Dann anhören!

der Song wurde geschrieben für Riebls kleine Tochter, die offenbar gerne und viel tanzt

Auch die Ausgewogenheit passt
Aber ein gelungenes Album besticht nicht durch “die ewige Wiederkehr des Gleichen“, sondern durch ausgewogene Vielfalt. So ist Where The Angels Fall nicht nur geeignet als Untermalung für schwülwarme Cocktail-Parties im Sommer, sondern – gerade im zweiten Teil – auch sehr interessant für musikalische Apnoetaucher. Mit Songs wie West Sun (Countryblues), Old Dog, New Trick (Salsa/Tex-Mex) oder dem verträumten Rausschmeißer Drift Away (50er-Jahre-Buddy-Holly-Everyday-Vibes, mitgeschrieben und -gesungen von Grace Barbé, zum Teil auf Kreolisch) wird jede Erwartbarkeit lässig links liegen gelassen und bei Be With You Again zaubert die Band eine gar magische, akkordeon-getragene Ballade von erfrischender Moderne mit berührendem Text in die Rillen des Vinyls.

Will I ever find my joy
Knowing you had so much pain?
Why should people hear my voice?
Next to yours it sings so plain
I can't reason it at all
Yeah they words just won't explain
I'm over here, you're on the other side
I wanna be with you again
der Text lässt vermuten, dass es um Verlust und Trauerbewältigung geht – großes Kino!

Fazit
Das neue Album mit neuem Ensemble rumblet und boomt, es rockt, rollt und tanzt wie wir es aus der Vergangenheit gewohnt sind, aber zu gleichen Teilen driftet es auch tiefer. Und zwar dorthin, wo selbst die Engel (vor Staunen um)fallen. Absolute Kaufempfehlung: 8,5/10 Wellenbrecher.


Nachtrag zum Vorgänger Stolen Diamonds (aus 2019):
Bezugnehmend auf meinen allerersten Blog-Artikel zum Thema “Analoge Musikbeschaffung: Amazon vs. Einzelhandel“ darf ich an dieser Stelle noch schnell verraten, dass ich mir besagtes Album für 30,- Euro im Einzelhandel bestellt hatte. Nachdem ich wochenlang nichts hörte, rief ich nochmal an. Leider wurde meine Bestellung vergessen, obwohl ich extra persönlich vor Ort gewesen war. Man wollte die Platte schnell nachbestellen, um dann festzustellen, dass es inzwischen keine mehr gab – zumindest keine unter 100 Euro… Ärgerlich! Natürlich: Fehler passieren, keine Frage, aber leider war es in diesem Laden, dessen Name der Fairness halber nicht genannt wird, nicht das erste Mal. In solchen Fällen braucht sich niemand wundern, weshalb am Ende eben doch oft der Weg ins Internet gewählt wird. Und dabei muss es selbstverständnlich nicht immer Amazon sein. Es gibt auch gut sortierte Online-Shops von kleinen Anbietern.

Abschließend: Wer Stolen Diamonds zu einem fairen Preis abzugeben hat, hier schreibt ein dankbarer Empfänger.

Wrong Chat – Wasteland (2022)

Von Felix

Wrong Chat sind zwei Bremer, die mit Wasteland im Oktober 2022 ihren ersten Longplayer veröffentlicht haben und das weit überwiegend in Eigenregie. Das Album ist als Tape und als CD erhältlich (und natürlich digital), am einfachsten hier über Bandcamp.

Paul, Sänger und Gitarrist haben wir vom Wellenbrecherbereich Anfang 2023 noch live im Tower Bremen gesehen, als er als Support-Act für Shitney Beers auftrat. Das war schon ein etwas besonderer Auftritt, da ich beim ersten Stück noch dachte, er macht jetzt so ein wenig Soundcheck – aber nein, aufgrund der kurzfristigen Einladung war es Schlagzeuger Tom Wagner einfach nicht möglich teilzunehmen und so wurden die Studiodrums kurzerhand vom alten I-Pod von Pauls Schwester eingespielt. Es war trotzdem (oder auch deswegen) ein gelungener und unterhaltsamer Auftritt. Paul hat an dem Abend immer knapp aber ganz launig die ausgewählten Lieder vorgestellt. Mir hat es so gut gefallen, dass ich mir später direkt ein Tape gekauft habe. Es hat viel Spaß gemacht mal wieder einen wirklich guten Grunge-Sound zu hören. Das ist ja doch mittlerweile eine Rarität und deshalb denke ich auch, dass hier genau das Potential für Wrong Chat liegt: Sie sind nicht die xte schon ganz gute, aber auch nicht wirklich herausragende Punkband, sie schwimmen auch nicht auf der Welle der (ebenfalls oft guten aber eben) echt vielen deutschen Post-Hardcore Bands, sondern gehören zu den Bands, die zu einer Reanimation des Grunge beitragen könnten.

Den Gedanken mag ich sehr, wenngleich mir auf Wasteland auch nicht jeder Song gut gefällt. Ich kann für mich festmachen, dass ich alle etwas raueren Songs bzw. Parts sehr schätze, die etwas ruhigeren bis poppigen Teile gefallen mir nicht immer. In der Hauptsache liegt das daran, dass Paul für seinen Gesang immer den gleichen Effekt nutzt und ich finde das in bestimmten Passagen nicht immer passend, bzw. manchmal sogar etwas nervig, so dass ich unten in der Wertung dann natürlich auch ein paar Abzüge habe.

Um das aber auch mal konkret zu benennen: nicht so gelungen finde ich das z.B. in dem Song Playlist, obwohl der sonst (oder für andere Hörerinnen und Hörer) vom Konstrukt her wohl durchaus Ohrwurmpotential hat. Might Be und What I Feel finde ich dadurch insgesamt auch etwas anstrengender. Die Ausnahme dieser Regel bildet hierbei Two Brainer – gleiches Prinzip, also insgesamt etwas ruhiger, Stimmeneffekt der selbe, aber irgendwie packt mich dieser Track dann doch, weil er sich im und um den Chorus herum etwas interessanter entfaltet.

Sehr gelungen hingegen sind aus meiner Sicht der titelgebende Song Wasteland und Stick Togehter. Letzteres klingt in der Gitarre recht offensichtlich nach Nirvana, entwickelt aber schnell einen eigenen wirklich guten und animierenden Sound. Wasteland ist sehr abwechslungsreich und steigert sich zum Ende hin immer weiter in Tempo und Härte und hat daurch Potential für den besten Konzert-Track von Wrong Chat (siehe Video weiter oben).

Mein Lieblingsstück ist aber So Many Times. Der rundeste Track mit einem geil straighten Gitarren-Riff in den Strophen, mit klassischen Grunge-Passagen und im Chorus und in den Bridges verlangsamt und die Gitarre ohne Verzerrung also irgendwie ein Retro-Sound trotzdem mit ganz eigenem Charakter – liebe ich.

Ich habe im Laufe des Jahres 2023 mit The Bobby Lees, Margaritas Podridas und eben Wrong Chat drei Bands neu ins Herz geschlossen, die es schaffen Grunge und / oder Garage Punk zwar nicht neu zu erfinden, aber wieder mit neuem Leben zu füllen. Wenn Stilrichtungen über Jahre und Jahrzehnte nur von den Legenden und Haudegen leben, dann wird es irgendwann langweilig und läuft sich allmählich zu Tode. Deshalb freue ich mich sehr über diesen Sound, den Wrong Chat auf ihrem Album Wasteland anbieten und wünschte mir persönlich ein wenig mehr Härte oder Mut zum Unkonventionellen.

Um das ganze abschließend zu bewerten, gehe ich „nur“ auf sechs von zehn Wellenbrecher – mit Potential für viel mehr, aber ich merke schon, dass ich die Songs, die mir nicht gefallen auch tatsächlich weiterskippe und mich die Platte so mit den 10 Tracks zu ziemlich genau 60% zufriedenstellt (plus einen Extrapunkt für die Katze auf dem Cover von Wasteland – habt ihr sie entdeckt?).

Alphatraz – Gebeine (2022)

von Felix

„kommen wir nun zu etwas ganz anderem“

Alphatraz ist das Synonym des Künstlers Christoph Martin. Hier gibt es etwas zu hören, was wir in dieser Form sicher noch nie im Wellenbrecherbereich hatten. Ein reines Piano-Album. Alle zehn Songs sind Eigenkompositionen. Warum beschäftigen wir uns im Wellenbrecherbereich mit einer Platte voller Klavierstücke? Nun ja, eigentlich gibt es da mehrere Gründe: Zum einen, weil wir uns ja eh auf die Fahnen geschrieben haben, auch über unseren musikalischen Tellerrand hinauszugehen, zum anderen, weil von jedem einzelnen Song von Gebeine – so der Titel des Ende 2022 erschienenen Albums – eine verrückt anziehende Faszination ausgeht und außerdem, weil das Komponieren an sich in der Öffentlichkeit oft viel zu wenig thematisiert wird, obwohl es eine große Kunst ist und egal in welchen musikalischen Bereich wir gehen – viele populäre Lieder sind am Klavier entstanden und so bietet auch Alphatraz‘ Platte eine Reise in eine irgendwie ursprüngliche Fantasiewelt.

Die Lieder und das gesamte Konzept dieses Werkes sind sehr finster und bedrohlich, so liegt eine Nähe zu bestimmten Metal-Genres durchaus auf der Hand und der Künstler selbst hat auf seinem YouTube-Kanal auch einige hervorragende Interpretationen bekannter Metal-Songs, die ebenfalls sehr empfehlenswert sind.

Das Düstere in der Musik erfordert natürlich eine grundsätzliche Stimmung bzw. Bereitschaft. Wenn man sich in Partylaune begeben möchte, ist Gebeine sicher nicht die richtige Wahl. Aber die CD, die ich nun nach ihrem Erscheinen im dunklen Winter genauso gehört habe wie heute, also mitten im Juli, hat sehr viel zu bieten.

Eigentlich möchte ich auch bei dieser Rezension weniger auf einzelne Titel eingehen, als sonst im Now Playing, weil ich persönlich es auch tatsächlich eher als ein Gesamtkonstrukt begreife. Dennoch möchte ich zwei Titel hervorheben, die mir besonders gut gefallen.

Da ist zum Einen der Song Vindicta, der für mich sehr viel von einer guten Filmkomposition hat und somit viel Ankurbel-Potential für das eigene Kopfkino bietet. Außerdem ist das Lied etwas heller als die meisten anderen, so dass ich in einigen Passagen denke, hier könnte man sogar Teile der Komposition als Grundlage für einen guten Indie-Pop-Song nutzen. Der Song geht also etwas über den Grundton des Albums hinaus.

Ein anderer Song, der diesen Grundton hat, ist Occultatio, vor allem der Beginn hat es mir angetan. Das Lied ist so reduziert auf einzelne Töne in leichter Atmosphäre, dass es gerade diese Reduktion ist, die unglaublich viel Platz im Kopf schafft und durch dieses so simple Mittel eine Spannung erzeugt wird, die den Hörer (also mich zumindest) total neugierig werden lässt, was in der nächsten Sekunde wohl passieren wird.

Die schönste Melodie erklingt für mich gleich im zweiten Stück Sketches of Pain und ich liebe es, wenn sich diese schöne Melodie in den tiefsten Tönen auflöst und dann fast schon eine Art Kampf zwischen bedrohlich tiefen Passagen und den immer noch finsteren aber aufgelockerten und klareren hohen Tönen folgt.

Bei den beiden letztgenannten habe ich in einigen Passagen aus irgendeinem Grund sofort Assoziationen zu Iron Maiden Kompositionen – musiktheoretisch begründen, warum das so ist, kann ich leider nicht, aber versucht euch bei diesen Titeln mal gelegentlich markante Maiden Instrumentierung vorzustellen.

Eine Bewertung fällt hier tatsächlich schwer. Ihr habt gemerkt, dass ich das Gesamtkonstrukt sehr schätze und dass ich fasziniert von dieser CD bin. Ich muss aber auch zugeben, dass es keine Musik ist, die ich im Alltag einfach mal so in meine Playlist ziehe und die eben auch eine gewisse Grundstimmung voraussetzt. Dennoch möchte ich hier auch keine Grenze setzen, nur weil eine klassische Bewertung nach Mosh-Pit-Tauglichkeit nicht möglich ist und daher gebe ich siebeneinhalb von zehn Wellenbrechern.

Abgerundet wird das Album von einem wirklich herausragenden und voll treffendem Artwork von collapse of art und dem Logo, welches von Jordan Barlow entworfen wurde. Das Album gibt es aktuell über Bandcamp zu hören und zu beziehen, außerdem auch als CD über Schattenpfade.de

https://alphatraz.bandcamp.com/album/gebeine