Architects – For Those That Wish to Exist (2021)

Now playing // 12.03.21 von Felix:

Cover des am 26. Februar 2021 bei Epitaph Records erschienenen Albums

Ende Februar erschien das neue Album der britischen Band Architects. Das Album wurde seit Herbst Winter 2020 bereits durch einige Singles gebührend angekündigt. Wie im Podcast schon häufiger aufgefallen sein dürfte, bin ich persönlich kein Freund von Kategorisierungen, wenn es aber hilft, würde ich die Band im Metalcore verordnen – wer die Band kennt, könnte mir da aber vielleicht widersprechen, und wer sie nicht kennt, sollte sich ohnehin besser selber ein Bild davon machen.

Die Band hat sich mit dieser Platte Anfang März in meiner Mediathek schnell nach vorne gespielt, weil die Tracks einfach in vielerlei Hinsicht überzeugen: Da wären z.B. der Gesang von Sam Carter, die interessanten Songstrukturen und der kontrastreiche Sound. Die erste Batterie aus drei Songs Black Lungs / Giving Blood / Discourse is Dead plus Intro Do You Dream of Armageddon? ist ein äußerst gelungener, überwiegend lauter Einstieg, der dann von einer zweiten Welle eher Poprockiger Songs abgelöst wird, wobei auch hier – insbesondere bei Impermanence immer wieder Tempoverschärfungen und Breakdowns gesetzt wurden, die einen durchgehend bei Laune halten.

guter Opener, gutes Video, gute Botschaft: Black Lungs

Die zweite Hälfte der Platte brauchte bei mir etwas länger, um ihre Wirkung zu entfalten. Ich muss gestehen, dass ich hier beim Hören in der Tat phasenweise gedanklich abgedriftet bin. Das ist insofern als Kritik zu verstehen, dass der nach dem ersten Verlauf erwartete Spannungsbogen nicht so eintritt, sondern in diesem Teil der Platte eher flach verläuft. Dabei sind die Songs im Einzelnen überhaupt nicht schlecht, nur etwas ärmer an Höhepunkten und die haben die Architects in meinen Ohren immer dann, wenn sie musikalisch und gesanglich etwas härter zu Werke gehen und genau diese Parts nehmen in der zweiten Hälfte leider ab. Zum Abschluss kommt mit Dying is Absolutely Safe noch eine echte Ballade auf den Plan, die für sich auch starke Emotion transportiert. Ich denke aber, dass die Wirkung hier noch verstärkt würde, wenn davor eben nicht schon eine Handvoll etwas gemäßigterer Rock-Songs mit überwiegend cleanen Gesangsparts liefen.

Das klingt jetzt alles viel zu negativ, ich möchte deshalb etwas relativieren: Mir persönlich treten die Architects in der zweiten Hälfte zu stark auf die Bremse, aber ich kann gleichzeitig auch keinen Song des Albums benennen, den ich wirklich schwach finde, hier ist in meinen Augen die Dramaturgie nicht ganz gelungen. Wenn man im random / shuffle Modus hört, kommt teilweise eine bessere Reihenfolge zustande.

An anderer Stelle hat sich die Band offensichtlich gedanklich stärker mit der Wirkweise befasst, denn viele Songs werden durch Streicher-Arrangements begleitet. Ganz subjektiv sage ich, die hätte es an vielen Stellen überhaupt nicht benötigt. Ich halte diese Effekte hier gar nicht für störend, aber an vielen Stellen schlichtweg für unnötig.

Abschließend möchte ich in aller Kürze die Lyrics loben, insbesondere bei Black Lungs, Animals und meinem persönlichen Favoriten Discourse is Dead geht es um gesellschaftliche bzw. (gesellschafts-)politische Themen. Ich mag es, wenn Bands in der Lage sind zumindest grundsätzlich Stellung zu beziehen (Mehr zu dem Thema im Allgemeinen könnt ihr auch in unser neuen Podcast-Folge hören!).

Auf kerrang.com gibt es dazu einige interessante Song-by-Song Statements: Nachlesen empfohlen!

Fazit: Ein starkes neues Album der sympathischen Band, bei dem als Wermutstropfen das Gefühl hängen bleibt, dass es mit wenig Aufwand noch besser hätte sein können.

Höre ich gerne und gebe 8 von 10 Wellenbrechern!

Biffy Clyro – A Celebration of Endings (2020)

Now playing // 09.12.20 von Alex:

This is the sound that we make!

veröffentlicht 2020 – Label: 14th Floor Records – Warner Records

In Podcast #5 „Öffentlich brandmarken“ sprachen wir bereits über das neue Album.
Hier meine schriftliche Rezension:

Vorweg: Das neue Album der drei Schotten polarisiert. Es gibt die Fraktion, denen die Songs zu glatt gebügelt sind, zu poppig, zu mainstreamig. Und es gibt die Fraktion, die sich aus der „zu sehr“-Falle lösen kann und das Album nackt bewertet, ohne die Kleider der Vergangenheit zu bemühen. Ja, Biffy Clyro auf Blackened Sky und Biffy Clyro auf ihrem achten Studioalbum A Celebration of Endings klingen wie verschiedene Bands. Ist das schlimm? Nein. Nicht, wenn beides gut ist. Ist das ungewöhnlich? Nein. Käme jemand auf die Idee, den 15-jährigen Simon Alexander Neil (Alter bei Band-Gründung) mit dem heutigen zu vergleichen? Vermutlich auch eher nicht. So wie sich Menschen verändern, verändern sich Bands. Der musikalische Sprung vom kratzigen Only Revolutions zum orchestralen Nachfolger Opposites war ebenfalls riesig und dennoch sind beide Alben unabhängig voneinander Lichtblicke der jüngeren Rockgeschichte.

Bewerten wir also, was hier hören.

Mit North of No South brettern die Jungs im Opener gleich stark los. Die auf C-Stimmung gedroppten Saiteninstrumente untermauern die Ambitionen: Von Simon Neil gibt es die volle Breitseite Distortion und die Johnston-Zwillinge betten ihn gekonnt ein. In Intro und Outro übrigens im kantigen 7/8-Takt. In den Strophen darf’s dann wieder veträumt melodisch sein. Bester Song des Albums. Can you feel it?

Danach folgen Songs, die gemeinschaftlich als große Hymenpoprock-Arie bezeichnet werden können und bei vielen Kritikern vermutlich der Stein des Anstoßes sind. The Champ beispielsweise zeigt gleich zu Beginn mit Piano- und Streicher-Arrangements wohin die Reise geht: Biffy Clyro bleiben auch 2020 Mannen für epische Settings. Und spätestens bei Tiny Indoor Fire works träumt sich der geneigte Hörer auf die menschenüberflutete Rasenfläche eines Fußballstadions – im Jahr 2021?!

Und auch die obligatorische (Dreivierteltakt-)Ballade kann sich in würdiger Tradition von Opposite mehr als sehen lassen: Space ist kein Lückenfüller. Schon in der Albumversion klasse, so spielt das Live-Arrangement seine ganze Vielfalt und Eleganz aus. Sehr zu empfehlen diese Version aus dem Barrowland Ballroom in Glasgow:

Im Hintergrund ich auch Mike Vennart als Ghost Gitarrist zu sehen. Mehr zu ihm unter „Tipp aus’m Pit“ aus #5

Die meisten aktuellen Rockbands können sich hinsichtlich Kreativität und Melodienfindung bei den drei Schotten eine dicke Scheibe abschneiden.

Doch einen Stimmungskiller gibt es auch: Warum die Jungs unbedingt einen Song mit Steve Mac schreiben mussten, der u.a. für Westlife, Boyzone oder Atomic Kitten zur Feder griff, bleibt ihr Geheimnis. Und auch Co-Co-Autor Ammar Malik (u.a. Maroon 5) ist da keine bessere Wahl. Der Hörer jedenfalls bekommt mit Instant History genau das, was zu erwarten gewesen war: Ein neues, skip-it-Erlebnis à la „Re-Arrange“, wenngleich die steeldrum-ähnliche Refrain-Melodie zugegebenermaßen auch was hat. Fairerweise sei an dieser Stelle erwähnt, dass Mac auch am starken Space mitschrieb (s.o.).

Fazit:
Je öfter ich A celebration of Endings höre, desto besser finde ich es, selbst wenn nur 2½ sogenannte „Rocksongs“ auf der Platte sind (der zweite ist End of und der halbe Song ist Cop Syrup, der radikal an frühere Alben erinnert). Dennoch sind auch die radiotauglichen Nummern abwechslungsreich und mit Liebe zum Detail geschrieben. Sie machen Spaß. Denn: Kreativer Poprock ist immer noch um Längen besser als austauschbarer Hardrock. Viele Kleinigkeiten speziell im Gitarrenspiel sowie allgemein im Songwriting (nennt mir jemand Mainstream-Radiorock im 7/8-Takt – neben Norh of No South übrigens auch bei Weird Leisure zu hören) machen die Tracks besonders. Trotz stadiontauglicher Mitsing-Hymen enmasse wurden die orchestralen Parts wieder reduziert. Biffy Clyro bleiben speziell und unverwechselbar. Gut so. This is the sound that you make. Hut ab, Jungs!

Schließen möchte ich mit einem Zitat aus dem Opener, gerichtet an alle irrationalen, eindimensionalen Kritiker. Simon says: I gave it all, you could take it or leave it

Mic Drop!

Alex‘ Bewertung:
7/10 Wellenbrechern