Genuary Tipp 16/31 2022

Beth Hart aus Los Angeles, USA

Was braucht es, damit mir ein Musiker, eine Musikerin oder eine Band, erst einmal unabhängig vom Genre und vom eigenen Geschmack, gefällt? Heruntergebrochen auf die wichtigen Eigenschaften sind es Können, Authentizität und Leidenschaft. Beth Hart vereint all das in spielerischer Leichtigkeit. Was will man auch erwarten von einer Frau, die in dem Musical Love, Janis die Hauptrolle – also die legendäre Janis Joplin – verkörperte?

Seit Anfang der 90er aktiv, beweist sie auf ihrem aktuellen Album War in my mind (2019) einmal mehr ihr Talent als Geschichten erzählende Komponistin für starke Melodien und Emotionen. Dazu ihr Timbre mit dem unwiderstehlichen Vibrato:

Anastacia-Vibes?

Doch auch neben der Single War in my mind ist das Album eine unterhaltsame und vor allem kurzweilige Reise durch die melancholisch bluesigen Musikgefilde. Gleich der Opener Bad Woman Blues und später Sister Dear seien besonders hervorgehoben.

Wem das neue Album allerdings zu ruhig ist, muss Beth Hart nicht gleich den Rücken kehren. Ältere Werke könnten gefallen. Vielleicht das deutlich rockigere Album Immortal (1996). Besonders im Song Am I the one könnte man an eine Janis Reinkarnation denken. Ein bisschen scheint dieses Album auch für Anouks Debüt Together Alone (1997) Modell gestanden zu haben (Stichwort Nobody’s Wife). Hier der Titeltrack live perfomt – ich komme zurück auf die eingangs erwähnten Eigenschaften Authentizität und Leidenschaft (oder mit den Worten von Wayne Cowley: The difference between a musician and someone that can play music, is passion and emotion):

Ausflippen kann Beth auch, Rock n fucking Roll!

Instagram: Beth Hart

Genuary Tipp 15/31 2022

Marie Ulven Ringheim aka Girl In Red

In einer früheren Ausgabe unserer Tipps aus dem Pitt (hier nachzuhören) stellte ich einmal den Musik-Podcast Song Exploder vor. Über diesen Podcast bin ich auch auf das Projekt Girl In Red gestoßen. In der Folge 208 des Podcasts berichtet Marie Ulven Ringheim eindrücklich von dem Entstehungsprozess ihres Songs Serotonin. Damit war meine Neugier geweckt und ich hatte eine Künstlerin entdeckt, die mir bis dahin leider verborgen blieb, obwohl sie längst kein unbeschriebenes Blatt mehr in der Indie-Pop-Szene ist, was sich auch an den repräsentativen Zahlen (Platzierungen, Nominierungen, Klickzahlen) ablesen lässt. Für mich persönlich ist die Norwegerin aber eine Entdeckung aus 2021 und vielleicht ist sie ja auch für die eine oder den anderen von euch noch neu – wenn ja, dann hört euch unbedingt durch ihr Werk.

Der besagte Song stammt von ihrem Album If I Could Make It Go Quiet (2021 bei AWAL erschienen) und ist durchaus repräsentativ, wenngleich es etwas poppiger startet. Das Lied entwickelt im weiteren Verlauf aber eine typische Dynamik und das schätze ich überaus an der ganzen Platte, denn das ganze Album hat zwar einen eher ruhigen Grundton, aber der Text und entsprechend der Gesang ist bei Girl In Red nicht bloß belangloses Beiwerk, sondern ein Wegweiser durch den letztlich ernsten und vor allem bis ins Letzte Detail durchdachten Sound. Ich glaube genau das hat mich am meisten fasziniert, dass die Künstlerin hier tiefgehende Klangwelten schafft, die einen gerade beim Hören mit Kopfhörern wirklich beschäftigen. Es sind zwar grundsätzlich total gängige Indie-Pop Song-Konstrukte, allerdings mit vielen Samples, Klängen, Instrumenten im Wechselspiel zur Gesangsstimme (mal mit mal ohne Effekte), die offenbaren, dass hier eine absolute Perfektionisten am Werk ist. Ein bisschen ist das Album wie ein musikalisches Wimmelbild, und ähnliche wie auf Wimmelbildern gibt es auch auf den Girl In Red Platten immer wieder neue Dinge zu entdecken. Und wenn dann noch ein offizielles Video dazu abgedreht wurde, hat man einen kleinen oft emotionalen, wunderbar getimten Kurzfilm, wie das Video zu dem Song Rue eindrucksvoll zeigt. I hate the way my brain is wired, can’t trust my mind it’s such a liar…

https://www.instagram.com/girlinred/

https://www.instagram.com/songexploder/

Genuary Tipp 14/31 2022

Jen Majura, *Stuttgart

Als Gitarristin ist mir Jen Majura damals als Teil der Black Thunder Ladies – einer AC/DC Coverband – über den Weg gelaufen. Seither war die 38-Jährige sehr umtriebig: Zwei Soloalben (2015 und 2017), auf denen sie auch als Sängerin in Erscheinung tritt (hier als Drama Queen – ein Song vom kompromisslosen zweiten Album InZENity)…

seit 2015 fester Bestandteil von Evanescence (hier ein Song vom aktuellen Album The bitter truth, auf dem sie gemeinsam mit Amy Lee singt), musiziert mit Bands wie Knorkator oder Equilibrium und aktuell Mitglied des von ihr und Alen Brentini (Gitarrist, Songwriter und Produzent aus Kroatien) gegründeten Duos Something on 11. Das gleichnamige Debütalbum erschien Ende 2020 und klingt etwa so:

Bei Jen Majura gibt es musikalisch voll auf die Zwölf – oder eben elf. Man hört ihrem Songwriting stets an, dass sie in Kindertagen auch viele andere Instrumente ausprobiert hat. Rund, stimmig, keine weiteren Fragen offen lassend.

Um auch anderen Menschen, vor allem natürlich Kindern, die Magie der Musik näher zu bringen, betreibt Tausendsassa Majura eine Musikschule im sauerländischen Brilon. Hut ab vor so viel Kreativität und Tatendrang.

Mehr über Jen Majura: Website und Instagram

Genuary Tipp 13/31 2022

Emily Lazar von September Mourning

In der Planung des Gender Januarys 2022 erstellten wir eine Liste mit potentiellen Künstlerinnen, auf der wir dann auch in aller Kürze ein Genre notieren, um eine gewisse Vielfalt der Stile zu beachten. Bei Emily Lazar, der Sängerin von September Mourning habe ich „Comic-Metal“ notiert. Klingt komisch und ist auch kein wirklich existierendes Musik-Genre, ergab sich aber daraus, dass sie mit ihrer Band mehr als „nur“ einfach Metal spielt, sondern tatsächlich ein ganzes Projekt ins Leben gerufen hat. Dieses Projekt beinhaltet neben der Musik eine ganze Comicreihe, weshalb auch die Auftritte und Videos eher eine Art Cosplaying sind. Die Comics erscheinen bei keinem geringeren Verlag als Image Comics in Zusammenarbeit mit Marc Silvestri.

So ist irgendwie bei Konzerten und öffentlichen Auftritten alles durchgeplant und durchgestylt und ich gebe zu, dass das manchmal etwas gewöhnungsbedürftig erscheint. Ich bin über die Comics auf diese Band gestoßen und fand das Gesamtkonstrukt auch durchaus überzeugend, was insbesondere daran lag, dass Emily Lazar dieser Hauptfigur eine krasse Persönlichkeit verleiht. Um in aller Kürze darzustellen, worum es geht: in der offiziellen Beschreibung der Story heißt es Her name is September Mourning. Half human, half Reaper, she takes the souls of the wicked so the innocent can live again. Und so tragen auch die Videos zum Erzählen der Grim-Reaper-Geschichte bei.

Zur Band muss man erwähnen, dass außer der Frontfrau bisher alle Besetzungen (teils mehrfach) durchgetauscht wurden. Die aktuelle Besetzung hat mich bisher musikalisch am meisten überzeugt und durch ihre letzten Releases haben sie sich auch wieder in der Genuary-Liste nach vorne gespielt, nachdem ich sie im letzten Jahr nicht mehr unter bekommen habe und dann ein wenig aus den Augen verloren habe. Aber durch die neuen Stücke Wake The Dead und Kill This Love ist wieder etwas mehr Druck in der Musik, zu der Emily Lazar mit ihrem sehr klarem aber kraftvollem Gesang einen guten Kontrast bildet.

Für die USA stehen auch jedes Jahr viele große Festivals auf dem Tourplan. Vielleicht ja auch demnächst mal wieder in Deutschland oder zumindest in Europa, sofern dies wieder möglich ist. Vom Bühnenbild und besonders vom Reaper Auftritt der Sängerin ist durchaus viel zu erwarten.

https://www.instagram.com/SeptemberMourning/

Genuary Tipp 12/31 2022

Gina Gleason aus Philadelphia, USA

Die Stoner-Progrock-Combo Baroness um Sänger und Gitarrist John Baizley ist vermutlich vielen Musikfreund*innen ein Begriff, feiert sie im nächsten Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Ich mag ihre staubtrockene Rockbarkeit. Und seit Gina Gleason als neue Leadgitarristin mit an Bord ist, stieg die Band nochmals in meinem Ansehen. Mit Gleasons Spiel und ihrer unterstützenden Stimme werden die Kompositionen um eine weitere, wichtige Nuance bereichert – so wie in Tourniquet vom letzten Album Gold & Grey (2019):

Heute soll es im Rahmen des Genuarys aber mehr um Gina Gleason, als um Baroness gehen. Und ihr Werdegang hat es durchaus in sich: Von 2012 bis 2017 verkörperte sie die Gitarre-spielende Muse im Cirque du Soleil Programm Michael Jackson: One im Mandalay Bay in Las Vegas:

siehe ab 1:00 Minute

Vor ihrer Anstellung im Cirque du Soleil war sie Teil gleich zweier Tribute Bands: Einer All-Female Metallica Coverband und einem King Diamond Tribute. Außerdem musizierte und tourte sie mit den Smashing Pumpkins oder Santana. Um so bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die heute 30-jährige, erst im Alter von 14 mit dem Gitarre spielen begann.

In einem Interview machte Gina vor einiger Zeit Hoffnung, was Frauen in der Musik betrifft: Früher hätten die meisten Menschen auf Tour gedacht, sie sei die Freundin eines Musikers. Heute scheint es aber weitgehend angekommen und „anerkannt“ zu sein, dass auch Frauen Teil einer Band sein können, selbst in den männlich dominierten Genres.

Abschließend könnt ihr Baroness‘ Nummer Borderlines in einem etwas unkonventionellen Live-Video bewundern. Gina Gleason, die drei Songs auf dem aktuellen Album mitgeschrieben hat, harmoniert hier einmal mehr perfekt mit John Baizleys Spiel:

Instagram: Gina Gleason