Shoreline – Growth (2022)

Von Felix

Mit Growth brachten Shoreline ihr zweites Studioalbum auf den Markt. Dieses Album erschien vor vierzehn Tagen (04.02.2022) bei End Hits Records. Der Vorgänger Eat My Soul erschien 2019 noch bei Uncle M. Beide wurden im Kaputtmacher Studio Bochum von Jochen Stummbillig produziert. Das neue Album umfasst 12 Tracks zwischen Emo und Punk.

So viel zu den Rahmendaten, kommen wir jetzt zu den Details:

Da ich mich durchaus als Fan des Uncle M-Labels bezeichnen kann und dort immer mal nach Musik stöbere, sind mir Shoreline nicht unbekannt, allerdings hat sich die Band aus Münster bei mir auch nie wirklich nach vorne spielen können. Für mich war dieses zweite Album der Anlass, sie nochmal etwas ins Rampenlicht zu holen und ich kann vorab sagen, dass sich das durchaus gelohnt hat.

Gleich zu Beginn gibt es mit I Grew up on Easy Street eine Visitenkarte, auf der keine Augenwischerei betrieben wird: nach einem ruhigen Emo-Einstieg, steigert sich der Song in Musik und Gesang bis zum rockig geshouteten Chorus. Dieses Prinzip wiederholt sich und der Song endet konsequent in einem Up-Tempo Part garniert mit „schöner“ Gitarre. Man bekommt hier also einen gelungenen Einstieg serviert, der perfekt auf alles Weitere vorbereitet, denn die folgenden Songs sind durchaus variantenreich, bleiben aber im Grundton gleich.

Lied 2 Distant ist eines von 4 Features auf dem Album. Smile And Burn haben sich hier mit angeschlossen und stark mit eingebracht. Der Song ist eine richtig gute Melodic Punk Nummer. In meinen Augen sind das eh die stärksten Songs auf dem Album, was ich aber vielleicht auch so einschätze, weil ich ein nicht so großer Emo-Fan bin. Ich finde die melodiös rockigeren Songs wirklich sehr gelungen, weil sie modern klingen, aber gleichzeitig etwas Retro-Charme der Jahrtausendwende versprühen. Das ist auch bei Lied 3 Madre der Fall, für mich persönlich ein Highlight auf der Platte.

Meat Free Youth ist hingegen für mich etwas schwieriger, da mir da die recht reduzierten Strophen mit „Shoop Shoop Song“ Background gar nicht gefallen. Text und Approach sind dabei allerdings eine Empfehlung zum genauen Hinhören. Die Lyrics des Albums gefallen mir ohnehin sehr gut, denn ähnlich wie unser Alex bin auch ich ein Freund davon, wenn sich Bands mit relevanten Themen befassen, da muss ich die transportierte Meinung oder Haltung auch nicht immer zu einhundert Prozent teilen. Nebenbei kurz der Hinweis auf Alex Interview mit Lizal von „Die Dorks“, in dem sich die beiden unter anderem auch genau darüber austauschen (Hier zu hören).

Das folgende Western Dream erinnert am Beginn an Kettcar, wird im Verlauf aber wieder schneller und auch im Gesang rauer, fällt insgesamt aber etwas ab. Ähnlich geht es mir auch bei Lied 6 Konichiwa. Auch Lied 8 White Boys Club, Lied 9 Disconnected und Lied 10 Holy Communion haben alle insgesamt wirklich gute melodic Parts, und schöne Varianten in der Gesangsstimme von sehr klar bis ruppig, können mich aber nicht vollständig überzeugen, warum begründe ich im Fazit noch genauer.

Nebenbei: Bei diesen Liedern musste ich daran denken, dass ich mal mit jemandem sprach, der den hörbar deutschen Akzent nervig findet. Bei diesen Liedern ist mir das in einigen Passagen auch aufgefallen, mich stört das allerdings kaum bzw. spielt das in meiner abschließenden Bewertung keine Rolle.

Lied 7 Sanctuary holt mich wieder zurück, Hier wurde die Songstruktur auch etwas abgeändert. Ein strammer Beginn, dann eine ruhige Bridge und dann wieder volle Energie. Und auch die Bass-Bridge mit anschließend kurzem Breakdown finde ich sehr gelungen und auch Track 11 Raccoon City kann mich mit bereits benannten Stilmitteln wieder mehr packen und bildet dann einen guten Kontrast zur abschließenden Titel gebenden Ballade Growth. Da war ich erst etwas enttäuscht. Der Gesang klingt phasenweise schon etwas nach Kirchensonntag mit Paul Simon, letztlich blieb es aber doch gut hängen, gerade weil es deutlich ruhiger zugeht als auf dem Rest der Platte und sich der Indie-Song als Abschluss damit gut abhebt.

Als Fazit bleibt mir zu sagen, dass mir das zweite Studioalbum Growth von Shoreline wirklich gut gefällt, ich aber auch noch Luft nach oben sehe. Anhand der Klickzahlen konnte ich feststellen, dass ich die Songs mit weniger Aufrufen mehr schätze als die häufiger abgerufenen Songs. Wie gesagt, ich bin nicht so ein großer Emo-Fan und möchte meine persönlichen Vorlieben hier zwar betonen, indem ich meine Lieblingssongs Madre, Sanctuary und Western Dream nochmal hervorhebe, aber weniger in die Gesamtbewertung mit einbeziehen, als einen Aspekt, der mir insbesondere im zweiten Drittel des Albums auffiel. Einige Lieder sind von der Komposition und Konzeption in meinen Augen unter Wert aufgenommen, da ihnen an entscheidenden Stellen einfach der Druck fehlt. In meinen Augen liegt das eher an der Abmischung, die Teile der Drums und Bässe phasenweise so zurückschraubt, dass diese den in der Songstruktur anvisierten Effekt letztlich schuldig bleiben. Das trübt bei mir das Hören des Albums, da ich dann nach der Hälfte gedanklich aussteige und die Musik und die Texte mehr oder weniger an mir vorbeiziehen.

Da würde ich mir für kommende Aufnahmen wünschen, dass das im Sinne der Musik(er) verbessert wird.

Ich muss dennoch sagen, dass sich Shoreline mit Growth bei mir weiter nach vorne gespielt haben und auch einige Songs auf meine „Februar Playlist“ gewandert sind. So bleibt unterm Strich eine gute Bewertung mit siebeneinhalb von zehn Wellenbrechern.

Besucht und folgt Shoreline auf Instagram. Für dieses Jahr sind einige Konzerte bereits terminiert, hoffen wir, dass alles stattfinden kann!

Genuary Tipp 31/31 2022

Anaïs Oluwatoyin Estelle Marinho aka Arlo Parks

Mit Collapsed in Sunbeams erschien Anfang 2021 ein Album für das die junge Engländerin Arlo Parks völlig zurecht viel Aufmerksamkeit bekam. Diese weit überwiegend positive Rückmeldung brachte ihr konkret eine ganze Reihe Preise und Auszeichnungen in 2021 ein. Um nur einige zu erwähnen: Best Independent Album 2021, UK Independent Breakthrough bei den Independent Music Awards, oder Best New Artist bei den Brit Awards und zuletzt den Mercury Price für das Best New Album. Das sind nur einige Beispiele, es gibt weitere Preise und dazu eine noch längere Liste an weiteren Nominierungen. Da kann man sich nur verneigen. Besonders schön ist das, weil Arlo Parks so eine herrlich authentisch sympathische Art hat, sich ehrlich über diese Auszeichnungen zu freuen und diese auch als Anerkennung für ihr musikalisches Schaffen einordnet.

Was den Reiz ihrer Songs ausmacht, ist dass sie zum einen in der Sprache sehr klar, aber durchaus poetisch rüberkommen und zum anderen, dass sie musikalisch eine Leichtigkeit vermitteln, die in den überwiegenden Fällen im Kontrast zum Inhalt der Texte steht. Das ist unglaublich clever komponiert und arrangiert. Einer meiner absoluten Favoriten des Debut-Albums ist zum Beispiel der Song Violet. Er vereint eigentlich alles, was ich an dieser Platte wirklich liebe – sie ist sehr vielseitig hörbar: Wenn ich Zeit habe, kann ich tiefer eintauchen und die Texte richtig wirken lassen und wenn ich nebenbei einfach nur schöne laid-back Musik hören möchte, dann ist dieses Album ebenso gut geeignet.

„It feels like nothing’s changing and I can’t do this.“

Wir schließen heute den Genuary 2022. Alle vorgestellten Künstlerinnen sind Empfehlungen, weil wir ihre musikalischen Werke, ihre Persönlichkeiten und ihr Auftreten schätzen und es sind immer einige Bands und Musikerinnen dabei, die sich auf unseren Playlists festgesetzt haben. Ich wollte diesen Monat daher mit Arlo Parks mit einer Interpretin beenden, die ich allen besonders ans Herz lege. Wenn ihr also eine ähnliche Leidenschaft für hervorragende Texte habt wie ich und Arlo Parks bisher nie so richtig wahrgenommen habt, dann holt das nach. Als jemand der auch 2022 noch gerne beim Hören guter Musik mit einem Textblatt in der Hand die Musik mitliest, ist das mein eindringlicher Appell an euch, der vielleicht etwas romantisch klingt, aber durchaus ernst gemeint ist: Lest mehr Lyrics! Es hilft, die Musik zu fühlen.

Leider gibt es zu dem schönen Beispiel, welches ich dazu anbringen möchte kein gutes Video, nur dieses beschissene Aquarium. Aber gut, vergesst diese Fische, hört einfach das Lied Moon Song, welches mich persönlich ein wenig an Mazzy Stars Fade Into You erinnert, aber tatsächlich ein Cover eines an für sich schon sehr guten Songs Phoebe Bridgers ist. In jedem Fall ein würdiger Abschluss unseres Genuarys. Ihr lieben Leute, bleibt aufmerksam und offen beim Musikhören, urteilt nicht so schnell und schon gar nicht aufgrund irgendwelcher unrelevanter Merkmale, die niemals einen direkten sondern höchstens einen konstruierten oder ideologischen Einfluss auf den künstlerischen Output einer Person haben. Hört doch einfach die Musik, die euch gefällt.

https://www.youtube.com/watch?v=UXFVBg2Gals

https://www.instagram.com/arlo.parks/

Genuary Tipp 30/31 2022

Marisa Missy Dabice und Kaleen Reading von Mannequin Pussy

Volle Ladung Live-Musik gefällig? Mitten in unsere Luxus-Problem-Wunde der großen Konzert-Vermissung? Mannequin Pussy spielten im vergangenen Oktober eine Show in ihrer Heimatstadt Philadelphia, die auf Video aufgenommen wurde und akustisch sehr stark abgemischt auf YouTube zu finden ist.

Sängerinnen und Sänger stehen natürlich schnell im Mittelpunkt einer Band und – klar, auch bei Konzerten voll im Fokus. Mannequin Pussy vereint neben der energiegeladenen Frontfrau Marisa aber mit der großartigen Schlagzeugerin Kaleen und dem Bassisten Colins Regisford (der beim letzten Song im unten verlinkten Video auch als Sänger richtig einen raushaut) gleich drei Sympathieträger, die für mich eine Positivität und Power mit auf die Bühne bringen, so dass man sie schnell ins Herz schließt, obwohl viele Lieder eigentlich wütende Texte und Inhalte transportieren. Nebenbei, der Auftritt erfolgte kurz nachdem ihr Van in Ohio mit dem gesamten Equipment gestohlen wurde, so dass auch dieses Konzert nur mit geliehenen Instrumenten gespielt wurde.

Mannequin Pussy haben bereits drei Studioalben veröffentlicht. Irgendwo zwischen Indie, Punk und Grunge haben sie sich im Jahr 2021 – mittlerweile bei Epitaph Records – in mein Herz gespielt. Leider finde ich, das die Studioversionen nicht immer die gleiche Energie mitbringen, wie das was Mannequin Pussy bei ihren Liveshows raushauen. Und trotzdem bleibt diese Band für mich eine absolute Empfehlung. Ich lege allen Festivalmenschen hier eine Band ans Herz, die mit Herz, Hirn und Humor richtig geile Bretter aufs Parkett haut. Und weil das so ist, gibt es heute nur ein Live-Video, das ist dafür aber einfach verdammt gut.

https://www.instagram.com/mannequinpussy/

Genuary Tipp 27/31 2022

Julie Edwards und Lindsey Troy aka Deap Vally

Vor zehn Jahren erschien die erste Single End of the World der Band Deap Vally. Julie Edwards singt und spielt Gitarre, Lindsey Troy trommelt. Die Single und das dazugehörige Video dürften auch ihr meistgeklickter Song sein und markiert den Start für eine sehr fleißige amerikanische Alternative Band, die viele Konzerte und Festivals spielten und zum Teil auch als Tour-Support bereits „größerer“ Bands. Nach der Veröffentlichung des ersten Albums Sistrionix 2013 waren sie zum Beispiel auch mit Muse in Deutschland unterwegs.

Mir persönlich gefällt dieses Album bisher auch am besten, wenngleich bisher mit Femejism und Marriage noch zwei weitere Alben und weitere Eps erschienen. Man kann bei dem Debut die Spielfreude der Tracks am besten greifen, vieles geht sehr direkt und ungefiltert durch die Boxen. Das gilt auch oder gerade für die Stücke, die auch mit ernsteren Lyrics daherkommen, wie etwa Creeplife. die weiteren Platten klingen da für meine Ohren etwas durchgeplanter oder durchgestylter. Was allerdings nicht bedeutet, dass sich da keine guten Songs drauf finden, dass trifft keineswegs zu. Gerade der Track Perfuction und das dazugehörige wirklich witzige Video sind ziemlich geradeaus. Und auch einige Features wie Jennie Vee auf I Like Crime sind eine wirklich gelungene Kollaboration. Für eine aktive Liveband wie Deap Vally hoffen wir auf positive Entwicklungen für die Club-Welt und die Möglichkeit bald einige Corona-Maßnahmen lockern zu können, damit wir dann vielleicht auch bald mal wieder in Deutschland Konzerte mit Julie Edwards und Lindsey Troy sehen können.

https://www.instagram.com/deapvally/

Genuary Tipp 25/31 2022

Hannah Reid von London Grammar

Was soll ich euch noch erzählen, was ihr nicht selbst wisst?!

Ich gehe davon aus, dass fast jeder, der das hier liest schon mal ein Song der englischen Indie-Pop Band London Grammar gehört hat, bzw. ein Video der Band gesehen hat. Nicht nur weil offizielle Videos, wie das zu ihrem Song Strong von 2013 bereits über 50 Millionen mal angesehen wurden, sondern auch weil von Ihnen unzählige wirklich großartige Live- und Live-Studio-Mitschnitte existieren. In dieses Live-Versionen kommt die überragende Stimme Hannah Reids meist noch besser zur Geltung als in den Studioversionen. Aber egal ob Studio oder Live-Aufnahme letztlich bleibt festzustellen, dass ihre Kollegen Dominic Major und Dan Rothman mit ihrer Frontfrau zusammen fast immer einen geradezu perfekten musikalischen Rahmen schaffen, in dem sich der beeindruckende Stimmumfang Reids hervorragend entfalten kann.

Die Musik ist dabei häufig angenehm zurückhaltend, dennoch präsent. Letztlich eben einfach verdammt gutes Teamwork beim Schreiben der Songs. Das setzte sich auch auf dem neuen Album Californian Soil (2021) fort. Ein Beispiel dafür ist für mich der letzte Song der Platte – America. Grillen zirpen zum Intro, die Gitarre klingt durch die Effekte ganz weit weg und der Gesang und damit auch der wirklich gute Text stehen mitten im Raum.

Bei London Grammar wird man live sicher keine bleibenden Erinnerungen an den Moshpit mit nach Hause nehmen, aber diese Live-Erinnerungen wenn plötzlich während der Songs alle still und gebannt auf die Bühne starren und vergessen, an ihrem Bier zu nippen, sind nicht weniger bleibend und beeindruckend. Aber wie gesagt, vermutlich habt ihr es eh alle schon mal gesehen. Aber guckt es euch doch einfach nochmal an…

P.S.: Bei diesem Video geht bei etwa 33 Minuten der Song Nightcall los (Gänsehaut). Sollte zufällig jemand davon die Vinyl-Single besitzen und möchte diese loswerden, meldet euch…!

https://www.instagram.com/londongrammar/