Genuary Tipp 26/31: Set Yøur Sails (Jules Mitch)

von Alex

Die vierköpfige Band aus Köln wurde mir irgendwie zufällig in die Playlist gespült. Und wie es mit Playlists manchmal so ist, ließ ich diese einfach runterlaufen, ohne jeden einzelnen Song zu kennen. Aber bei meinem heutigen Tipp musste ich dann doch genauer hinhören und -schauen. Kenn ich die? Nein, ich kannte sie tatsächlich noch nicht und hätte auch beim besten Willen nicht vermutet, dass Set Yøur Sails aus Deutschland sind. Die Musik lässt Amerika vermuten – Iowa oder so.

Seit ihrem Debütalbum Enough (2018) gibt es bei den Vieren ordentlich auf die Fresse. Musikalisch, textlich und stimmlich (Sängerin Jules Mitch singt nicht nur, sondern schreit sich bei passender Gelegenheit auch die Seele aus dem Leib).

Aber wie so oft im Hardrock und Metal Bereich sind äußere Schale und innerer Kern inkohärent. In den Texten geht es um Sexismus, Queer-Feindlichkeit und Rassismus. Entsprechend klar positioniert sich die Band auf und neben der Bühne.

Und während Enough eher ein „Haufen unbearbeiteter Demos“ war – „wirklich nichts, worauf wir stolz sind“, wie Jules in einem Interview mit metal.de selbstkritisch zugibt (mehr hier), ist der Zweitling Nightfall aus 2022 eine klare Herzensangelegenheit. Jules, die die Texte schreibt, nahm sich viel Zeit dafür. Schon 2020 – im Jahr des Lockdowns – entstand Material. Es ist die Zeit, in der sich die Sängerin ein ganzes Jahr lang aus dem social media Zirkus rausnahm – eine bemerkenswert starke Entscheidung für die Frontfrau einer aufstrebenden Band. Nicht nur, dass sie die Zeit für intensives Songwriting nutzen konnte. Auch psychisch war dieser Schritt, wie sie im Gespräch mit dark divas offen verriet, notwendig und wichtig (lese hier).

Der musikalische Feinschliff und die Aufnahmen zu Nightfall erfolgten schließlich bei Sawdust Recordings in Halle an der Saale. Herausgekommen ist ein sehr gelungenes Machwerk, welches den Facettenreichtum der Band gut widerspiegelt: Mitsingbare Hooks (wie auch in dem Cover Shallow unten), brettharte Shouts (höre FCKOFF weiter oben) und metalcorig drückende Tiefe formen ein rundes Hörvergnügen. Das sah offenbar auch das nicht gerade unbekannte Napalm Label so, welches Set Yøur Sails kurzerhand unter Vertrag nahm.

Ich bin überzeugt, dass wir künftig noch einiges von der jungen Band zu erwarten haben. Wünschen wir ihnen also immer eine Handbreit Sherry in der Bilge. Und nun, setzt die Segel, liebe Musikmenschen da draußen, denn in diesem Frühjahr werden die vier Cypecore auf Tour supporten (Tourdaten/Tickets hier).

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Genuary Tipp 25/31: Dead Posey (Danyell Souza)

von Alex

Drei EPs, diverse Singles und Heavy Rotation in Computerspielen, Serien, Werbeclips. Ja, beinahe überall könntet ihr über dieses Duo bereits gestolpert sein. Und obwohl Sängerin Danyell Souza und Multiinstrumentalist Tony Fagenson, welcher auch Souzas Ehemann ist, ihr Projekt bereits 2017 ins Leben gerufen haben, gibt es bisher keine komplette LP des Duos aus Los Angeles. Das ist ja auch total old school, wie wir schon oft in unserem Podcast festgestellt haben.

Geht man die von der Band genannten musikalischen Einflüsse mal durch – Nirvana, Nine Inch Nails, Rob Zombie, Marilyn Manson… – klingt das nach jeder Menge Spaß auf der dunklen Seite der Nacht [sic]. Und wenn sich Marilyn Manson entschieden hätte gemeinsam mit Taylor Momsen von The Pretty Reckless einen New Order Song zu covern (wenn man an seine Eurythmics und Depeche Mode Cover denkt, keine allzu steile These und Orgy hat es schließlich auch getan), hätte das vermutlich genau so geklungen:

Und wer ist nun Danyell Souza? Die Beschreibung Tausendsassa trifft es ganz gut. Vor dem Projekt Dead Posey machte sie sich als Schauspielerin einen Namen. Nach einer kleinen Rolle in Clint Eastwoods Jersey Boys, folgten Serien wie Lucifer oder Wynona Earp und diverse Modeljobs. Inzwischen hat die Kalifornierin mit Midnight Vamp eine eigene Modelinie am Start.

Aber zurück zur Musik, um die es ja im Wellenbrecherbereich hauptsächlich geht. Dort versteckt sich Dead Posey nämlich nicht ausschließlich hinter Neuauflagen. Sie funktionieren – wie eingans erwähnt – auch ganz fantastisch mit Eigenkompositionen und erweitern dabei das Female-fronted Sortiment im musikalischen Dunstkreis der großen Schwestern – den bereits genannten The Pretty Reckless oder auch Halestorm:

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Genuary Tipp 21/31: Bokka (Karolina Kozak)

von Alex

Heute Nachschub aus der wunderbaren Rubrik Kuriositäten aus der Genrekiste: Die polnische Band Bokka. 2013 gegründet von drei anonymisierten Musiker*innen, die stets futuristisch anmutende Masken tragen – Slipknot lässt grüßen. Die Identität der Sängerin wurde zu einem späteren Zeitpunkt als Karolina Kozak bekannt gegeben, womit sich auch der Bandname entschlüsselt. Dieser setzt sich vermutlich (?) aus ihrem Namen und dem ihres Ehemannes Bogdan Kondracki, auch Teil der inzwischen vierköpfigen Band, zusammen. Musikalisch hat Bokka nicht das geringste mit Slipknot zu tun. Sie hocken selbstbewusst in der Nische hinter der Nische – im melancholisch-elektronischen Dreampop. Sehr speziell und ich weiß selbst noch nicht so genau, was ich nun davon halte. Horizonterweiternd ist ihre Musik allemal. Und nur kopieren, was es schon ewig gibt, ist auf Dauer auch ermüdend. Für Schaffende wie für Hörende. Deshalb unbedingt ein eigenes Bild machen:

Nach dem self-titled Debüt im Gründungsjahr folgten drei weitere Alben, im Abstand von erst zwei, dann drei und jetzt vier Jahren. Vor allem die letzten beiden Longplayer Life on Planet B (2018) und Blood Moon (2022) erinnern mich sowohl vom Albumtitel her, als auch bei Musik und Bandoptik intensiv an Ray Bradburys Buchklassiker die Mars Chroniken (1950) – und an die visionären Denkanstöße des Autoren. Grüße an die Moralbehörde!

Und meine bold prediction zum Schluss: 2027 dann das fünfte Album von Bokka.

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Genuary Tipp 19/31: Gizelle Smith

von Alex

Heute im Genuary eine Künstlerin, die hervorragend auch in unser Dreckiges Dutzend Mental Health gepasst hätte (höre hier). Smith stammt ursprünglich aus dem musikverrückten Manchester und ist eine Musikerin, die ich mir ganz bewusst in ganz bestimmten Gemütszuständen auf die Ohren gebe. Leise, aber durchdringend, resilienzfördernd und selbsttherapierend. Musik von Gizelle Smith macht groß und stark.

Und was gibt’s bei der Engländerin zu hören? Zweierlei: Herkömmlicher Funk and Soul aus vergangenen Tagen, meisterlich arrangiert und tiefseriös vorgetragen. Aber auch frische Sahnetoppings aus dem 21. Jahrhundert, die an Künstler wie Jamiroquai, Portugal The Man oder eine Prise Balthazar erinnern lassen. Und während ihr Debütalbum aus 2009 – eingespielt mit den glorreichen Mighty Mocambos aus Hamburg – noch bluesig schwer im Magen lag (und dabei trotzdem sehr gut war), ist ihr drittes Album Revealing aus 2021 die pure Lebensfreude.

An dieser Stelle sei deshalb auch lobend das Recordlabel Jalapeno erwähnt, das gewiss seinen Teil zum Wohlfühlfaktor des Albums beigetragen hat. Weitere spannende Künstler vom UK-Funk-Label findet ihr hier.

Smiths Mutter kommt von den Seychellen und ihr Vater Joe ist afro-amerikanischer Herkunft – Soul-Experten vielleicht noch bekannt als Teil der Motown Truppe von den Four Tops aus Detroit. Wie bei so vielen Musiker*innen, die uns heute mit ihrem Schaffen erfreuen, war das Talent also gewissermaßen in die Wiege gelegt.

Genuary Tipp 17/31: Amyl And The Sniffers (Amy Taylor)

von Alex

Momentan hält mein Longboard zwar Winterschlaf, aber sobald der Frühling in den Startlöchern steht, geht’s wieder raus – mit vier Rollen unter den Füßen und Amyl And The Sniffers in den Ohren. Die Australier liefern uns Skate Punk wie er rotziger und authentischer kaum sein kann (wie es Felix bei Generción Suicida erging). Und tanzbar ist er auch… irgendwie; mir gefällt‘s:

Dabei sind die hauptsächlich zwei/drei Minuten Stücke der Band nicht nur fürs unverfängliche Feel-Good-Skaten geeignet. Auf beiden bisher erschienenen Alben (self-titled Debüt aus 2019, ausgezeichnet mit dem ARIA Award als bestes Rock-Album des Jahres und Comfort To Me aus 2021, welches bei mir rauf und runter lief) hat Amy Taylor, die explosive Frontfrau der Sniffers, was zu sagen. Wie sie in Interviews verriet, musste sich die heute 26-Jährige im Laufe der noch jungen Karriere – wie so viele Frauen in der Musikbranche (höre dazu unser Interview mit Lizal von den Dorks) – nicht wenige diskriminierende Entgleisungen anhören. Dieser unterschwellige oder auch offene Sexismus, diese Ignoranz in der Musikszene, macht sie würtend. Und Wut und Punk, das passt wie Arsch auf Eimer und kann ganz wunderbar in den Texten aufgearbeitet werden. Im Interview mit dem österreichischen Radiosender FM4 erklärt Taylor, was sie am meisten nervt: „Frauen müssen so viel mehr leisten, so viel härter arbeiten und so viel besser sein, um eine Chance zu bekommen im Musikgeschäft. Scheiß drauf! Ich kämpfe dafür, dass Frauen genau so viel Mist bauen können wie Männer. Wenn es eine Message gibt, dann die: Geht raus und spielt. Und wenn es richtig schlecht ist, umso besser, dann spielt erst recht!“

Denn so fing nach eigener Aussage auch ihre Band mal an. Nachdem Taylor als junge Erwachsene bei der erstbesten Gelegenheit aus ihrem Heimatkaff Mullumbimby im Norden von New South Wales nach Melbourne flüchtete, das eine großartige Musik- und Livemusikszene beherbergt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, gründete sie dort mit ihren drei Mitbewohnern die Band. Einfach mal so, warum auch nicht? Just for Punk! Die Instrumente beherrschte niemand so richtig.

Inzwischen ist das anders (Sidefact: der heutige Basser kam später dazu und ist als einziger kein Gründungsmitglied).

Und was die Live-Auftritte angeht, ist die vierköpfige Band sowieso eine Liga für sich. Gerade die Performances von Taylor sollten meiner Ansicht nach Pflichtprogramm an sämtlichen weiterführenden Musikschulen sein. Titel des Moduls: „How to own the stage without fearing to look unfavourable“. Wenn Amy Taylor loslegt, sollte man schleunigst Platz machen. Nicht selten wirkt es, als wäre sie bis in die Haarwurzeln mit dem Adressaten ihrer Worte auf dem Kriegsfuß. Ein Streitgeschrei, Widerworte zwecklos! Das hab ich bisher selten so gesehen. Und überlege mir besser zweimal, der Frau irgendwie zu widersprechen.

die positiv verrückte Frontfrau von Amyl And The Sniffers liefert ab… zwischen Rap, Gesang und Geschrei

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