Genuary Tipp 8/31 2022

The Warning aus Monterrey, Mexiko

Nur ein Wort: Bemerkenswert!

Das junge, unglaublich quirlige Schwestern-Trio hat bereits zwei komplette Alben in seiner Diskographie (per Crowdfunding finanziert und selbst produziert). Bei den Aufnahmen zum Debüt XXI Century Blood (2017) war die jüngste Schwester Alejandra (Bass) gerade einmal elf Jahre alt. Ernsthaft? Ja!

Nun erschien vor wenigen Wochen mit Animosity eine neue rockstarke Nummer (das Video von Webtoon passt erschreckend großartig zum Song). Dem nicht genug: Im Herbst letzten Jahres wurde bereits die EP Mayday rausgehauen. Auch das Teil rockt, als seien die Drei schon ganz alte Hasen.

Mit einer klassischen Klavierausbildung im Rücken ging es für die Villarreal Velez Schwestern über beachtenswert komponierten Poprock hin zur Straight ahead Rockmusik. Aber hört selbst, (live) action speaks louder than words:

Lieblingsstelle? Na klar, ab 2:25 Minuten.

Neben den fünf englischsprachigen Songs gibt es auf der EP auch diese spanische Perle. Überzeugender Gesang, ohrwurmbefeuernde Melodie, butterweiches Songwriting:

An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass The Warning spätestens ihr zweites Album Queen of the murder scene (2018) nicht selbst hätten produzieren müssen. Interessierte Plattenlabel gab es. Doch die Band wollte sich ihre Unabhängigkeit erhalten. Independent Rock im wahrsten Sinne des Wortes. Mit Lava Records haben Daniela (Gitarre und Gesang), Paulina (Drums) und Alejandra im Jahr 2020 offenbar ein Label gefunden, welches ihnen diese gewährt.

Abschließend drücke ich die Daumen, dass die Drei für ein paar Gigs schleunigst nach Europa, bevorzugt Deutschland, kommen. Am 15. März jedenfalls eröffnen sie erstmal für die Foo Fighters in Mexico City. Da werden viele, viele Menschen auf die jungen Mexikanerinnen aufmerksam werden. Wenn The Warning keine rosige Zukunft blüht, stünde es um die Vielfalt in der Musik wohl noch schlimmer als befürchtet. Mark my words!

Instagram: The Warning

Genuary Tipp 7/31 2022

GIRLI aka Milly Toomey

Eigentlich ist Popmusik keine echte Stilrichtung, allerdings führt genau dieser in der Musikindustrie recht weit verbreitete Irrglaube – man könne sich seinen Popstar so zurecht basteln, wie es einem passt – immer wieder dazu, dass talentierte Künstler*Innen fallen gelassen werden, sich zurückziehen und sicher auch nicht wenige von ihnen irgendwann einfach entnervt aufgeben. Ich erfreue mich dann immer mal wieder an Personen die diesem Prozess trotzen und die sich und ihre Musik auch in einen künstlerischen Kontext setzen und versuchen, ihre Persönlichkeit über Musik, dazugehörige Videos, soziale Medien usw. zu inszenieren. Es gibt zu wenige gute Kunstfiguren, die die Öffentlichkeit als Plattform nutzen, um eine Meinung oder Haltung zu transportieren und zu viele zurechtgeformte Knetfiguren. Deshalb ist das, was wir Popmusik nennen meistens einfach schlecht und völlig austauschbar und belanglos.

GIRLI ist ein ganz wunderbares Beispiel, dass es auch anders geht. Die englische Künstlerin ist zunächst einfach an mir vorübergezogen, da mich ihre Musik auch nicht in den Bann ziehen konnte und ich diese recht schnell als zu poppig wegskippte. Tatsächlich hatte ihre damalige Plattenfirma offenkundig ähnliche Popstar-Bastel-Pläne wie oben beschrieben. Diese gingen jedoch nicht auf, GIRLI war nicht angepasst und dadurch auch nicht schnell genug erfolgreich und wurde kurzerhand fallen gelassen. Eine gute Reaktion darauf ist das Video zu ihrem Song Has Been, in dem genau diese Seite der Musikindustrie thematisiert wird von der insbesondere Künstlerinnen betroffen sind.

Die laufende Tour 2020 musste natürlich abgebrochen werden. So entstanden noch einige Folgen GIRLI IRL eine Art Video Blog mit Interviews. Ihre Position und ihre Einflüsse werden da insbesondere in der 3. Episode im Interview mit Nadya von Pussy Riot deutlich, aus dem die Forderung to be a badass in patriarchal world herausgestellt und fett unterstrichen werden kann, aber in dem auch weitere interessante Statements zu Punk, Queeres Leben in Russland uvm. Darum hier der Link zum Interview:

Die Trennung vom alten Label ist im Nachhinein betrachtet in meinen Augen ein Glücksfall für GIRLI und ihr neues Label Allpoints. Die beiden 2021 erschienen EPs Ex-Talk und Damsel in Distress sind zwar musikalisch auch durchaus noch poppig, überzeugen aber mit sehr klaren Statements und Songs zu Themen, die in populärer Musik zu selten vorkommen, oder in Watte gepackt werden. Außerdem mag ich an den Platten, dass sie musikalisch schwer einzuordnen sind. Viele Samples, manchmal Gitarren, manchmal Elektro, manchmal Rap ein bunter Mix.

Meine persönliche Empfehlung ist daher, GIRLI rückwärts zu hören, also mit den neuen EPs zu beginnen und sich dann zu den alten Sachen durchzuhören, auf denen sich durchaus auch einige (vor allem textlich) gute Songs finden. Wie z. B. Up and Down, der auf dem ersten Album Odd One Out (noch beim PMR-Label) herauskam.

https://www.instagram.com/girlimusic/

Genuary Tipp 6/31 2022

Code Orange aus Pittsburgh, USA mit Reba Meyers (Gitarre, Gesang)

Untätigkeit kann man der Hardcore Band aus Pennsylvania wahrlich nicht vorwerfen. Nachdem 2020 ihr viertes Studioalbum Underneath auf den Markt kam und flugs eine düstere unplugged Session hinterhergeschoben wurde (höre und siehe hier), traf man sich im letzten Jahr mit niemand geringerem als Billy Corgan von den Smashing Pumpkins, um gemeinsam an neuem Material zu arbeiten. Eine durchaus spannende Kooperation. Wer sich das frisch veröffentlichte Out for Blood zu Gemüte führt, dem/der wird Corgans Mitarbeit aber wohl nicht gleich ins Ohr springen. Oder doch?

Dass Code Orange aber auch ohne Corgan rocken können, haben die bisherigen Veröffentlichungen eindrücklich bewiesen. Besonders gut gefällt mir dabei, wenn Reba Meyers nicht „nur“ virtuos Gitarre spielt, sondern in ausgewählten Stücken auch Shouter Eric Balderose die Hauptarbeit am Mikrophon abnimmt und singt – wie hier im titelgebenden, elektro-metaligen Underneath:

Erste Sporen im Musikbusiness verdiente sich Meyers bereits in ihrer vorherigen Band Adventures, die deutlich in Richtung Indie und Melody Punk ging.
Eine kurze Reise in die Vergangenheit – youtube macht’s möglich:

Aber zurück ins Hier und Jetzt:
Denn so darf man sich in diesem Jahr auch live auf die umtriebige Band freuen. In meiner Videobotschaft auf Instagram zu unserem Genuary sagte ich, dass sich die großen Festivals durchaus diverser zeigen dürfen. Code Orange ist aber bereits seit Langem Teil des Rock am Ring Universums (2015, 2017 und eben 2022 – ja, wer einmal auf Mareks Liste steht…).

Instagram:
Code Orange
Reba Meyers

Genuary Tipp 5/31 2022

Clementine Creevy von Cherry Glazerr

Cherry Glazerr fallen auf durch provokante aber recht witzige Songs und Videos auf. Die Band spielt recht facettenreich von Indie-Rock, Garage bis Grunge. Sie existieren bereits seit 2013, und die Sängerin und Gitarristin Clementine Creevy ist die Gründerin der Truppe, die bis zu diesem Zeitpunkt drei Studioalben veröffentlicht hat. Das letzte Album Stuffed and Ready ist von 2019.

Mit viel Ironie und teilweise Sarkasmus verfasste Texte der äußerst fleißigen Songschreiberin, die sich auch in Interviews und in ihren Kanälen der sozialen Medien sehr humorvoll präsentiert, die nicht zuletzt deshalb zum Folgen durchaus empfehlenswert sind (https://www.instagram.com/cherryglazerr/). Die Texte sind eheroffen verfasst und lassen viel Interpretationsspielraum zu. Clementine Creevy selbst sagt allerdings, dass sie ihre Texte grundsätzlich als Sozialkritik begreift, da sie diese schließlich als nicht unpolitische Feministin verfasst. Der Song Wasted Nun z.B. wird von mir persönlich als Song über Selbstakzeptanz interpretiert und ist in meinen Augen auch musikalisch ein Highlight eines durchweg starken Albums. Sie selbst äußert sich über diesen Song wie folgt: „a woman who just wants to wield the power of the universe but has self-defeating tendencies. I don’t know. I guess it’s a side of me.” [Auszug aus einem Bericht von Popmatters.com]

Clementine Creevy lebt eigentlich aber ein positives Selbstbewusstsein durchaus vor, denn wie sie in einem Interview berichtete, konnte sie sich bei dem Song Stupid Fish gegen den Produzenten Carlos De la Garza durchsetzen, der diesen Song eigentlich nicht auf dem Album haben wollte, ihr dieser Song aber besonders am Herzen lag. Gut so, Künstler*In schlägt Produzent*In, das sollte eigentlich immer so sein, mal ganz davon abgesehen, dass der Song sehr stark ist und einer von denen, die den Grunge wieder etwas aufleben lassen. Wobei De la Garza als Produzent von ihr durchaus geschätzt ist und bereits das Vorgängeralbum Apocalipstick mit produzierte, auf welchem auch eines ihrer bekanntesten Lieder Told You I’d Be With The Guys drauf ist.

Letzter Bezug zum Grunge: Meinen ersten Kontakt mit Cherry Glazerr hatte ich über die ebenfalls ganz originelle Interpretation des Nirvana-Songs Territorial Pissings. Darf man sich natürlich nur anhören, wenn man nicht grundsätzlich etwas gegen Coverversionen einzuwenden hat. Diese Version gefällt mir jedenfalls ausgesprochen gut.

#cherryglazerr #clementinecreevy #stuffedandready

Genuary Tipp 4/31 2022

In This Moment aus Los Angeles mit Sängerin Maria Brink

Zugegeben: Die Kalifornier In This Moment sind wahrlich kein neuer Stern am Metal Himmel. 2020 kam mit Mother ihr bereits siebtes Studioalbum heraus. Über die 14 Stücke hinweg sorgt vor allem Maria Brink für besondere Hinhörmomente.

Aber lasst euch bitte nicht täuschen: Die Single As above, so below ist deutlich härter und zugleich eingängiger als der Großteil des neuen Albums. Grundsätzlich ist die Band heute eher eine atmosphärische, spielt mit dunklen Samples, vielen ruhigen Passagen, mit Elektrobeats und einem Mix aus Distortion- und Clean-Vocals. Im Laufe der Diskographie gingen In This moment in großen Schritten immer weiter weg vom gutturalen Metal Core hin zum melodischen Metal.

Das hört man auch auf dem neuen Album. Nach dem ultra-düsteren Opener/Interlude schwappt uns plötzlich bei Fly like an Eagle eine altbekannte Melodie entgegen. Mit dem Original der Steve Miller Band aus den 70ern hat die Nummer hier aber herzlich wenig zu tun. Auf die Idee, einen solchen Song neu zu arrangieren, muss man erstmal kommen. Seit ihrer Gründung im Jahre 2005 streut die Combo immer wieder Coversongs in ihr Programm ein, so gibt es auch auf Mother ein zweites Remake: Bei We will rock you versammelt Brink mit Taylor Momsen von The Pretty Reckless (Now playing… zum Album Death by Rock and Roll hier) und Lzzy Hale von Halestorm (bitte Namen merken!) zwei Gesangskolleginnen. Mother ist für mich definitiv eines der schwächeren Alben und wirkt passagenweise ziemlich einfallslos.

Dennoch: Dass Maria Brink eine tolle Sängerin ist, bleibt unbestritten. Die klaviergetragene Ballade The Fighter vom Album Black Widow ist groß:

Auch als Frontfrau versprüht Brink auf der Bühne pure Energie. Live habe ich sie und ihre Kollegen zwar noch nicht gesehen, aber es muss wohl ein Spektakel sein. Sie selbst ist gewandet in die skurrilsten Kostüme, spielt gekonnt mit dem Publikum, die Musiker ebenso geschminkt wie ihre Sängerin und auch dramaturgisch passiert immer etwas:

schlechte Video- und Tonqualität, volle Energie! You can’t stop me!

So, Genuary Tipp und kurzes Now Playing zu Mother… zwei Fliegen, eine Klappe!

Instagram: In this moment

Website: Maria Brink