von Felix und Alex
„Das Album spricht eine ziemlich hoffnungslose Sprache“
Chris im Interview mit dem Wellenbrecherbereich
Im November 2022 veröffentlichten Fjørt ihr viertes Album nichts. Derzeit spielen sie ihre Tour mit dem Titel Nichts hat mehr Bestand. In Bezug auf das Album lässt sich zunächst ganz nüchtern feststellen, dass das so nicht stimmt. Schon vor dem ersten Hören wird klar, einiges hat sehr wohl weiterhin Bestand. Die Songtitel beispielsweise bestehen weiterhin aus nur einem Wort. Und auch beim Hören wird schnell klar, dass sich die Band auch musikalisch treu bleibt – zum Glück. Fjørt liefern ihren eigenen Stil im Post Hardcore. Der Sound der Gitarre mal sphärisch, mal brachial, bildet unterstützt vom passenden Bass und Schlagzeug, das mit markanten und extrem kreativen Gimme-More-Beats aufwartet, den Rahmen für den Gesang.
„Wir nutzen da ein paar technische Spielereien… […] kriege ich die Rythmusgitarre aus dem Bass raus?! Das Signal wird audiotechnisch gesplittet, eins auf Gitarren-Amp, eins auf Bass-Amp„
David im Interview mit dem Wellenbrecherbereich
Dieser Sound bleibt auch auf Nichts in vielen Teilen ein markantes Schreien, zeigt sich insgesamt aber facettenreicher als auf den Vorgänger-Platten.
„Das Schreien ist so da drin – das ist wie Fahrradfahren. Aber das Singen […], da hab ich mich bisher nicht so 100% getraut. Wir wollen uns aber immer weiter challengen. Wir haben einen hohen Anspruch, Dinge auszuprobieren und wollen lange Spaß daran haben.“
Chris im Interview mit dem Wellenbrecherbereich
Ich finde, dass es ein wesentliches Merkmal von nichts ist und dieses Album noch etwas abhebt. Als Beispiel: fernost enthält einen gesungenen Chorus, feivel in den Strophen ruhigere Gesangsteile und das in unserem Interview inhaltlich recht ausführlich besprochene kolt bietet in den Strophen eher einen Rap / Sprechgesang.
Im Song lakk (eine Konsumkritik) wurde – neben den Einspielern aus dem ersten deutschen Werbespot in den 50er Jahren – Kindergesang integriert (höre Interview) und bei lod ist sogar ein ganzer Knabenchor zu hören (höre ebenfalls Interview).
Das alles wird jedoch bemerkenswert dezent in die Songs integriert, so dass es dem Fjørt-typischen Hörvergnügen keinen Abbruch beschert. Ganz im Gegenteil, gerade diese Mischung aus klassischem Post-Hardcore – der mal, wie bei den Liedern schrot oder salz kompromisslos in die Fresse haut, dann wieder ruhige bis düstere Passagen hat, wie z.B. in dem instrumentalen wasser, oder bei tau – und den beschriebenen neuen Elementen – macht dieses Werk noch viel eindrücklicher und erhöht den Reiz des Nochmal-Hören-Wollens.
Ein weiterer Anreiz sind die Texte: Egal ob glasklar und schmerzhaft entlarvend ins Gesicht, wie in schrot – einer überzeugenden Kritik zu Fleischproduktion und -konsum:
Komm mal lang hier man, halt drauf, das lebt noch / wir sind die Creme de la Scheißdrauf!
Oder eher lyrisch oder kryptisch formuliert – nichts ist wie ein gutes Buch, in dem man bestimmte Passagen nochmal und nochmal liest, weil man sie so gelungen formuliert findet. Oder anders: Das Album ist wie ein Poetry Slam auf ganz hohem Niveau.
So vergibt der Wellenbrecherbereich trotz oder gerade wegen der „ziemlich hoffnungslosen Sprache“ für nichts, einem rundum gelungenen, abwechslungsreichen und atmosphärsch dichtem Album, das die Band eindeutig nochmal weiter nach vorne gebracht hat, bockstarke 9/10 Wellenbrecher.