Jillian Dowding AKA JJ Wilde aus Kanada
Frisch, unverbraucht, Sinn für Melodien. JJ Wildes Musik würde ich als rockigen Schiefpop bezeichnen (zum Thema „ausgedachte Genres“ siehe auch Felix‘ Tipp 13/31). Mit Schiefpop meine ich, dass die Songs durchaus Pop-Merkmale aufweisen, aber das Songwriting dank raffinierten, sperrigen, ja, „unpopulären“ musikalischen Finessen den Stempel „klassisch-kitschiger Pop“ locker umgehen kann. Für Rock ist es aber auf Streckie nicht hart genug. Schiefpop eben. Soundbeispiel:
Doch am Ende des Tages ist es natürlich ganz egal, wie man das Kind nennt. Hängen bleibt bei mir, dass ich gerne zuhöre. Und nicht nur ich. Ihr Debütalbum Ruthless aus 2020 ist im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnet. Es war ein weiter Weg zum „best Rock Album of the year“ (Rock? Die Juno Awards für kanadische Musiker*Innen haben wohl noch nie etwas von Schiefpop gehört). Vor gar nicht langer Zeit hatte die heute 29-Jährige noch drei Jobs gleichzeitig und schrieb in den Pausen ununterbrochen Songs, die zum Teil auf der 2019 erschienenen EP Wilde eyes, steady hands zu hören sind, ebenso wie auch auf Ruthless. Wired ist einer davon:
Apropos Songs schreiben: Dass JJ Wilde auf den zweiten Blick mit Frederik Thaee eigentlich ein heimliches Duo ist – der Däne schreibt mit Dowding die Songs und ist auf Ruthless auch als Backgroundsänger, Gitarrist und Bassist zu hören – sollte an dieser Stelle erwähnt werden. Für die Beurteilung der Musik macht das aber erstmal keinen Unterschied. Auf Ruthless sind alle Songs von Thaee und Dowding als Team geschrieben (zwei Songs zudem mit Victoria Hansen und einer mit Tom Peyton).
Im letzten Jahr schob JJ Wilde dann gleich wieder was nach – und zwar die wunderbar flowende EP Wilde. Sie selbst beschreibt die sechs Tracks als „Wohlfühl- und Spaßsongs“. Ja, das passt schon. Trotzdem, ich nenne es weiterhin voller Respekt Schiefpop. Und auch die Coverversion von Tom Pettys Stop draggin‘ my hear around im Duett mit Brett Emmons von den Glorious Sons ist sehr gelungen.