Ihr habt es mitbekommen: Ich feiere die Musik von Steven Wilson im Podcast schon lange ab (höre zum Beispiel hier), aber was der Engländer da gestern in Hamburg abgerissen hat, war nicht mehr von dieser Welt – und damit sind wir auch schon voll im Thema.
Musik zum Abheben Das aktuelle Album Wilsons als Solokünstler – The Overview – wurde als Konzeptalbum angelegt. Und es ist so sperrig wie verrückt geworden. Wir hören hier zwei unendlich lange Songs (Objects outlives us und The Overview), die uns auf eine Reise ins Weltall mitnehmen. In Anlehnung an David Bowie fragt er: Gibt es Leben dort? Und genau diese Reise durften die Wilson Fans gestern live erleben. Für die Passagiere war die komplette Sporthalle – also auch der Innenraum – bestuhlt, was für eine Rockshow erstmal gewöhnungsbedüftig anmutet. Dann noch die Glockenmelodie im Foyer, die den „Flugstart“ ankündigt und wir fühlen uns plötzlich wie im Theater. Und wer sich vorab nicht mit der Idee hinter Wilsons Tour beschäftigt hat, dürfte schnell mit offenem Mund auf seinem Stuhl gesessen haben: Nicht nur spielte er quasi das komplette Album mit seiner kongenialen Band ansatzlos on point runter (über 40 verdammte Minunten ohne Pause!), das Spektakel wurde zu einer Art audiovisueller Installation, da jeder einzelne Ton eingebettet war in wunderschön kreierte Videosequenzen zum Thema Weltall, gezeigt auf einer gigantischen Leinwand über der Bühne in bestechender Auflösung. Jeder Ton saß, musikalisch wie gesanglich, jeder Effekt traf ins Mark (zumindest fast, gleich mehr!) und war perfekt mit den Bildern abgestimmt. Wer selber Musik macht, weiß, was das für eine Mummutaufgabe und Leistung ist. Wilson ist nicht nur ein autodidaktischer Multiinstrumentalist, er ist ein Sound-Farmer, ein Ton-Flüsterer – selten bis nie habe ich ein Live-Konzert gehört, in dem jedes noch so zarte Tönchen kristallklar und in seiner richtigen Dramaturgie erklang. Überragend. Beschreibe ich mit Worten das Hör-und Sehrerlebnis versuche ich es mit: Die Acid-Beatles „in the sky“ with Diamonds. Danach Pause – für die Band nach gut 40 Minunten „ridicoulsy complicated music“ am Stück (Zitat Wilson) und für die auf die Erde zurückgekehrten Passagiere.
Der zweite Teil: Quer durch die Vita ohne „Best Of“ Nostalgie Apropos „ridiculously complicated“: Die Choreographie zwischen Musik auf höchstem Niveau und farbgewaltigen Bildern erinnerte an Tool, doch während dieKalifornier auch zwischen den Songs wortkarg bleiben, zeigt sich Wilson nach Beendigung der Raumfahrt in der zweiten Halbzeit gut gelaunt und witzig. Einer Frau, die ihm zurief, sie sei bereits auf 17 Konzerten der Tour gewesen zu sein, erwidert er, er sei ein wenig enttäuscht, da sie ja offenbar sechs Show verpasst habe. Dann fragt er, wer denn quasi „versehentlich“ bei ihm gelandet sei – als Anhang des eigentlichen Fans. Als sich ein paar Menschen melden, ermutigt er, „seid ehrlich: Wer fragt sich, ob unsere Band eigentlich auschließlich 30 Minuten lange Songs spielt, die eben auch noch „ridiculously complicated“ sind? Für all diejenigen, die sich grinsend melden, soll der nächste Song sein: Eine radiotaugliche Wilson-Nummer. Doch dann der Schock: Das Pedalboard des Chefs streikt und selbst der Tontechniker kann die für den Song benötigten Effekte nicht wieder zum Leben erwecken. Der Song, es wird nicht erwähnt welcher es gewesen wäre, muss ausfallen – der klare Nachteil, wenn eine Show komplett durch choreographiert ist. Ich schätze, es wäre Pariah gewesen, das so radiotauglich ist, das Wilson mit Ninet Tayeb (auch schon in Podcast und Blog erwähnt; lese hier), mit der Nummer 2017 sogar im ZDF Morgenmagazin auftrat:
Nachdem der Mainstream am gestrigen Abend also ausfällt, geht es weiter progrockig durch Wilsons Schaffensvita. Er erklärt, dass er seine Band Porcupine Tree damals als One Man Band gegründet hat, und dass die Bandmitglieder erst deutlich später dazukamen – wie bei Grohl und seinen Foo Fighters. Aus dieser Anfangszeit werden zwei Songs gespielt (Voyage 34 und Dislocated Day), ehe auch Solo Wilson Songs präsentiert werden, ein absolutes Highlight dabei: Impossible Tightrobe, bei dem Wilson attestiert, dass sein Credo sei, „immer der schlechteste Musiker in seiner eigenen Band zu sein“ und dass diese Nummer an dem Abend für ihn die schwierigste sei und er sie ganz sicher „versauen“ würde. Ich schätze es ging hier um die unfassbar hohen Gesangspassagen, die aber mit Bravur gemeistert wurden. Und so absurd es klingen mag, war Wilson neben seinen vier Kollegen wahrscheinlich wirklich der „schlechteste“ Musiker auf der Bühne, aber ziemlich sicher der mit Abstand beste Komponist.
So vergeht der Abend, der mit einer sehr weiten Reise begann und in einem Diskographie-Picking endete, wie im – Achtung – Fluge. Als die Musik immer stärker beginnt zu rocken, hält es auch die Fans nicht mehr auf den Schleudersitzen. Nach der letzten Nummer gibt es folgerichtig Standing Ovations (siehe Foto oben), bis die Band für zwei letzte Songs auf die Bühne kommt. An dieser Stelle freut sich Wilson, dass er eben keine klassischen „Best Ofs“ hat und er zum Abschied spielen kann, was immer er möchte. Bei Guns n Roses und Lynyrd Skynyrd sei das anders. Und so hat seine allerletzte Nummer auch irgendwie mit einem Free Bird zu tun: The Raven that refused to sing – begleitet vom animierten Video des alten Mannes, der um seine als Kind verstorbene Schwester trauert – lässt den Saal nochmal mucksmäuschenstill werden und ich blicke mich um, ob irgendwo irgendwer Zwiebeln schneidet.
Wir haben KMPFSPRT für euch interviewt, die Platte gehört und ihr zweites Konzert der Tour im Tower Bremen besucht. Lest hier unseren ausführlichen Bericht und das meinungsstarke Interview.
KMPFSPRT aus Köln veröffentlichen ihr neues Album zu einem absolut passenden Zeitpunkt. „Leider“ muss man zumindest zu diesem Zusammenhang sagen: die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der letzten 10 Jahre mit dem vermehrten Aufkommen von Rechtsradikalismus und Neonazis, machen ein Aufzeigen auf Demos gegen den Rechtsruck wieder notwendiger. Punk-Bands wie KMPFSPRT liefern zur Bewegung gegen rechts textlich und musikalisch einen motivierend linksdrehenden Soundtrack ab. Mal wütend und schnell, mal etwas melodiöser, aber immer ohne Umschweife, klare Positionen mit Anlauf ins Mikro gebrüllt. Musik, die Spaß macht, Texte, die man hören sollte. Das neue Album Aus gegebenem Anlass ist eine absolute Empfehlung und aus unserer Sicht für die Band auch ein großer Schritt: Der klassische Sound bleibt und dennoch wirkt die Platte etwas reifer, abgestimmter, die Musik treibt an und verbindet sich sehr organisch mit den Texten bzw. den damit transportierten Emotionen.
Nach dem Konzert am späten Samstagabend, saßen wir noch bei einem Terrassenbier zusammen und waren glücklich. KMPFSPRTs zweites Konzert der laufenden Tour war voller Energie und echter Spielfreude. Leider war der Tower nicht ganz ausverkauft. Das ist wirklich bedauernswert, liebe Bremerinnen und Bremer: geht wieder mehr auf Konzerte! Der Stimmung hat es aber grundsätzlich nicht geschadet und auch der Support-Act Schrammen hat dazu einen Teil beigetragen und erste Bewegungen in die Gäste gebracht. Testet also auf der Suche nach neuer Musik ruhig die Schrammen mal aus, mich persönlich haben sie etwas an die Band Blaufuchs erinnert.
KMPFSPRT haben vom Start weg überzeugt. Vor über fünf Jahren haben wir sie in der selben Location gesehen und wenn sich eins nicht geändert hat, dann ist es die Spielfreude, die man der Band auf der Bühne anmerkt. Die Dynamik zündete bei diesem Konzert erfreulicherweise auch stark bei den neuen Songs, von den ich mir sogar noch ein bis zwei mehr in der Setlist gewünscht hätte – Perfekt / Defekt ist eines von den neuen Liedern, die ich mir auch sehr gut live vorstellen kann. Aber die ausgewählten neuen Songs waren sehr schön eingebettet und vor allem „Schade, dass die Welt uns nicht versteht“ und „Bisher alles gut“ animierten zum Mitsingen, brüllen und Wild-im-Kreis-Laufen. Es war einfach ein hervorragender Mix, der ziemlich geradeaus durchgespielt wurde. Einfach eine schöne Punkrockparty. Wer die Gelegenheit hat, sollte noch einen Besuch einplanen.
Aber ist es denn überhaupt noch Punk?
Interview mit KMPFSPRT
Es haben sich in den letzten Jahren ja doch einige Subgenres entwickelt und bieten viel Platz zum Haare spalten und klugscheißen – also fragen wir die Band doch mal, wie sie ihre Musik selber sieht?
KMPFSPRT: Ich finde „Punkband“ eigentlich sogar die perfekte Beschreibung. Denn Punk steht an der Wurzel all dessen, was wir tun und ist der gemeinsame Nenner, auf den wir immer wieder zurückkommen. Als wir mit 14 oder 15 unsere ersten Bands gegründet und musikalischen Gehversuche getätigt haben, war das eben Punk. 2-3 schnelle Powerchords, kurzer Text, fertig. Die absolute Demokratisierung von Musik, jeder kann es, der etwas zu sagen hat, auch ein 14jähriges Kid in irgendeinem Proberaum. Das fand ich damals ungemein „empowernd“, um mal ein unangenehmes Modewort zu verwenden. Danach haben wir dann auch irgendwann Bands abseits der Ramones oder Misfits entdeckt, irgendwann kam Hardcore dazu, dann Emo, dann meinetwegen auch Pop (allerdings meine ich, wenn ich von „Pop“ spreche, eher so was wie The Smiths oder The Housemartins als Ed Sheeran oder Adele oder so) und alles hat irgendwie seinen Weg in unsere Musik gefunden. Aber ist das nicht bei den meisten Bands so? Und müsste man dann nicht fast immer von Indiehardcorepoweremopoppunk oder etwas Ähnlichem sprechen? Daher bin ich mit „Punkrock“ perfekt bedient. Am Ende des Tages machen wir genau das.
Das neue Album ist aufgenommen und veröffentlicht, die Proben vorbei, die Tour gestartet. Sind die Konzerte eurer eigenen Tour und im Sommer auf Festivals auch so etwas wie eine Belohnung für die langen Phasen im Studio und im Proberaum?
KMPFSPRT: Die richtige Antwort darauf wäre: ja. Die ehrliche Antwort aber ist, dass ich Zeit im Studio fast ebenso genieße wie live zu spielen. Ich kann auch gar nicht verstehen, dass es immer wieder Bands und Musiker gibt, die das Studio gar nicht zu mögen scheinen. Mögt ihr denn keine Musik? Ich finde, es gibt kaum etwas Schöneres, als Songs vor den eigenen Augen entstehen zu sehen. Sich kreativ auszutoben, auszuprobieren, und auf einmal hat man Musik vor sich, die noch vor wenigen Stunden einfach nicht existiert hat. Und vielleicht sind Songs dabei, die wir die nächsten Jahre live spielen werden, die uns was bedeuten, die den Leuten da draußen was bedeuten, die auf Konzerten mitgesungen werden… wie kann man das nicht mögen? Außerdem öffnet man im Studio ab irgendwann nachmittags das erste Bier und hängt mit seinen Brudis rum und raucht und säuft und labert Scheiße, auch deswegen spiele ich schließlich in einer Band. Und ja, auf Tour irgendwann ist auch schön, klar.
„Aus gegebenem Anlass“ ist der Titel der neuen Platte (Shop hier). Gleich im ersten Lied „Das Ende aller Tage“ verdeutlicht ihr, welcher Anlass gemeint ist. Wie steht ihr zu den Entwicklungen in Deutschland in den letzten Jahren und (wenn möglich) was kann man trotzdem versuchen, Positives herauszuziehen? Denn der Refrain sagt ja deutlich „Du bist nicht das Ende aller Tage“.
KMPFSPRT: Bis vor wenigen Monaten hätte ich es vermutlich wirklich schwer gefunden, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Immer größere Erfolge für die blaubraunen Faschos im Osten wie im Westen, Gewalt, Krieg und eine Linke, die lieber über Pronomen oder Wortendungen diskutiert als über das nahende Ende der Demokratie, wie wir sie kennen. Dann aber kam der Switch, mit dem Bekanntwerden der Abschiebephantasien diverser Politiker diverser Parteien. Da hat man schon gemerkt, dass ein Ruck durch die Gesellschaft ging und die schweigende Mehrheit endlich ihre Stimme gefunden hat. In ganz Deutschland gab es ja gigantische Demos, wir waren in Köln und Bonn dabei, und man endlich wieder sehen konnte, dass der gesellschaftsfähig scheinende Rassismus eben noch immer eine Minderheitsmeinung ist und die Mehrheitsgesellschaft keinen Bock auf die Scheiße hat. Ich fand vor allem cool, dass auf all diesen Demos nicht ausschließlich Linke oder Punks wie wir waren, sondern Familien mit Kindern, Normalos, Rentner und alle dazwischen. Das hat mich an den „Aufstand der Anständigen“ Anfang der 90er Jahre erinnert, der den Nazis damals auch ganz klar gezeigt hat: Ihr seid nicht das Volk, ihr seid nur ein Haufen armseliger Vollidioten.
Ein ähnlicher Tenor klingt bei Lied 3 „Bisher alles gut“ an. Befinden wir uns gerade auf einem Weg zurück in die Neunziger Jahre, wo man die Feindschaften zwischen links und rechts ziemlich offen, unvermittelt und schonungslos auf der Straße ausgetragen hat und schon die falsche Frisur oder das falsche Shirt als ausreichende Provokation galt?
KMPFSPRT: Ich glaube nicht, dass das je anders war. Versuch mal in der falschen Stadt oder dem falschen Stadtteil mit einem Antifa-Shirt oder händchenhaltend mit einem Menschen des gleichen Geschlechts durch die Straßen zu gehen. Es gibt über 200 Todesopfer durch rechte Gewalt seit der Wiedervereinigung. Auch wenn die „Baseballschlägerjahre“ irgendwann vorbei schienen und eine gewisse Normalität eintrat (auch, wie oben erwähnt, erkämpft durch antifaschistischen Protest auf der Straße Anfang der 90er), hat das ja nie ganz aufgehört. Und mit den Erfolgen der Blaubrauen in den letzten Jahren haben auch die rechten Gewalttäter wieder das Gefühl, „Volkes Willen“ zu vollstrecken – da ist weitere Gewalt nur eine Frage der Zeit. Und auch wenn wir selber keine gewalttätigen Menschen sind und Gewalt vollkommen abstoßend finden, denke ich nicht, dass man Nazis mit Worten und Argumenten stoppen kann. Darum ging es denen ja nie. Da muss man sich schon die Hände schmutzig machen, zum Schutz von Minderheiten und auch zum Schutz von sich selbst.
Welchen Beitrag leistet ihr mit eurer Musik, um diesen aktuellen Entwicklungen entgegenzuwirken?
KMPFSPRT: Wir sind nicht so verblendet, zu glauben, dass unsere Songs eine größere Wirkung haben, wenn es darum geht, Leute zu politisieren oder Themen zu setzen. Das können eher Die Ärzte oder Die Toten Hosen, im Osten vielleicht auch Feine Sahne hier und da. Ich hoffe aber natürlich trotzdem, dass es im Kleinen Menschen gibt, die sich angesprochen oder zumindest bestärkt fühlen. Mir ging es ja selbst nicht anders, als ich mit 14 oder 15 Punk entdeckt habe. Slime waren damals der Soundtrack meiner frühen Jugend, später haben Bands wie Gorilla Biscuits, Manliftingbanner oder Propagandhi dazu beigetragen, dass ich angefangen habe, Dinge zu hinterfragen und mir eine kritische Meinung zu bilden. Vielleicht können wir das ja auch für eine Handvoll Menschen tun.
Eure Tour streckt sich über einen etwas längeren Zeitraum. Habt ihr schon oft überlegt, den Schritt ganz in den Beruf des Künstlers zu gehen, um vielleicht auch mehr Zeit oder einfach mehr Möglichkeiten für mehr Konzerte etc. zu haben?
KMPFSPRT: Schon oft? Oh Gott. Nee. Noch nicht ein einziges Mal, ehrlich gesagt. Was für eine schreckliche Vorstellung. Stell dir vor, du machst das, was du liebst, zum Beruf. Du MUSST auf einmal Songs schreiben, ob du in dem Moment willst oder nicht. Du MUSST auf Tour gehen, du MUSST jedes Festival spielen, du MUSST Insta-Videos drehen, in denen du in die Kamera laberst und Dinge sagst wie: „Hi, hier ist der David von KMPFSPRT, wir spielen am Wochenende in Bayreuth und haben MEGA BOCK, kommt rum, blaaaa“. Und das dann jede Woche, jedes Jahr. Mit 30, mit 40, mit 50… Urgh. Nein danke. Musik, Kunst ist meine/unsere große Liebe, das muss immer auf Freiwilligkeit basieren und darf nie vermarktbare Wegwerfware werden.
In Bezug auf eure Diskographie merkt man auch nur wenig, dass ihr die Musik „nur“ als Fulltime-Hobby betreibt. Wie schafft ihr das, doch so einen verhältnismäßig regelmäßigen Veröffentlichungsrhythmus beizubehalten?
KMPFSPRT: Vermutlich geht das, weil wir es eben nicht müssen. Sondern einfach wollen. Nach einer bestimmten Zeit juckt es einen immer in den Fingern, dann sitzt man zu Hause abends mit der Gitarre in der Hand vorm Fernseher, spielt und spielt und spielt und schreibt so fast automatisch Songs. Oder es passieren Dinge, auf der Welt oder im eigenen Leben, die einen in irgendeiner Form emotionalisieren und irgendwann einfach raus müssen, in unserem Fall eben in Form von Musik. Und dann ist der Ball meistens schon ins Rollen gekommen und man schreibt und tut und macht und sammelt und irgendwann geht man dann ins Studio und – zack – hat schon wieder ein neues Album oder eine neue 7“ oder was auch immer. Aber klar, das geht nur, weil wir alle das auch wollen. Es würde vermutlich reichen, wenn einer nicht mitzieht, was bei uns bisher zum Glück nie so richtig vorkam. Wir sind ja auch schon eine Weile dabei und wissen, was wir tun und was wir wollen (und was nicht).
Neben den eben erwähnten, bedenklichen gesellschaftlichen Entwicklungen sprecht ihr noch ein paar andere relevante Themen an. In „Schade, dass die Welt uns nicht versteht“ geht es im Kern um den Klimawandel. Aber auch ein Stück weit um einen diesbezüglichen Generationenkonflikt. Auf wen sollten wir aus eurer Perspektive mehr hören: auf den fatalistischen Vater am Klavier oder die aktiven Neo-Hippie-Kids?
KMPFSPRT: Vielleicht auf beide gleichermaßen, vielleicht stehen die irgendwann sogar Schulter an Schulter auf den Barrikaden und reißen ein System nieder, das nur auf Profite und nicht auf Vernunft oder Logik basiert und so uns und unseren Planeten auf dem Altar des Geldes opfert. Ich glaube, dass wir da durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten zusammenarbeiten müssen, da die Mächtigen ihre Macht bestimmt nicht freiwillig aufgeben werden. Wenn wir aber den Kapitalismus nicht beenden und durch ein humanistisches, soziales System ersetzen, bei dem es um Mensch und Natur geht, sehe ich da schwarz. Das allerdings wird nur zusammen gehen und zwar mit so einer großen Mehrheit, dass es keine Zweifel an der Konsequenz der Veränderung geben kann. Ich hoffe, ich erlebe noch etwas davon.
Ein auch bei uns im Podcast häufig aufkommender Themenbereich ist der der Alltagsbelastungen. Bei „Letzte Hilfe“, „Trugschluss der Dummen“ oder auch „Fliegenfriedhof“ und letztlich auch in „Hana-Bi“ geht es um individuelle Probleme, um Struggles möglichst normal und sorgenfrei durch das Leben zu kommen. Wo seht ihr die Ursachen für diese doch immer stärker wahrnehmbaren Szenarien, wie ihr sie in den genannten Liedern beschreibt?
KMPFSPRT: Ich finde, es klingt immer etwas billig, alle seine privaten, individuellen oder psychischen Probleme auf den eben genannten Kapitalismus zu schieben, aber… genau daran liegt es in der Regel eben. Wie soll man in einer Welt wie der unseren leben und NICHT dadurch krank werden? Und das sage ich aus der relativ privilegierten Position eines studierten weißen Mannes in Mitteleuropa. Aber klar hilft einem das im Alltag nicht, wenn man an Depressionen leidet oder einfach „nur“ seinen Job oder seine Freundin verloren hat oder was einem sonst noch immer so passieren kann. Dafür gibt es dann ja irgendwie auch Kunst und Musik. Mir hilft das zumindest immer sehr, mich von einem Buch oder einem Song verstanden zu fühlen. Mehr kann man kurzfristig eh nicht tun. Außer mal Fünfe gerade sein zu lassen und ein paar Bier zu viel zu trinken. Aber das hilft auf Dauer ja auch nicht.
Dann kommen wir auf der Zielgeraden nochmal zu positiven Dingen. Musik hilft bei vielen Dingen und gerade Konzerte können unglaublich viel Spaß machen und einen den Alltag auch mal vergessen lassen. Bei welchem Konzert sieht man euch 2024 noch als Gast und wenn ihr dort seid, dann im Wellenbrecherbereich / Moshpit oder lieber am Tresen?
KMPFSPRT: Ich habe tatsächlich eine Menge Konzerte in meinem Kalender stehen. Ein paar davon wären Slapshot, EA80, Jeff Rosenstock, NOFX, Alkaline Trio, D.R.I., Madness, The Stranglers und Hot Water Music, um nur ein paar zu nennen, die mir direkt einfallen. Es gab mal eine Zeit, nach ein paar intensiven Jahren KMPFSPRT, da hatte ich weniger Lust auf Konzerte, irgendwann ist man ja auch einfach übersättigt, aber inzwischen bin ich wieder voll am Start und freue mich auf jede Show. In der Regel, dem Alter entsprechend, eher hinten an der Bar, aber es kann immer mal wieder vorkommen, dass mich die Musik weiter nach vorne zieht und der Funke überspringt wie bei einem liebeskranken Teenager. Zuletzt war das bei Samiam und den Menzingers so.
Gebt uns zum Abschluss noch einen kurzen Ausblick, was ist 2024 noch alles von KMPFSPRT zu erwarten?
KMPFSPRT: Das Album ist ja jetzt draußen, also… Konzerte? Eine Tour, ein paar Festivals, vielleicht irgendwas Schönes zum Jahresabschluss und dann, so wie ich uns kenne, hat auch schon irgendwer Bock auf das nächste Projekt, die nächste 7“ oder was auch immer. So richtig langweilig wird uns eigentlich nie.
Herzlichen Dank für das Interview! Wir wünschen euch geile Konzerte auf der Tour!
Live im Kulturzentrum Schlachthof Bremen am 30.03.2023
von Felix
Bei dem letzten Pascow-Konzert in Bremen im Lagerhaus, musste ich zeitlich bedingt leider noch passen. Umso größer war meine Freude über das erneute Erscheinen der Gimbweiler Punkband hier in der Hansestadt. Dass die Locations ihrer Konzerte in den letzten Jahren stetig gewachsen sind, hat sich die Band unter anderem aus zwei wesentlichen Gründen redlich verdient: Zum einen spielen sie auch auf ihrem neuen Album Sieben einen konsequenten up-tempo Punk, der musikalisch in hohem Maße animierend ist und textlich immer auf der Höhe der Zeit, wenn Probleme und Missstände aufgezeigt werden sollen. Oder wenn in dreieinhalb Minuten einfach herrliche Geschichten erzählt werden, die andere auf ganze Fernsehserien strecken. Der zweite Grund ist die Fähigkeit, diese Songs auch live ohne Spannungsabfall mit viel Druck und Bock-Drauf der Menge zu präsentieren.
Die Kesselhalle im Schlachthof ist ohnehin ein herrlicher Ort für Konzerte, wenngleich es etwas umständlich war, dass es mittlerweile aus Brandschutzgründen keine Garderobe gibt. Ich hoffe, dass es da demnächst ein sinnvolles Konzept gibt, denn Konzerte im Winter, sind dort so ansonsten etwas lästig.
Aber alles Weitere stimmte wie gewohnt im Schlachthof: Einlass, Theke, dezente Sicherheitsmenschen – großes Lob wieder mal an alle im Kulturzentrum!
Außerdem ein großes Lob an Pascow, dass sie sich als Support für einige Shows die Zweier-Punk-Kombo Mobina Galore aus Kanada gesichert haben. Das war bereits ein stimmungsvoller und äußerst passender Einstieg. Die Band habe ich bereits im Genuary 2021 hier kurz vorgestellt. Wer sie noch nicht kennt, sollte mal reinhören – sehr straighter Garagen-Punk. Leider habe ich die beiden am Merch-Stand verpasst, sonst hätte ich natürlich versucht, eine ihrer Platten für den einen oder anderen Wellenbrecherbereich-Follower signieren zu lassen.
Aber jetzt endlich zum Konzert selbst, ich mach es mal sehr kurz: Es war geil! Es hat richtig viel Spaß gemacht, man konnte sich schön vorne zu einer Runde Pogo in den Pit schmeißen – es ging zur Sache aber auf eine sehr angenehme Art, also auch das Publikum wusste an dem Abend zu überzeugen und wusste, dass sich voller Einsatz und Rücksicht keineswegs ausschließen. Am Ende blieben inklusive Intro 27 Songs die Pascow uns um die Ohren haute und trotzdem verging der Abend gefühlt wie im Flug. Wenn eine Band mit einem neuen Album auf Tour geht, ist natürlich klar, dass sich die Songauswahl überwiegend aus den neuen Stücken ergibt. Es ist aber sicher gar nicht so einfach als Band, die seit mittlerweile bald 25 Jahren existiert und eben auf mittlerweile sieben Tonträger (Longplayer) zurückblicken kann, sich zu entscheiden, welche Gassenhauer und Lieblingslieder der früheren Platten den weiteren Inhalt der Show stellen dürfen. Und auch hier bin ich ganz persönlich sehr zufrieden nach Hause gegangen, da wirklich alle älteren Stücke, die ich mir gewünscht habe, es auch auf die Setlist geschafft haben (siehe Fotos).
Persönliche Highlights waren für mich vor allem die neuen Songs Himmelhunde, Monde oder Mailand plus die besten Mitsing-Songs unter anderem Mila oder Herz und das ohnehin großartige Silberblick und Scherenhände. Bei Letzterem hätte ich mir lediglich zum Intro noch einen schönen Circle-Pit gewünscht, ansonsten hielt es aber, was es versprach. Beim Rausgehen konnte man am Merchstand noch beherzt in den Eimer mit Colakrachern greifen, oder einen der Tonträger holen. Ich habe mir noch ein Erholungsbier gegönnt und bin dann sehr zufrieden nach Hause.
die Jungs hatten Bock: Silverstein am Samstag im Tower
Als Felix und ich am Samstag gut gelaunt Richtung Tower schlenderten, hatten wir zwar richtig Bock. Doch befürchteten wir eine des Abends nicht angemessene überschaubare Zuschauerzahl vor der Bühne. Zum einen drehen in den aktuell unsicheren, inflationären Zeiten die meisten Menschen ihre Euro notgedrungen zweimal um und zum anderen brannte schon den ganzen Tag die Sonne vom Himmel. Eher Schlachte- oder Uniseewetter als Club-Wetter also. Und dann ist da ja auch noch dieses Virus…
Gegen 19:30 Uhr trafen wir ein und unsere Befürchtungen schienen sich zu bestätigen. Erstmal zur Theke und zwischen ein paar verlorenen Menschengrüppchen ein Schreckbier verzehrt. Im Laufe der Zeit wurde es aber doch merklich voller, sodass der Bereich vor der Bühne zum Start der Supportband Shoreline gut gefüllt war. Shoreline? Sagt euch was?! Ja, Felix hatte über die aktuelle Platte der Münsteraner mit Namen Growth ein detailliertes Now Playing verfasst (lese und höre hier).
Support Als die vier Jungs losbretterten, fiel mir als erstes der bemerkenswert dichte und kristallklare Sound auf. Nur die Textzeilen waren – zumindest von unserer Position aus – kaum zu verstehen, was bei den wichtigen Botschaften der Songs etwas schade war. Trotzdem, großen Respekt an Band und Mischer für diesen durchdringenden, satten Livesound. Und apropos Livesound: Schlagzeuger Martin Reckfort konnte mich ziemlich schnell als Fan gewinnen, war er ein verlässlicher Taktgeber auf hohem Niveau, der komplett frei von Theatralik seinen Job erledigte. Ein bisschen wie ein Fußball-Torwart, der einfach den Ball hält, anstatt eine Flugshow abzuziehen und sich danach viermal abzurollen.
Sänger und Gitarrist Hansol Seung war mit Beginn des ersten Taktes sofort da, schrie und sang, hämmerte auf Saiten ein und sprang über die Bühne. Mimik und Gestik verrieten volle Authentizität, Energie und Wut. Sein Shirt mit der Aufschrift „No one is illegal“ und der Regenbogen-Gitarrengurt verrieten die Werte des Mannes mit koreanischen Wurzeln. In einer kurzen Atempause wurde es zwischen zwei Songs gesellschaftskritisch, als Hansol sich fragte, weshalb Hardcore Shows bloß so wenig divers seien, obwohl die Szene selbst doch tolerant und für jede*n offen sei. Im Publikum weiße Männer, wohin das Auge reichte. Passenderweise hatten wir genau diese Frage vor Kurzem auch in unserem Interview mit den Punkern von Mischwald diskutiert (höre u.a. hier oder im Streaming). Wobei ich sagen muss, dass zumindest das Mann / Frau Verhältnis am Samstag nicht so vernichtend ungleich war, wie man(n) es durchaus gewohnt sein mag. Bzgl. BIPoc und Menschen mit Behinderung stimmte es allerdings. Leider.
Aber zurück zur Musik, die einen hörenswerten Mix aus Melodic Punk mit Emo-Einschlägen bereit hielt. Live fand ich die Kompositionen böser, als ich sie vom Album her erwartet hätte. Gut so! Meine persönlichen Highlights waren Distant und der rotzige Opener Sanctuary:
Ach ja, und Meat Free Youth gefällt mir allein schon inhaltlich ausgesprochen gut. Am Merch-Stand gab es das entsprechende Shirt zur Nummer: Meat is for losers!
Shoreline tourt noch bis in den Herbst hinein durch Deutschland (siehe hier). Am 21. Oktober sind sie als Headliner abermals in Bremen, Support: TIED (Location: Bürgerhaus Weserterrassen). Eine dringende Besuchsempfehlung sei hiermit ausgesprochen.
Silverstein Dann kurz verschnaufen an der frischen Luft, während der Umbaupause. Wetter immer noch gut, Baustelle vorm Tower immer noch unschön, wieder rein. Bierchen geholt, Lob an die Tower-Crew, wie immer schnell und freundlich. Zeit für den Hauptact.
Spätestens als die fünf Kanadier, unterstützt von Queens We Will Rock You Beat die Bühne betraten und die ersten Textzeilen aus Bad Habits, durch den Tower hallten, waren auch die letzten Zweifel, ob der Publikumszahlen beseitigt. Mit etwa 300 Zuschauern war der Tower verdammt nah an seiner Kapazitätsgrenze für Liveshows. Von jetzt auf gleich wurde die Band um Frontmann Shane Told frenetisch gefeiert. Es wurde gepogt, gesprungen, geklatscht und lauthals mitgesungen: Why do I keep chasing bad feelings? I keep breaking down. I never deal with it.Drown ‚cause I don’t wanna swim. I’m good with bad habits! Eindeutig: Die Menge war dankbar, dass Silverstein mal wieder über den großen Teich gekommen war.
hier ein „baugleicher“ Konzertstart aus Anaheim
Es dauerte nicht lange, da gestand auch Shane, wie gut es tut nach so langer Zeit zurück zu sein. Zurück in Deutschland (mit seinen, Zitat: „wertschätzenden Fans“) und überhaupt zurück auf der verdammten Bühne! „Denn dafür machen wir das!“ Und dass die Jungs Bock hatten, war zu erkennen. Musikalisch ging es tight und tief quer durch die elf Studioalben umfassende Diskographie (zählt man den Exoten „Short Songs“ mit).
Ein klares Highlight des Abends war ein ausladendes Medley, bestehend aus Passagen u.a. aus The Artist, Sacrifice, I Am the Arsonist und The Continual Condition. Über Social Media hatten sich während des Lockdowns offenbar sehr viele Fans diese und andere Songs für die nächste Setlist gewünscht und zack, wurde es knackig komprimiert umgesetzt. Hier sieht man: Die Fans werden gehört, selbst wenn sie weit, weit weg sind!
Hauptsächlich wurde jedoch das Anfang Mai frisch erschienene Album Misery Made Me bespielt, welches durchaus metal-lastiger daher kommt, als die Vorgänger. Der Stimmung war es absolut zuträglich. Stellvertretend sei hier Bankrupt genannt:
In meinen Ohren dabei absolut beeindruckend, wie präzise Shanes Stimme nach über 20 Jahren Bandgeschichte live noch immer funktioniert. Sowohl die Cleanvocals saßen – gerade in Verbindung mit der Stimme von Leadgitarrist Paul Marc Rousseau toll anzuhören – und auch die Screams sind weiterhin beeindruckend beängstigend. Hier findet ihr einen kleinen Bericht, wie Shane das Schreien erlernte.
Und da ich gerade im Lobhudelmodus bin: Paul Koehlers Schlagzeugspiel in Your Sword Versus My Dagger war naturgemäß eine unglaubliche Performance und Paul Marc Rousseaus Tapping bringt Smile In Your Sleep in meinen Augen – und Ohren – einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert.
Zwei weitere Highlights offenbarten sich in der Zugabe. Erst kam Shane ganz allein zurück auf die Bühne – eine Akustikgitarre vor dem Bauch – und lieferte eine intime Version von Aquamarine…
… ehe Silversteins Musikalität und ihr breit gefächertes Songwriting als gesamte Band in der Akustikversion des Songs Where Are You? vom 2020er Album A Beautiful Place To Drown unterstrichen wurde. Eine moderne Rockballade frei von Pathos und Schmalz:
Zum Rausschmiss wurde es dann nochmal schweißtreibend. Mit dem punkigen Doubleheader My Heroine und The Afterglow gab es ein letztes Mal links wie rechts auf die Fresse. Und nach dem Verklingen der letzten Töne war an jenem Abend vom Circle of Death bis zum Crowdsurfen alles dabei gewesen. Wunderbar!
Nachdem uns Silverstein also glückselig in die lauwarme Bremer Nacht – oder besser into the afterglow – entlassen hatte, folgte unmittelbar der erste Kulturschock: Direkt vor dem Tower zog eine ungesund gut gelaunte Gruppe Menschen vorbei, die aus voller Kehle „Skandal im Sperrbezirk“ mitgrölte. Auf den unerwarteten Schreck schlossen wir das Kapitel im nächsten Irish Pub. Und so endete der Abend, wie er angefangen war: Mit einem gepflegten Schreckbier! Auf Hardcore! Auf Rosi! Auf Hardcore Rosi!
Hipp, hipp, hurra konnte man da nur sagen, als ich ein paar Tage vor dem Konzert erfahren habe, dass ich tatsächlich noch zwei Ärzte Tickets für das SO36 zum Normalpreis bekommen kann (danke Philipp!!!). Auf meiner Bucket List stand immer noch:
Die Ärzte einmal in Berlin sehen.
Einmal den traditionsreichen Punkclub SO36 besuchen.
Beides darf jetzt abgehakt werden. Felix teilt meine Punkwurzeln und er bestätigt wieder, was ich im Podcast in unserem Ärzte Spezial über ihn gesagt habe (höre hier).
In bester Laune macht sich also die Hälfte des Wellenbrecherbereichs auf nach Berlin. Schnell im Hotel eingecheckt und mit der U8 zum Kottbusser Tor. Wir reihen uns in die schon recht lange Schlange ein und bekommen unsere Bändchen. So jetzt aber rein in den Club. Ein langer Gang vor uns, gleich rechts geht`s in eine kleine Bar. Über der Tür steht „Rauchen & Saufen“; scheint uns der geeignete Ort für ein erstes Kaltgetränk zu sein. Danach geht es den Gang runter in die Konzert-Area. Eine Bar direkt am Anfang auf der linken Seite, daneben gleich Merch und der Mann, der an seinem Pult sitzt und den Abend über für das richtige Licht sorgt. Auf der rechten Seite eine Rampe und ein Podest für Rollstuhlfahrer. Ein gemütlicher, „kleiner“ Club, der wohl bis zu 800 Leute fasst. Felix und ich wollen nicht gleich ganz nach vorne in den Moshpit, sondern suchen uns eine Stelle mit super Sicht, wo wir uns noch im gemäßigten Bereich wähnen.
Dann kommen die Ärzte auf die Bühne und beginnen in typisch ironischer Ärztemanier mit dem Song Gute Nacht. Ein Song, der natürlich eher ein letzter Song ist. Gute Nacht, wir sind die Ärzte, sagt zuhause es war sehr schön. Danach kommt Noise und der Wahnsinn bricht los. Ich werde sofort von hinten nach vorne gedrückt, sehe nur noch wie Felix seinen Bierbecher verliert und schon sind wir drin im Moshpit.
Wow, mit dieser Intensität habe ich nicht gerechnet. Ich merke gerade, dass ich die Ärzte seit Ewigkeiten nicht mehr in einer kleinen Location gesehen habe und bei den großen Konzerten, muss man ja gefühlt sechs Stunden vorher da sein, um so weit vorne zu stehen. Zum Glück gibt es bei den Ärzten auch immer jede Menge spaßige Ansagen und verrückte Ideen, gut zum Luft holen. Als aus dem Publikum Geschwisterliebe gefordert wird, fängt die Band spontan an, es in einer Ska Version zu spielen. Als sie diese abbrechen, flüstert Bela mit schelmischem Grinsen Farin etwas ins Ohr und es wird die Melodie von Geschwisterliebe gespielt, aber der Text von Claudia hat ´nenSchäferhund dazu gesungen. Zitroneneis bekommt ein In- und Outro im „Da, da, da“ Stil von Trio – die Älteren werden sich noch erinnern.
Nach einem Solo von Rod an der, aufgepasst, Flöte(!!!), merkt Farin an: „Der Kerl ist der Wahnsinn, beim ersten Konzert kommen nur ein paar schiefe Töne raus und nach dem vierten Konzert ist die Flöte das beste Instrument auf der Bühne.“
Auch die Texte werden, wie für die Ärzte typisch, mit aktuellem Bezug verändert. So singt Bela in Achtung Bielefeld:Aber ich denke, dass sich eine Mutter in Mariupol auch ganz gern mal langweilen würde. Bela und Rod bauen den Text von Der Afrovon Paul Breitner um und singen: Hätte ich das Konto von Boris Becker und den Geschäftssinn von Fynn Kliemann. Als Anastasia gespielt wird, geht Felix erstmal Bier holen. Wie in unserer Podcastfolge zu hören: Our Felix hates this Song (höre hier). Naja, hassen wohl nicht, aber nach seiner Meinung hätte es den Song auf dem Dunkel Album nicht gebraucht. Während der Zugaben wird noch das Lied FDJPunks von Soilent Grün, der Band, aus der später die Ärzte hervorgingen, gecovert. Die Band bedankt sich dabei beim SO, dass sie damals auch mit Soilent Grün hier schon spielen durfte.
Apropos Zugaben, ich stehe tatsächlich die meiste Zeit vorne drin, merke aber auch bei dem Song Junge, dass ich mehr oder weniger nur noch die Hände vorm Gesicht habe und rechts wie links einstecken muss, wie einst Axel Schulz in der 12. Runde. Nach 2,5 Stunden verabschiedet sich die beste Band der Welt mit Dauerwelle vs Minipli. Trotz allem ertappe ich mich dabei, wie ich denke: Ach schade, jetzt schon?! Ähnlich dem, was mein 8-jähriges Ich sagte, wenn meine Eltern mit mir nach sieben Stunden im Heide Park Soltau so langsam mal nach Hause wollten.
Die Setlist war für so ein kleines Clubkonzert genau richtig. Eine gute Mischung aus Hits, neuen Songs und unbekannteren Sachen. Waren alle Hits dabei? Einige haben sie bei den Setlists der Konzerte durchgetauscht, auf Schrei nach Liebe, Westerland und Zu Spät wurde komplett verzichtet. Vollkommen egal. Felix und ich sind zufrieden.
Ich merke nur, wie er mich etwas mitleidig anguckt, wahrscheinlich will er mir sagen, dass ich fertig aussehe, aber er verkneift es sich, denn Worte haben Kraft. Auch einer der neuen Songs, die heute wirklich richtig Spaß gemacht haben. Etwas kaputt ziehen wir unsere Jacken über unsere verschwitzten T-Shirts und verschwinden in das Dunkel der Kreuzberger Nacht.
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