Ich habe lange gewartet, einen Text zu diesem Album zu verfassen. Ein ganzes Jahr – Warum? Ich war nach dem ersten Hören ziemlich enttäuscht von der Platte. Das ist soweit nichts Ungewöhnliches. Je höher die Vorfreude, desto größer kann die Ernüchterung sein, wenn endlich eine neue Platte einer Band rotiert, die man lange erwartet hat und die man direkt nach der Ankündigung vorbestellte.
Sehr häufig muss man sich erstmal auf dem neuen Werk zurechtfinden. Mir gefällt das mittlerweile, weil es auch bedeutet, dass die Band eine Entwicklung durchläuft, dass sie nicht versucht ein ggf. erfolgreiches Vorgänger-Album zu kopieren, sondern für ihr neues Werk unter Umständen auch einige Änderungen vornimmt, dass sie neue Einflüsse einwirken lässt oder sogar einen ganz neuen Stil wählt.
Ein Stilbruch ist das neue Broilers-Album sicher nicht, aber es klingt in meinen Ohren schon anders als die Vorgänger bzw. setzt den Entwicklungstrend der letzten Platten fort. Und hier liegt der Grund, warum ich so lange mit dem Schreiben des Textes gewartet habe, ich habe mich bis jetzt nicht auf der neuen Platte der Düsseldorfer zurechtgefunden, ich finde einige Stücke oder Teile der Songs immer noch richtig grausam. Ich hatte einfach Angst, dass ich in meiner persönlichen Enttäuschung bei einer Rezension über diese Platte der Band und ihrer Absicht nicht gerecht werde. Ich habe mich dann erstmal ein wenig umgesehen und doch eine Menge sehr positive Statements und Rezensionen in (Online-) Magazinen gelesen bzw. in Podcasts oder Radioshows gehört und so fange ich auch mit zwei positiven Teilen an: erstens sind Cover und Artwork für mich eine glatte 1, zweitens sind Die Texte Sammy Amaras nach wie vor sehr gelungen. Ich mag es, dass die Broilers-Lieder sich erstens mit relevanten Themen beschäftigen, zweitens ein klares Statement enthalten und drittens trotzdem textlich nicht plump daherkommen, sondern weit überwiegend dazu animieren – teilweise dazu zwingen – zwischen den Zeilen zu lesen. Das hat mir beim vorab veröffentlichten Gib das Schiff nicht auf (siehe unten) bereits wieder gefallen und zeigt sich z. B. bei Dachbodenepisoden, Alles wird wieder OK oder Alice & Sarah sehr deutlich. Wenngleich es so ist, dass ich dabei inhaltlich gar nicht alle Aussagen der Songs teilen kann, das ist vor allem bei Diktatur der Lerchen und Nicht alles endet irgendwann der Fall.
Was mich insgesamt allerdings stört sind die Songstrukturen und die grundsätzliche Abmischung, die technisch zwar einwandfrei ist, aber offensichtlich mit der Prämisse, den Broilers etwas Härte zu nehmen, erfolgte. So denke ich, dass die gleichen Songs mit etwas weniger Kalkül und Akribie dafür mit mehr Instinkt musikalisch viel direkter, lauter und authentischer wären. Mir wirken viele Teile viel zu durchgeplant und sehr stark nachträglich aufgehübscht.
Auch die Ironie einiger musikalischer Passagen hat mich überhaupt nicht bekommen. Das betrifft das calypsomäßig mit Xylophonsounds angetüderte Lied Trink Mich Doch Schön und auch die in meinen Ohren billige und völlig unpassende Keyboardklimperei im Hintergrund bei An Allen Anderen Tagen Nicht.
Das Gesamtpaket klingt für mich nach dem Versuch, durch weniger harte Musik und mit auf Teufel komm raus aufs Mitsingen hingebogenen Refrains ein noch breiteres Publikum zu bedienen. Ich rege mich jetzt fast ein Jahr nach dem Erscheinen bei einigen Liedern immer noch über die zum Teil mit Schlagerschablone gezeichneten Pop-Rock-Songs wie Da Bricht Das Herz auf. An keiner nennenswerten Stelle wird hier auch nur ansatzweise über den Rand gemalt. Puro Amor bleibt für mich eine vertane Chance, die in der Bewertung dennoch nicht komplett durchrasselt, weil ich die Texte mag und sich am Ende dreieinhalb gute Songs finden lassen. Und weil ich die Band natürlich immer noch mag. Ja gut, dann hat mich die Platte halt nicht überzeugen können. Für den Einfluss auf junge und alte Menschen brauchen wir die klar platzierten Broilers auch weiterhin auf Festivals und in der Öffentlichkeit. Und wenn der Plan am Ende war, durch die unverfänglichere Musik mehr Radiozeit zu bekommen und damit mehr Leute mit den Statements zu erreichen, dann kann ich dem ganzen am Ende noch etwas Gutes abgewinnen. Und möchte somit dann schließen mit einem gelungenen Lied der Platte, die von mir trotzdem leider nur vier von zehn Wellenbrechern bekommt.