Foo Fighters – Medicine at Midnight (2021)

Now playing // 16.05.21 von Alex:

Wenn Dave Grohl und seine Mannen mit einem Album von sich hören lassen, sind Vorfreude und Erwartungen naturgemäß groß. Erscheinen sollte das Stück Musik bereits im letzten Jahr. Eine begleitende Tour, um einerseits das zehnte Studioalbum fleißig zu promoten und andererseits um gebührend das 25-jährige Bandbestehen zu feiern, war zudem geplant. Es hätte so schön werden können. Dann kam Corona. Release und Tour wurden verschoben.

Während Fans weiterhin auf Live-Futter verzichten müssen, ist zumindest Medicine at Midnight inzwischen erschienen. Zu meinem Geburtstag bekam ich im Februar von meiner Familie die CD geschenkt. Lange Zeit lief sie bei uns zuhause während diverser Indoor-Aktivitäten rauf und runter.

Um mir aber eine belastbare Meinung anzueignen, habe ich mir das Album natürlich auch ganz allein und ganz bewusst zu Gemüte geführt. Heute kann ich sagen: Der erste Eindruck bleibt. Ich höre gut komponierten und arrangierten Poprock, der niemandem wehtun will. Hörbar, ja klar, aber nicht mal in der Nähe des Wortes Meilenstein. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass diese Scheibe sehr bald in meinem CD-Regal verschwindet und dort verstaubt. Zum „Immer mal wieder Auflegen, weil gespickt mit Highlights“ ungeeignet.

Als der Funke also trotz Intensivbeschallung nicht so recht überspringen wollte, habe ich mich gefragt, ob ich der Band gegenüber vielleicht ungerecht bin und zu hohe Maßstäbe anlege. Über das aktuelle Biffy Clyro Album „A Celebration of Endings“ sagte ich schließlich auch, dass Poprock nicht per se zu verteufeln ist (hier die schriftliche Rezension dazu und hier unsere Albumbesprechung im Podcast).

Was gefällt mir also am neuen Foo Fighers Album?

Da wäre zum einen Waiting on a War. Eine zweifellos schöne Ballade:

Klingt sie musikalisch nach einer angenehmen Untermalung für das entspannte Sonntagsfrühstück, ist sie bei genauerem Hinhören weit mehr als das. Es geht, wie der Titel vermuten lässt, um die Angst vor einem Krieg. Eine diffuse Angst, die Dave schon als Kind verspürt hat. Heute geht es vor allem seiner Tochter Harper so, die ihrem Vater gegenüber ähnliche Gefühle ausgedrückt hat. Dave: „Dieser Song wurde für meine Tochter Harper geschrieben, die eine Zukunft verdient – wie jedes Kind.“ Eine wichtige Botschaft also, die allerdings so honigsüß verpackt ist, dass die Relevanz der Zeilen (fast) in der Viskosität kleben bleibt.

Auch der Opener Making a Fire hat mich gleich gefangen genommen. Taylor Hawkins haut einen seiner großartig flowenden 3/4-Hi-Hat-Beats raus und zeigt einmal mehr, wie gut er ist – wissen wir natürlich schon. Ansonsten: Ohrwurm, schöner weiblicher Backgroundgesang, bei dem auch Tochter Violet zu hören ist (endlich wieder gospel-poppige Na-Na-Na-Na-Nas), Daves Timbre: Ich fühlte mich auf angenehme Weise in eine warme Foo Fighters Decke gehüllt und freute mich über den groovigen Sound zum Eintieg mir der Hoffnung auf langsame Steigerung:

in dieser Live-Version ohne Violet als Backgroundsängerin

Die blieb aus. Das große Plätschern folgte.

Und der Rockfaktor? Die zweite Single No Son of Mine bietet durchaus Potential, aber irgendwie mit reduziertem Wirkungsgrad. Auf eine weitere „härtere“ Nummer wartet der Hörer/die Hörerin vergebens.

Fazit:
(Beinahe) alle neun Songs des Albums kann man sich anhören ohne ein dringendes Skip-Bedürfnis zu verspüren. Eine andere Bewertung wäre unfair, da die Foo Fighters einfach zu gute Musiker sind und Dave Grohl ein zu guter Songwriter. Bei dem hypnotisch monotonen Shame Shame, der ersten Single, ist es allerdings hart an der Grenze.
Zu keinem Zeitpunkt hatte ich den Wunsch, einzelne Lieder immer und immer wieder in Endlosschleife zu hören. In Summe bietet mir die Platte viel zu wenig Aha-Effekte. Um nicht zu sagen: Keine. Braver Poprock wohin das Ohr hört, es hätte schon Mehr sein dürfen. Dass die Scheibe mit etwas über 35 Minuten auch das kürzeste Foo Fighters Album bis hierher ist, kann ich daher leicht verschmerzen.

Wenn ich There is nothing left to lose* aus 1999 mit 10/10 Wellenbrechern als bandinterne Benchmark zugrunde lege, gebe ich für Medicine at Midnight wohlwollende

6/10 Wellenbrechern

PS: Hab dich trotzdem lieb, Dave!

* There is nothing left to lose ist das dritte Studioalbum der Foo Fighters. Während für viele Fans das zweite Album The Colour and the Shape (1997) mit Klassikern wie Monkey Wrench, My Hero oder Everlong der absolute Liebling ist, gehe ich mit diesem. Es ist für mich das noch stärkere und abwechslungsreichere Gesamtkunstwerk. Ich sage nur Learn to Fly, Breakout, Generator, Next Year…

#10 Das dreckige Dutzend (Komödie vs. Tragödie)

In unserer jüngsten Folge (#9 Komödie vs. Tragödie) haben wir eifrig über spaßige und/oder ernsthafte Musik diskutiert. Heute hat jeder von uns – in akustischer Erweiterung dieser Diskussion – drei wunderbare Songs im Gepäck: Von bekannten Klassikern bis hin zu den geheimsten Geheimtipps ist wieder alles dabei. Lachen, weinen, wütend sein: Hört rein und lasst uns unbedingt eure persönlichen Lieblinge wissen!

Unser dreckiges Dutzend mit der anschließenden Wellenbrecherbereich-Playlist zu den besprochenen Songs findet ihr hier:

The Pretty Reckless – Death by Rock And Roll (2021)

Now playing // 16.04.21 von Alex:

Im Podcast habe ich meine Sympathien für Taylor Momsens Stimme ja schon kundgetan. Ihre Range zwischen röhrendem Teufel und lieblichem Engel ist zum Zunge schnalzen. Nun endlich bringt sie mit ihrer Band The Pretty Reckless frisches Futter an den Start:
Death by Rock And Roll.

Los geht es gleich mit dem Song, der für den Albumtitel verantwortlich ist. Lauscht der aufmerksame Hörer den Zeilen, so läuft ihm oder ihr gleich ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn die noch 27-Jährige singt: On my tombstone when I go, just put “Death by Rock and Roll”. Ja, 27 Jahre jung, Rockstar, offen über den Tod singen… da gab‘s doch mal so`n Club?!

Kurzer Exkurs zur allgemeinen Beruhigung:
Vom zuckersüßen Reklame-Mädchen, über Jim Carrys Co-Star und Gossip Girl hin zur umjubelten Teenager-Rockröhre… viel Hype für ein so junges Leben. Außerdem verlor Taylor mit Chris Cornell (2017, Selbstmord) und Produzent Kato Khandwala (2018, Motorradunfall) binnen kürzester Zeit zwei enge Freunde. Tragödien, die sie in ein – Zitat: “komplett dunkles Loch aus Depression und Drogenmissbrauch“ zogen.  Doch das Schreiben neuer Songs, das Wiederentdecken der Musik der Beatles, das Aufnehmen des neuen Albums, all das, so sagt sie, sei der Grund, weshalb sie heute überhaupt noch hier ist. „Der Rock and Roll hat mein Leben gerettet“, so Taylor. Wir müssen uns also keine Sorgen (mehr) machen.

Zurück zum Album, welches also gar nicht depressiv daherkommt, sondern genau gegenteilig – lebensbejahend. Eine schwarze Scheibe aus Vinyl als erfolgreiche Selbsttherapie. Neben dem Opener, der ein “Schlachtruf auf das Leben“ in Anlehnung an Kato sein will, finden sich viele weitere wunderbar positive Songs auf dem Album.

Die opulente Mid-Tempo Nummer Rock and Roll heaven strotzt vor Spielfreude und ist ein absolutes Kleinod, welches jedem ein Lächeln aufs Gesicht zaubern sollte – eine Hommage an Taylors Vorbilder, u.a. eben die Beatles, und gleichzeitig ihr Dank – wie eingangs im Exkurs erwähnt.

Und der Einfluss, den der ebenfalls dort besungene Jim Morrison (schon wieder der Club 27!) auf sie hatte, wird in Turning gold mehr als deutlich, wenn Taylor singt: „For the light, for the light!“ Ich sag nur „L.A. Woman„: City of night, city of night! Gebt euch die beiden Passagen bitte mal direkt hintereinander. Mr. Mojo risin‘!

L.A. Woman als Referenz? Hört mal in beide Songs rein!

Dazu unverdünnter Hardrock mit griffigen Riffs wie in And so it went (ein Traum-Riff für jeden Gitarristen!), bei dem plötzlich ein allzu vertraut klingender Gitarren-Sound der ganzen Welt verrät, dass Tom Morello hier mitgroovt. Beim anklagenden Plädoyer des Kinderchors später im Song fühlte ich mich stark an Pink Floyd’s Another brick in the wall – oder – im Kosmos von The Pretty Reckless – an Heaven knows erinnert. Fett:

Apropos Gastmusiker: Kim Thayil und Matt Cameron von Soundgarden (Letzterer natürlich auch von Pearl Jam) sind auf Only love can save me now zu hören. Und da wir damit indirekt auch wieder bei Chris Cornell sind: Dieser wäre sicher stolz auf den Song 25 gewesen, der alles besitzt, was einen James Bond Song ausmacht. Zwar kein neues „You know my name“, aber vielleicht seine kleine Schwester.

Ein komplett rundes Album bedient natürlich auch die Freunde der Power-Balladen. Diese kommen bei  Got so high (fühlt sich hier noch jemand an „Fade into you“ von Mazzy Star erinnert?) und Standing at the wall (Taylors Stimme: Einfach nur Wow, und sogar mit Orchester) auf ihre Kosten.

Mein einziger Kritikpunkt und das ist witzigerweise der gleiche Kritikpunkt, den auch Felix in seiner Rezension über das neue Architects-Album hatte, ist die merkwürdige Reihenfolge der Songs. Oder es handelt sich um eine dramaturgische Reise der Band, die sich einem Außenstehenden nicht erschließt? Ist die erste Hälfte gespickt mit Rocknummern, wird es im zweiten Teil deutlich ruhiger, ja sogar country-esk. Da hätte der Reihenfolge mehr Ausgewogenheit und Abwechslung gut getan.

Aber abgesehen davon haben The Pretty Reckless hier zur Trauerbewältigung ein fettes Brett vorgelegt. Wie Felix ganz richtig in unserer letzten Podcast Folge bei der Deftones-Besprechung anmerkte, mag man manchmal gar nicht glauben, dass es Menschen gibt, die ein Album komplett anders wahrnehmen, als man selbst. Deshalb hier meine ernst gemeinte Frage: Wer von euch findet dieses Album nicht gelungen und welche Gründe sollte es dafür geben?

Abschließend stellt sich mir noch die allerletzte, wohl nicht zu beantwortende Frage, weshalb Taylor eigentlich auf zwei von vier Studioalbumcovern nackt zu sehen sein muss?! Ja, Sex sells, aber gute Musik auch.

8,5 von 10 Wellenbrechern

#9 Komödie vs. Tragödie

Inhalt:
Musiker*Innen werden gehört. Sie sind Vorbilder und Stilikonen. Sind sie aber deshalb in der Pflicht, Ungerechtigkeiten laut und deutlich anzuprangern? Oder sind sie – wie der persönliche Hofnarr des Königs – eher dazu da, gute Laune zu verbreiten und für Lacher zu sorgen? Heute widmen wir uns voll und ganz der einfachen und zugleich schwierigen Frage: Komödie oder Tragödie – was darf‘s denn sein?

Wie immer ist unser Hauptthema eingebettet in die weiteren Rubriken Tipp aus‘m Pitt, Albumbesprechung (heute: das aktuelle Deftones-Album Ohms) und Abschlußquiz (heute Alex vs. Felix; Anmerkung: Alex‘ Antworten sind durch die Übertragung etwas zeitverzögert). Und jetzt legen wir mal los, endlich! Denn wir brennen schon mit den Hufen…

“Tipps aus`m Pit” zum Nachbetrachten (aus #9)

Alex: Frank Iero and the future Violents – Heaven is a place – This is a place:
EP. VÖ: 2021. Label: UNFD
Der Gitarrist von My Chemical Romance endlich wieder auf Solopfaden: Frisch, verspielt, kompromisslos! Und ein R.E.M. Klassiker ist auch mit dabei! Hier aber eine Nummer aus Frank Ieros Feder:

Auch das bereits 2019 erschienene Album Barriers ist nichts anderes als fantastisch.
Von 1 bis 14 ein toller Mix aus Freude, Wut und Melancholie.

Bei den Future Violents auch mit dabei Kayleigh Goldsworthy, Multi-Instrumentalistin (u.a. Geige, Gitarre, Keyboards). Ihre eigene Musik ist etwas ruhiger, aber auch hörenswert:

Felix: Psychonaut – Unfold the God Man. LP. VÖ: 2020. Label: Pleagic Records
Dieses Trio stammt aus Belgien und hat nach zwei EPs (24 Trips around the sun und Ferocious Fellowman auch ihre erste LP zunächst in Eigenregie unter die Leute gebracht. Nun ein zweiter, label-unterstützter Anlauf. Auf dieser brachialen LP wird über neun Songs und beinahe 70 Minuten Spielzeit (!) gerockt und geproggt, was das Zeug hält. Sehr empfehlenswert und ein absoluter Geheimtipp. Noch! Der perfekte Puzzle-Soundtrack oder was sagt ihr?

Gerrit: Kings of Leon – When you see yourself. LP. VÖ: 2021. Label: RCA Records
Es darf auch mal Musik sein, die man auflegt ohne penibel auf jeden Ton und jedes Wort zu achten. Einfach anmachen, hören, gut fühlen, grinsen. Die Kings of Leon können genau solche Momente schaffen, auch mit ihrem neuen Album. Die geborene Liebe.

 Aber auch ihr Album Walls hatte diese positive Eigenschaft inne, hier Gerrits Empfehlung daraus – Find me: 

Marco: Uncle Acid & the Deadbeats – Blood Lust
LP. VÖ: 2012. Label: Killer Candy Records

Wer auf  den Garagensound der 60er und den Hardrock der 70er mit einem Schuss Psychodelic und Blues steht, ist hier goldrichtig.

Rock in seiner puren Form. Macht jemand Marco einen guten Preis für die Vinylscheibe? 🙂 Schreibt uns an!