Im Wellenbrecherbereich geht nichts verloren, außer vielleicht mal ein nicht akkurat geschnürter Sneaker – oder eine verantwortungslos lockere Brille: In meinem Genuary Tipp 4/31 aus 2022 (In This Moment mit Maria Brink) bat ich, euch den Namen Lzzy Hale zu merken und zack, fast genau ein Jahr später schreibe ich schon von ihr und ihrer Band Halestorm. Ich weiß, kein Geheimtipp (Grammy ausgezeichnet, Silber (UK) und Platin (USA) fürs zweite Album erhalten) und auch kein neuer heißer Scheiß (das selttitled Debüt ist aus 2009), aber doch eine Truppe, um die es ruhiger zu werden schien. Deswegen hieß es 2022 auch ganz griffig Back From The Dead, als nach vier Jahren Abstinenz das fünfte Studioalbum das Licht der Welt erblickte. Das Warten hat sich gelohnt:
Dabei ist „Lzzy“, die eigentlich Elisabeth Mae Hale heißt, nicht nur singende Frontfrau, sondern auch passionierte Gitarristin und in ausgewählten Songs auch am Piano zuhause. Besonderen Spaß scheinen dem Multitalent neben dem Engagement in der eigenen Band, Features und Gastauftritte zu machen. Stone Sour, Machine Gun Kelly, Alter Bridge, Black Stone Cherry… die Liste der Partner ist lang. Andersherum blieb mir damals Halestorms Break In im Gedächtnis, in der Amy Lee von Evanescence zum Duett geladen wurde:
Ein Aspekt, der Halestorm und vor allem Lzzy, so besonders macht, ist das gekonnte Spiel zwischen kompromisslosem Hardrock und balladesken Emotionen auf gesanglichem Topniveau. Ob es nun Songs sind wie der eben genannte Break In oder auch Dear Daughter: Lzzy bleibt authentisch und auf beiden Parketts behände.
Aus der Rubrik „Expeditionen über den Tellerrand“ möchte ich euch heute die wunderbare Leyla McCalla vorstellen. Die 37-Jährige wurde als Tochter haitianischer Einwanderer in New York geboren und von Kindesbeinen an aktivistisch geprägt. Ihr Vater war bis 2006 der Geschäftsführer der National Coalition for Haitian Rights, ihre Mutter gründete eine Menschenrechtsorganisation gegen häusliche Gewalt und ihr Opa, Ben Dupuy, betrieb die Haïti Progrès, eine sozialistisch-haitianische Zeitung mit Sitz in New York. Leyla selbst wuchs hauptsächlich auf der südlichen Seite der Bay – im nahegelegenen New Jersey – auf und ging dort zur High School. Als Teenager verbrachte sie zwei Jahre in der Ghanaischen Hauptstadt Accra.
Nach einem Jahr am Smith College ging es flugs weiter an die New York University, um dort Cello und Kammermusik zu studieren. 2010 wechselte sie ihren Wohnort und zog mit ihrer eigenen Familie in die jazzige Hochburg des Landes – ins Big Easy names New Orleans. Dort – vermehrt auf den Straßen des French Quarters – probierte sie musikalisch einiges aus. Zudem war sie ein erweiterter Teil der afroamerikanischen Stringband The Carolina Chocolate Drops (mit der nicht minder beeindruckenden Rhiannon Giddens). 2011 erhielt die Combo einen Grammy für das beste traditionelle Folkalbum des Jahres (Carolina Chocolate Drops and Luminescent Orchestrii).
Bis heute verbindet Leyla politischen Aktivismus und den Kampf gegen Ungleichheit und Rassismus mit ihrer geschichtsträchtigen Musik. In ihrem 2019 erschienenen Soloalbum Capitalist Blues – ihr bereits drittes und für mich eines der besten Alben des Jahres 2019 abseits des Rocks – ist der Name Programm. Textlich wird hier ohne viel Federlesens klar gemacht, was die talentierte Multiinstrumentalistin, die neben dem Cello u.a. auch Banjo und Gitarre spielt, von der Gier unserer westlichen Welt hält:
If a man has money today People don’t care if he has coco peat?? He can commit murder And get off free Live in a governor’s company But if you are poor People tell you: Shu! A dog is better than you
Die beißende Kritik ist gekonnt eingebettet in traditionelle und gleichzeitig moderne karibisch-kreolische Jazzklänge, zugedeckt mit einer Prise bluesiger Melancholie:
Mein persönliches Albumhighlight aber ist ein anderes: In der bleischweren Ballade Heavy As Lead geht es um die Sorgen einer Mutter, die mir ihrem Kind in den viel zitierten prekären Verhältnissen lebt, immer in Sorge, die Miete nicht zahlen zu können, immer in Habachtstellung, kaum Hoffnung aus eigener Kraft da rauszukommen:
This old house might swallow us whole Begins with our family and soon it comes ‚round to our soul We’re trying to grab ‚hold of what we can’t control Always living here on the edge And that little heart, so full and complete Doesn’t worry ‚bout making ends meet As the dust is settling on every street I am filling up with dread That’s got me feeling, feeling Heavy as lead
Auch in ihrem neuesten Album – veröffentlicht im Mai 2022 – nimmt sich Leyla den Themen an, die oft im Verborgenen schlummern und mehr Gehör verdienen. Breaking The Thermometer To Hide The Fever behandelt die filmreife Geschichte des ersten privaten kreolischsprachigen Radiosenders in Haiti (Radio Haiti-Inter) und thematisiert damit auch eindrücklich die immensen Gefahren, denen sich die damals Beteiligten aussetzen mussten. Es geht um freie Meinungsäußerung, um Identität, um Standfestigkeit und Mut. Herausgekommen ist mehr als ein Stück Musik, das die Hörer*innen einfach mal „weg-konsumieren“. Vielmehr handelt es sich um eine vertonte, mit Musik gewürzte Dokumentation. In den Songs gibt es neben Leylas zerbrechlichen Melodien immer auch Interview-Ausschnitte der involvierten Personen zu hören. Was für eine tolle Idee!
Interessierte finden auf der eigens eingerichteten Website weitere Details zum Projekt (klicke hier).
Neue Musik zu entdecken ist doch immer etwas Wunderbares! So geschah es mir vor einigen Monaten mit den Black Mirrors. Die Belgische Band um Sängerin Marcella Di Troia, die im Jahr 2013 – damals noch in anderer Besetzung – die Band gegründet hat, wandelt zwischen groovigem Blues und tightem Hardrock. Schon auf ihrem Debütalbum Look Into The Black Mirror (2018) gibt es diverse Songs, die im Ohr hängen bleiben, so z.B. das chicago-eske Till The Land Wind blows:
Und eine Evolution im Laufe der Jahre ist deutlich festzustellen, kommt das vor zwei Monaten erschienene Nachfolgealbum Tomorrow Will Be Without Us deutlich dreckiger um die Ecke, weniger Blues, mehr metallähnlicher Rock. Di Troias kraftvolle Stimme bleibt dabei das wichtigste Markenzeichen und Aushängeschild der Band:
Das vermutlich letzte Mal wollen wir den Januar nutzen, um euch gezielt Frauen in der Musik vorzustellen. Das können Sängerinnen sein, die uns begeistert haben, oder Instrumentalistinnen, Songwriter, All-Female-Bands, Produzentinnen und und und.
Nach Beendigung dieses Genuarys werden wir dann über drei Jahre insgesamt 93 Genuary Tipps rausgehauen haben (unsere weiblichen Tipps aus’m Pit nicht mitgerechnet). Die Tipps aus den Vorjahren findet ihr hier:
Das Jahr klingt aus und im Wellenbrecherbreich wird ein letztes Mal so richtig gerockt. Denn heute präsentieren wir euch unsere 4×3 besten Songs des Jahres und dabei – so viel darf wie immer verraten werden – geben die Hörproben reichlich Anlass zum Kopfnicken. Einmal wegen der Intensität der Musik, einmal um unsere Auswahl beifällig abzunicken. Dabei dürfen natürlich auch zärtere Töne nicht fehlen. Wie immer findet ihr die komplette Playlist “Best of 2022“ – bestehend aus zwölf Songs – auf unserem YouTube Kanal unter der Rubrik Playlists. Klickt euch bei der Gelegenheit am besten auch gleich durch die älteren Best ofs…
Ja, und abschließend wollen wir an dieser Stelle einmal Danke sagen: Danke für eure Treue, für euer Feedback, die immer nette Kommunikation und natürlich für eure Vorschläge zum Community Song des Jahres! And the winner was: Deine Cousine – Ich bleib nicht hier.
Wir wünschen euch einen guten Rutsch ins neue Jahr! Bleibt gesund, habt euch lieb!
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