Wildecker Herzbuben – Herzilein (1990) – Wettschuldeinlösung

von Alex

Tracklist:
Herzilein
Ist das nicht himmlisch
Oben auf der Hütte
Ich lieb‘ dich immer noch
Wach‘ auf, der Frühling klopft
Weil wir Freunde sind
Hallo, Frau Nachbarin
Dann träum‘ ich mir die Sorgen weg
Dann schmeckt die Maß doppelt so gut
Ich fange deine Tränen mit meinem Herzen auf
Rück‘ ein bisschen näher
Geh nicht mehr fort

Nein, wir sind nicht völlig wahnsinnig geworden – das waren wir schon immer. Aber Spaß beiseite: Dass ich hier und heute das Debütalbum des nordhessischen Volksmusiker-Duos rezensiere, liegt einzig und allein daran, dass ich in unserer Folge #77 (Trends & Hypes in der Musik; höre im Stream oder hier) das Abschlussquiz verloren habe. Und Wettschulden sind bekanntlich Ehrenschulden.

Im Laufe der Jahre musste ich für den Wellenbrecherbereich bereits einige Bestrafungen erleiden, aber diese hier war ganz besonders schmerzhaft. Das Reaction Video auf den Song Herzilein war zum lockeren Einstieg ja noch in Ordnung – siehe hier:

Doch was das Liedchen bereits andeutete, vollendet das gleichnamige, platinausgezeichnete Album in erschreckend konsequenter Präzision. Vorab: Natürlich war mir bereits vor Abspielen des ersten Tons klar, dass mich hier keine musikalischen oder textlichen Leckerbissen erwarten würden, aber dass wir im Prinzip mit schlichtesten Keyboard-Kompositionen, bei denen der Songwriter offenbar – ähnlich wie Marco, Felix und ich als Kinder auf unseren kleinen Casio-Geräten -, an der richtigen Stelle einfach den Fill-In- oder den Abschlussdrumfill-Knopf gedrückt hat, ist schon erstaunlich primitiv und uninspiriert.

Die Wildecker Herzbuben – Mötley Crüe der Volksmusik
Damit ist musikalisch alles gesagt. Und textlich sind wir gar nicht so weit weg vom frauenfeindlichen Gehabe namhafter Rockbands der 80er und 90er. Guns n Roses oder eben auch Mötley Crüe.

Nur statt Gitarrensoli gibt’s nervtötende Akkordeon- und Trompetenmelodien vom Keyboard, statt Lederjacken, Ledertrachten. Die Botschaft indes ist eine ähnliche: Ob nun Herzilein, Hallo, Frau Nachbarin oder Rück‘ ein bisschen näher: Die Herzbuben Wilfried Gliem und Wolfgang Schwalm wandeln mit ihren Künstler Alter Egos zwischen sexueller Nötigung, Stalking, Fremdgehen und Ehebrechen. Nice!
Und überhaupt: Wach‘ auf, der Frühling klopft, Rück‘ ein bisschen näher, Geh nicht mehr fort – als Partnerin eines Herzbuben hat man in der Diktatur des Imperativs ganz schön vielen Befehlen Folge zu leisten.

Konkret zu Herzilein habe ich mich ja im Reaction-Video geäußert. Ein Song, der damals sicher niemandem wehtun wollte, aber der doch ein katastrophal rückständiges Bild der Frau zeichnet. Pearl Jams Better Man (1994) setzt den Schwerpunkt der Geschichte da eindeutig fortschrittlicher. Der Mann nicht als „Opfer“ seiner eigenen Feierwut, sondern als Täter:

ja, natürlich ist die im Recation-Video gezogene Parallele mit einem Augenzwinkern zu versehen, dennoch… passt schon!

Weitere Themen
Dem nicht genug wird in vielen Songs – ebenso parallel zu vielen Rockbands – deutlich: Einen Hang zum Alkohol hat das Schlager-Duo auch (exemplarische Referenzen: Herzilein, Hallo, Frau Nachbarin, Dann schmeckt die Maß doppelt so gut)!

Doch selbst wenn jene Klischees mal kurzzeitig verlassen werden, bleibt es schlimm. Es folgen die nächsten erwartbaren Plattitüden: Erst Naturverbundenheit (Wach‘ auf, der Frühling klopft) und direkt anschließend Männerfreundschaft (Weil wir Freunde sind). Spätestens hier wünscht man sich die Stockfoto-Lyrik von ZSK oder den Broilers zurück (höre unsere Folge #57 hier ).

Im zuletzt genannten Song stellen wir fest: Bei den Herzbuben stammen sogar die Pfeif-Arrangements aus der Konserve. Ganz abgesehen davon wissen doch alle, dass einzig und allein Mike + the Mechanics bitteschön ein Monopol auf großartig melodiöses Pfeifen haben:

Sonstige Schmankerl?
In Ich lieb dich immer noch besingen unsere Trachten-Casanovas eine Ex-Freundin, die sie unbedingt zurückgewinnen wollen. Denn natürlich ist die Angebetete beim Falschen gelandet. So kommen sie auf die glorreiche Idee, der „Abtrünnigen“, die auf dem Markt Blumen verkauft, Achtung jetzt kommt’s: Blumen zu schenken. Da muss man auch erstmal drauf kommen. Vielen Dank für die Blumen! Udo Jürgens würde sich im Grabe umdrehen.

Fazit
Böse gesprochen könnte man Herzilein einen musikalisch primitiven Soundtrack für angetrunkene Incels nennen. Bettet man das Album jedoch in seinen zeitlichen Kontext ein, bin ich gnädiger. Beim digitalen Abspielen vieler Hörspiele aus lange vergangenen Dekaden gibt es inzwischen Disclaimer, die darauf hinweisen, dass die Sprache, die benutzt wurde, damals wie heute zwar teils diskriminierend war, aber dass die Aufnahme eben ein „Produkt seiner Zeit“ war. All dies möchte ich den Wildecker Herzbuben und ihren Produzenten und Komponisten selbstredend auch zugestehen (gut, Peter Alexander fand den Song Herzilein Ende der 80er schon problematisch und wollte ihn nicht singen!). Klammert man das rückständige Frauenbild, das hier in Neonfarben gezeichnet wird, mal aus, bleibt das Album musikalisch wie textlich eintönig, schlicht und lieblos. Bewertung unmöglich. Drumfill – Schluss!

Steven Wilson in der Sporthalle Hamburg, 3.6.2025

von Alex

Ihr habt es mitbekommen: Ich feiere die Musik von Steven Wilson im Podcast schon lange ab (höre zum Beispiel hier), aber was der Engländer da gestern in Hamburg abgerissen hat, war nicht mehr von dieser Welt – und damit sind wir auch schon voll im Thema.

Musik zum Abheben
Das aktuelle Album Wilsons als Solokünstler – The Overview – wurde als Konzeptalbum angelegt. Und es ist so sperrig wie verrückt geworden. Wir hören hier zwei unendlich lange Songs (Objects outlives us und The Overview), die uns auf eine Reise ins Weltall mitnehmen. In Anlehnung an David Bowie fragt er: Gibt es Leben dort? Und genau diese Reise durften die Wilson Fans gestern live erleben. Für die Passagiere war die komplette Sporthalle – also auch der Innenraum – bestuhlt, was für eine Rockshow erstmal gewöhnungsbedüftig anmutet. Dann noch die Glockenmelodie im Foyer, die den „Flugstart“ ankündigt und wir fühlen uns plötzlich wie im Theater. Und wer sich vorab nicht mit der Idee hinter Wilsons Tour beschäftigt hat, dürfte schnell mit offenem Mund auf seinem Stuhl gesessen haben: Nicht nur spielte er quasi das komplette Album mit seiner kongenialen Band ansatzlos on point runter (über 40 verdammte Minunten ohne Pause!), das Spektakel wurde zu einer Art audiovisueller Installation, da jeder einzelne Ton eingebettet war in wunderschön kreierte Videosequenzen zum Thema Weltall, gezeigt auf einer gigantischen Leinwand über der Bühne in bestechender Auflösung. Jeder Ton saß, musikalisch wie gesanglich, jeder Effekt traf ins Mark (zumindest fast, gleich mehr!) und war perfekt mit den Bildern abgestimmt. Wer selber Musik macht, weiß, was das für eine Mummutaufgabe und Leistung ist. Wilson ist nicht nur ein autodidaktischer Multiinstrumentalist, er ist ein Sound-Farmer, ein Ton-Flüsterer – selten bis nie habe ich ein Live-Konzert gehört, in dem jedes noch so zarte Tönchen kristallklar und in seiner richtigen Dramaturgie erklang. Überragend. Beschreibe ich mit Worten das Hör-und Sehrerlebnis versuche ich es mit: Die Acid-Beatles „in the sky“ with Diamonds. Danach Pause – für die Band nach gut 40 Minunten „ridicoulsy complicated music“ am Stück (Zitat Wilson) und für die auf die Erde zurückgekehrten Passagiere.

Der zweite Teil: Quer durch die Vita ohne „Best Of“ Nostalgie
Apropos „ridiculously complicated“: Die Choreographie zwischen Musik auf höchstem Niveau und farbgewaltigen Bildern erinnerte an Tool, doch während die Kalifornier auch zwischen den Songs wortkarg bleiben, zeigt sich Wilson nach Beendigung der Raumfahrt in der zweiten Halbzeit gut gelaunt und witzig. Einer Frau, die ihm zurief, sie sei bereits auf 17 Konzerten der Tour gewesen zu sein, erwidert er, er sei ein wenig enttäuscht, da sie ja offenbar sechs Show verpasst habe. Dann fragt er, wer denn quasi „versehentlich“ bei ihm gelandet sei – als Anhang des eigentlichen Fans. Als sich ein paar Menschen melden, ermutigt er, „seid ehrlich: Wer fragt sich, ob unsere Band eigentlich auschließlich 30 Minuten lange Songs spielt, die eben auch noch „ridiculously complicated“ sind? Für all diejenigen, die sich grinsend melden, soll der nächste Song sein: Eine radiotaugliche Wilson-Nummer. Doch dann der Schock: Das Pedalboard des Chefs streikt und selbst der Tontechniker kann die für den Song benötigten Effekte nicht wieder zum Leben erwecken. Der Song, es wird nicht erwähnt welcher es gewesen wäre, muss ausfallen – der klare Nachteil, wenn eine Show komplett durch choreographiert ist. Ich schätze, es wäre Pariah gewesen, das so radiotauglich ist, das Wilson mit Ninet Tayeb (auch schon in Podcast und Blog erwähnt; lese hier), mit der Nummer 2017 sogar im ZDF Morgenmagazin auftrat:

Nachdem der Mainstream am gestrigen Abend also ausfällt, geht es weiter progrockig durch Wilsons Schaffensvita. Er erklärt, dass er seine Band Porcupine Tree damals als One Man Band gegründet hat, und dass die Bandmitglieder erst deutlich später dazukamen – wie bei Grohl und seinen Foo Fighters. Aus dieser Anfangszeit werden zwei Songs gespielt (Voyage 34 und Dislocated Day), ehe auch Solo Wilson Songs präsentiert werden, ein absolutes Highlight dabei: Impossible Tightrobe, bei dem Wilson attestiert, dass sein Credo sei, „immer der schlechteste Musiker in seiner eigenen Band zu sein“ und dass diese Nummer an dem Abend für ihn die schwierigste sei und er sie ganz sicher „versauen“ würde. Ich schätze es ging hier um die unfassbar hohen Gesangspassagen, die aber mit Bravur gemeistert wurden. Und so absurd es klingen mag, war Wilson neben seinen vier Kollegen wahrscheinlich wirklich der „schlechteste“ Musiker auf der Bühne, aber ziemlich sicher der mit Abstand beste Komponist.

So vergeht der Abend, der mit einer sehr weiten Reise begann und in einem Diskographie-Picking endete, wie im – Achtung – Fluge. Als die Musik immer stärker beginnt zu rocken, hält es auch die Fans nicht mehr auf den Schleudersitzen. Nach der letzten Nummer gibt es folgerichtig Standing Ovations (siehe Foto oben), bis die Band für zwei letzte Songs auf die Bühne kommt. An dieser Stelle freut sich Wilson, dass er eben keine klassischen „Best Ofs“ hat und er zum Abschied spielen kann, was immer er möchte. Bei Guns n Roses und Lynyrd Skynyrd sei das anders. Und so hat seine allerletzte Nummer auch irgendwie mit einem Free Bird zu tun: The Raven that refused to sing – begleitet vom animierten Video des alten Mannes, der um seine als Kind verstorbene Schwester trauert – lässt den Saal nochmal mucksmäuschenstill werden und ich blicke mich um, ob irgendwo irgendwer Zwiebeln schneidet.

#78 Godsmack – Lighting Up The Sky (2023)

Endlich zurück, liebe Musikmenschen! Das unerträgliche Warten hat ein Ende. Und weil unsere Albumbesprechungen immer besonders gut bei euch ankommen, legen wir direkt nach mit dem aktuellen Werk der US-Amerikaner von Godsmack, deren Musik, das wissen wir aus erster Hand, durchaus polarisiert. Gegründet 1995 ist “Lighting Up The Sky“ (2023) das bereits achte Studioalbum der Bostoner Jungs um Sully Erna. Was hat sich seit dem self titled Debüt getan? Wie bewerten wir Sullys Texte? Und klingen Godsmack noch immer wie der vorbestrafte Bruder von Three Doors Down? Hört jetzt rein!

#77 Trends und Hypes in der Musik

Endlich zurück aus der Sommerpause mit einem, wie sollte es anders sein, brandheißen Thema: Wo sind sie hin, die musikalischen Hypes dieser Welt? Ein Rückblick, ein Ausblick, ein Wünsch-dir-was: In der neuen Folge bleibt (fast!) keine Frage offen. Sogar Miley Cyrus‘ Pipi und der heiße Draht der Wildecker Herzbuben nach Hollywood finden Erwähnung. Oder haben wir eurer Ansicht nach doch noch etwas Wichtiges vergessen? Sagt Bescheid! Abschließend wie immer ein schönes Mitratespiel für die ganze Familie: Trend or Prank?! Hört unbedingt rein!

Telegraph Fidelity

von Alex

In der Welt der „vinylophilen“ Popkultur-Romane hat sich für mich ein Werk besonders hervorgetan, das bereits in unserem Podcast Erwähnung fand (höre hier) und nochmal einen „kleinen“ Bruder bekommen hat. Die Rede ist natürlich von High Fidelity von Nick Hornby aus 1995 und Telegraph Avenue von Michael Chabon aus 2012. Beide Romane erkunden auf ihre eigene Weise die Dynamik von Freundschaft und Musik im urbanen Leben. Doch inwieweit sind sie wirklich miteinander vergleichbar?

Telegraph Avenue
Michael Chabons Telegraph Avenue entführt uns in die pulsierende Atmosphäre von Oakland, Kalifornien, in der zwei Männer, Archy Stallings und Nat Jaffe, ihren eigenen Plattenladen, Brokeland Records, betreiben. Ihre Bindung wird nicht nur durch ihre Liebe zur Musik, sondern auch durch familiäre und geschäftliche Herausforderungen auf die Probe gestellt. Chabon webt geschickt eine Erzählung, die die Vielschichtigkeit des modernen Lebens in einer gentrifizierenden, diskriminierenden Stadt einfängt. Mit tiefsinnigem Humor und einer Flut von musikalischen Anspielungen (gleich mehr) zeigt er, wie Identität und Kultur miteinander verbunden sind.

High Fidelity
Nick Hornbys High Fidelity spielt im London der 90er Jahre und erzählt ebenfalls die Geschichte eines Plattenladenbesitzers (Championship Vinyl), Rob Fleming – im gleichnamigen und ebenso großartigen Film übrigens Rob Gordon, gespielt von John Cusack. Wichtig zu betonen: High Fidelity ist in Ich-Form geschrieben und treibt durch seine introspektiven Monologe die Handlung voran. Es dreht sich hauptsächlich um die Höhen und Tiefen von Flemings Liebesleben, während er Top-5-Listen von allem erstellt, was ihm in die Quere kommt. Gleich zu Beginn auf wunderbar neurotische Weise sogar die Top 5-Trennungen.

Hornby schreibt mit einem scharfen, ironischen Ton, der die männliche Psyche in der Midlife-Crisis bloßlegt. Sein London ist ein Mikrokosmos der Musik-Obsession und der Versuche, das Leben durch die Rillen von Vinylplatten zu verstehen. Der Stellenwert von Musik wird hier doppelt unterstrichen (Spoiler: Bald werden wir auch im Podcast über das Thema Musikkonsum und -wichtigkeit sprechen!). In einer Szene stellt sich Fleming vor, er würde gar Beziehungstipps vom Boss persönlich, von Bruce Springsteen, erhalten:

Show a little faith, there’s magic in the night
You ain’t a beauty, but hey, you’re alright
Thunder Road

Hornbys Werk brilliert durch seine unmittelbare und oft humorvolle Herangehensweise an die Lebensrealitäten der männlichen Generation X.

Unterschiede
Wo also liegen die Parallelen und Unterschiede zwischen beiden Werken? Beide Autoren erforschen die Männerfreundschaft in der Welt der Musik, jedoch mit ganz unterschiedlichem Fokus. Während Hornby sich auf die persönliche Reife und die Unfähigkeit, erwachsen zu werden, konzentriert, betont Chabon die sozialen und ethnischen Spannungen in einem sich wandelnden urbanen Umfeld.

Telegraph Avenue will dabei zu viel und weiß deshalb nicht immer, was es sein will. Klar, das Buch ist mit knapp 670 Seiten etwa doppelt so dick wie High Fidelity und bietet somit mehr Raum. In der Tiefe der Charakterentwicklung und der atmosphärischen Darstellung überragt Telegraph Avenue. Chabon kombiniert geschickt historische und soziale Themen mit eindrucksvoller Erzählweise, die sowohl einfühlsam, als auch unterhaltsam ist. Kritisieren könnte man indes, dass sich der Autor bei den vielen geöffneten Baustellen und Themengebieten verzettelt. So ist das Buch mal Gangsterklamotte in den zeitlichen Rückblenden zu Archie Stallings Vater, mal Gesellschaftsstudie in den Passagen mit Jaffes und Stallings Frauen, die gemeinsam als Hebammen arbeiten (ich war noch nie so nah bei einer Hausgeburt dabei, extrem stark geschrieben!) und mit Rassismus zu kämpfen haben (Archie Stallings Frau ist schwarz und im Übrigen selbst hochschwanger) und mal Coming of Age (Jaffes Sohn Julius ist dabei sich und seine sexuelle Orientierung zu finden). Dabei werden der Plattenladen und seine bedrohte Existenz, die immer wieder eingeworfene Musik und die absolut kultigen Tresengespräche im Laden (zu) weit in den Hintergrund gedrängt.

Apropos Musik
Bei der Musik gehe ich mit High Fidelity, aber nur knapp. In Chabons Werk lernen wir einen Plattenladen kennen, der sich auf anspruchsvollen Jazz spezialisiert hat, was zumindest meinen Horizont enorm erweitert hat. Wir lesen sowohl weltberühmte Namen wie Marvin Gaye, James Brown, Herbie Hancock oder John Coltrane, als auch eher unbekanntere wie Sun Ra oder Ornette Coleman (unbekannt zumindest für einen Rockmusik-Fan wie mich -Asche auf mein Haupt!).

Ich habe es geliebt, das Buch zu lesen, mir fleißig Notizen zu machen und mich anschließend durch die mir unbekannten Referenzen zu hören.

Bei Hornby hingegen werden Bands wie The Smith, Green Day, The Beatles oder The Clash thematisiert. Und was geht da schon drüber? Andererseits wird ein Kunde, der den Song „I just called to say I love you“ von Stevie Wonder sucht, von Flemings Mitarbeiter (im Film gespielt von Jack Black) hochkant aus dem Laden befördert.

Fazit
Insgesamt sind sowohl Telegraph Avenue als auch High Fidelity sehr lesenswerte Bücher der vinylophilen Popkultur, die durch ihre tiefgründigen Charaktere und ihre lebendige Darstellung der Musikwelt fesseln.
Beide Werke nutzen Musik nicht nur als Hintergrund, sondern als essentiellen Bestandteil ihrer Erzählung. Sie ist das Band, das die Charaktere und ihre Geschichten zusammenhält. Doch High Fidelity schafft es deutlich besser, sie als Destillat zu konzentrieren.

Telegraph Avenue: 7/10
High Fidelity: 8,5/10

auch der Film ist sehr empfehlenswert