von Felix
„kommen wir nun zu etwas ganz anderem“
Alphatraz ist das Synonym des Künstlers Christoph Martin. Hier gibt es etwas zu hören, was wir in dieser Form sicher noch nie im Wellenbrecherbereich hatten. Ein reines Piano-Album. Alle zehn Songs sind Eigenkompositionen. Warum beschäftigen wir uns im Wellenbrecherbereich mit einer Platte voller Klavierstücke? Nun ja, eigentlich gibt es da mehrere Gründe: Zum einen, weil wir uns ja eh auf die Fahnen geschrieben haben, auch über unseren musikalischen Tellerrand hinauszugehen, zum anderen, weil von jedem einzelnen Song von Gebeine – so der Titel des Ende 2022 erschienenen Albums – eine verrückt anziehende Faszination ausgeht und außerdem, weil das Komponieren an sich in der Öffentlichkeit oft viel zu wenig thematisiert wird, obwohl es eine große Kunst ist und egal in welchen musikalischen Bereich wir gehen – viele populäre Lieder sind am Klavier entstanden und so bietet auch Alphatraz‘ Platte eine Reise in eine irgendwie ursprüngliche Fantasiewelt.
Die Lieder und das gesamte Konzept dieses Werkes sind sehr finster und bedrohlich, so liegt eine Nähe zu bestimmten Metal-Genres durchaus auf der Hand und der Künstler selbst hat auf seinem YouTube-Kanal auch einige hervorragende Interpretationen bekannter Metal-Songs, die ebenfalls sehr empfehlenswert sind.
Das Düstere in der Musik erfordert natürlich eine grundsätzliche Stimmung bzw. Bereitschaft. Wenn man sich in Partylaune begeben möchte, ist Gebeine sicher nicht die richtige Wahl. Aber die CD, die ich nun nach ihrem Erscheinen im dunklen Winter genauso gehört habe wie heute, also mitten im Juli, hat sehr viel zu bieten.
Eigentlich möchte ich auch bei dieser Rezension weniger auf einzelne Titel eingehen, als sonst im Now Playing, weil ich persönlich es auch tatsächlich eher als ein Gesamtkonstrukt begreife. Dennoch möchte ich zwei Titel hervorheben, die mir besonders gut gefallen.
Da ist zum Einen der Song Vindicta, der für mich sehr viel von einer guten Filmkomposition hat und somit viel Ankurbel-Potential für das eigene Kopfkino bietet. Außerdem ist das Lied etwas heller als die meisten anderen, so dass ich in einigen Passagen denke, hier könnte man sogar Teile der Komposition als Grundlage für einen guten Indie-Pop-Song nutzen. Der Song geht also etwas über den Grundton des Albums hinaus.
Ein anderer Song, der diesen Grundton hat, ist Occultatio, vor allem der Beginn hat es mir angetan. Das Lied ist so reduziert auf einzelne Töne in leichter Atmosphäre, dass es gerade diese Reduktion ist, die unglaublich viel Platz im Kopf schafft und durch dieses so simple Mittel eine Spannung erzeugt wird, die den Hörer (also mich zumindest) total neugierig werden lässt, was in der nächsten Sekunde wohl passieren wird.
Die schönste Melodie erklingt für mich gleich im zweiten Stück Sketches of Pain und ich liebe es, wenn sich diese schöne Melodie in den tiefsten Tönen auflöst und dann fast schon eine Art Kampf zwischen bedrohlich tiefen Passagen und den immer noch finsteren aber aufgelockerten und klareren hohen Tönen folgt.
Bei den beiden letztgenannten habe ich in einigen Passagen aus irgendeinem Grund sofort Assoziationen zu Iron Maiden Kompositionen – musiktheoretisch begründen, warum das so ist, kann ich leider nicht, aber versucht euch bei diesen Titeln mal gelegentlich markante Maiden Instrumentierung vorzustellen.
Eine Bewertung fällt hier tatsächlich schwer. Ihr habt gemerkt, dass ich das Gesamtkonstrukt sehr schätze und dass ich fasziniert von dieser CD bin. Ich muss aber auch zugeben, dass es keine Musik ist, die ich im Alltag einfach mal so in meine Playlist ziehe und die eben auch eine gewisse Grundstimmung voraussetzt. Dennoch möchte ich hier auch keine Grenze setzen, nur weil eine klassische Bewertung nach Mosh-Pit-Tauglichkeit nicht möglich ist und daher gebe ich siebeneinhalb von zehn Wellenbrechern.
Abgerundet wird das Album von einem wirklich herausragenden und voll treffendem Artwork von collapse of art und dem Logo, welches von Jordan Barlow entworfen wurde. Das Album gibt es aktuell über Bandcamp zu hören und zu beziehen, außerdem auch als CD über Schattenpfade.de