Genuary Tipp 22/31 2022

Fatoumata Diawara (Elfenbeinküste / Mali)

Wer unser Dreckiges Dutzend Best of Multisingual gehört oder unseren Genuary Tipp 30/31 2021 gelesen hat, weiß, dass ich eine Schwäche für Afrikanische Musik habe. Damals sprach ich über den fantastischen Oliver Mtukudzi und schrieb über Sampa the Great. Heute möchte ich euch Fatoumata Diawara vorstellen. Zunächst lassen wir sie für sich selbst sprechen bzw. singen:

Doch nicht nur durch ihre Musik passt Diawara perfekt in unseren Genuary. Als überzeugte Feministin kämpft sie für die Rechte von Frauen und Mädchen in (West)afrika. An dieser Stelle sehr zu empfehlen ist der Podcast Hear my Voice über Musikerinnen und ihre Geschichten, auch Fatoumata Diawara wird porträtiert. Marlene Küster leistet hier tolle und wichtige Arbeit, bitte anhören.

Was mich neben der Musik und dem Aktivismus begeistert sind die Texte, die ich, zugegeben, natürlich nicht verstehe, weil hauptsächlich auf Bambara – und das ist bei mir etwas eingerostet… Doch es lebe das Internet! Hier könnt ihr exemplarisch den Text zum Song Boloko nachlesen und seine Wichtigkeit erkennen:

They cut the flower that made me a woman
Don’t cut the flower that makes me a woman
If you circumcise girls You will make their intimate moments difficult
They will always have health problems
I beg you mother, don’t make them circumcise me, it hurts so much!
I beg you father,don’t make them circumcise me, it hurts so much! 
They cut it…Mother, stop female circumcision! If you circumcise girls You will make their intimate moments difficult. They will always have problems with childbirth

They will always have health problems
It hurts so much! It hurts so much! It hurts so much! Don’t circumcise girls!
It hurts so much! It hurts so much! 

African women live through too much hell. African women live through too much suffering. It hurts so much! We should look again at our ancestral beliefs and assess them.

It hurts so much! Keep what is good for us, and reject all that harms us.
It hurts so much! African women live through too much hell.
African women live through too much suffering.
It hurts so much!It hurts so much!It hurts so much! Mother…

Todernste und sehr wichtige Themen verpackt in leichte Afrikanische Klänge – eine für uns Europäer ungewohnte, aber nicht minder beachtenswerte Mischung. Diawara – eine tolle Musikerin, ein bemerkenswerter Mensch.

Instagram: Fatoumata Diawara

Genuary Tipp 21/31 2022

Lilith Czar aka Juliet Simms

Da denkt man sich, „ach wie cool, die Musikerin, die ich präsentieren möchte, hat erst ein Album herausgebracht, das wird einfach zu schreiben…“ und dann stellt man fest, dass die Künstlerin einfach im Februar 2021 ihren Name wechselte um einen vollständigen Wandel ihrer bisherigen Karriere zu vollziehen. Also ist es doch etwas komplizierter und ich versuche das mal abzukürzen. Juliet Simms wurde Zweite in der zweiten US Staffel von The Voice. Bereits vorher war sie musikalisch aktiv und spielte meist in Bands (z.B. Automatic Loveletter). Nach The Voice startete sie vor allem eine Solo-Karriere. Diese setzt sie jetzt fort, nur eben unter anderem Namen und einer anderen Ausrichtung und einem veränderten Auftreten. Am besten kann sie darüber aber selbst berichten, wie in dem folgenden Interview, was zwar leider im klassischen Corona-Video-Call Gewand daherkommt, aber inhaltlich sehr ehrlich und daher auch sympathische Einblicke gewährt. Nachlesen kann man dies auch in dem ebenso empfehlenswerten Interview von Papermag

Damit wären wir also bei Lilith Czars erstem Album Created From Filth And Dust welches 2021 bei Sumerian Records erschien. Musikalisch geht es jetzt doch deutlich weniger poppig und dafür eine gute Spur rockiger zu. Ich muss zugeben, dass mir persönlich bei einigen Songs auf dem Album ein wenig das Intuitive fehlt und vieles fast schon zu gut produziert ist, so dass ein paar Songs etwas die Luft ausgeht. Es wirkt manchmal ein wenig überproduziert oder zu durchgeplant. Dennoch finden sich einige wirkliche gute Tracks auf der Platte und vor allem die markante Stimme, die sie auch als Juliet Simms schon auszeichnete, kommt in meinen Augen in diesem musikalischen Gewand noch besser zur Geltung. Richtig gelungen ist der Start mit einem atmosphärischen Intro Poem und dem dann folgenden Feed My Chaos. Ein hervorragender Opener!

In dem oben bereits verlinktem Interview erklärt die Künstlerin eine bemerkenswerte Haltung zum Thema Pop-Rock und äußert ihr Unverständnis über die immer noch sehr präsenten gegenseitigen Vorurteile und Abschottungen und kommt zu dem Schluss: So yeah, my music has pop elements, but it’s also rock ’n‘ roll and it’s also alternative and it has some emo elements in it, and that’s okay. Und klar, das ist nicht einfach nur Okay, sondern doch der Weg, den wir uns wünschen, dass man sich beim Schreiben von Songs weniger an Konventionen, Style-Fassaden und aufgesetzten Attitüden orientiert, sondern frei das kreiert und interpretiert, was einen als Künstler bewegt oder antreibt. So empfehle ich abschließend noch eine Ballade des Debüts, in dem die beeindruckende Stimme Lilith Czars zur vollen Entfaltung kommt. Bei dem Song Diamonds to Dust musste ich beim ersten Hören an den Song Llorando aus David Lynchs Mulholland Drive denken. Ich persönlich hoffe auf weitere Veröffentlichungen von ihr, zumal ich die beiden Vinyl-Ausgaben der ersten Platte leider verpasst habe und jetzt den teuren Preisen hinterherlaufen muss… Jammer! Aber was rede ich, hört euch bitte mal diese Stimme an!

Genuary Tipp 20/31 2022

Ninet Tayeb aus Israel (heute Los Angeles)

Aufmerksam wurde ich auf die israelische Musikerin und Sängerin dank Steven Wilson. Auf dessen Soloalbum Hand.Cannot.Erase (2015) ist die epische Ballade Routine erschienen. Und neben Wilson singt hier eben jene Ninet Tayeb auf unnachahmliche Weise. Unbedingt hier anhören – musikalisches Champions League K.O.-Runden Niveau. Und auch das Video ist fantastisch. Wer da nicht schluckt, ist ein Roboter. Auch Pariah, ein weiteres Duett der beiden, ist wirklich sehr zu empfehlen.

Aber weg von Wilsons Musik. Ninet, wie sie sich als Solokünsterlin schlicht nennt, wurde einem größeren Publikum in Israel durch eine Telenovela bekannt. Ihre ersten Versuche als Musikerin folgten und waren beachtlich. Sie sang zunächst hauptsächlich auf hebräisch, gewann eine Castingshow. Ninet ist an der Gitarre zuhause und schreibt ihre Songs höchstselbst. Auch heute noch wechselt sie wie es ihr beliebt zwischen hebräischer und englischer Sprache. Das letzte Album – Paper Parachute (2017) – war komplett auf Englisch. Hier der titelgebende Song – live interpretiert von Ninet und Band -, einfach wunderbar verträumt, immer mehr Dynamik und Gänsehaut entwickelnd (die „Hold-on“-Passage ab 2:10 Minuten kickt mich jedes mal):

Die Scheibe ist wirklich bemerkenswert. Musikalisch vorwärts rockend auf der einen Seite, aber auch zartschmelzend wie warme Schokolade auf der anderen Seite. Dazu eine wohl dosierte Prise orientalische Wurzeln. Großartig im wahrsten Sinne: GROßE ART!

Instagram: Ninet Tayeb
Ihre Musik gibt es hier – Leider ist die Vinyl-Version des Albums aktuell ausverkauft – Zweitmarkt ab 90 Euro.

Genuary Tipp 19/31 2022

Åsa Söderqvist aka ShitKid

ShitKid hatte mich im Handumdrehen. Wer so überhaupt gar nicht in irgendeine Schublade passt, hat aus meiner Sicht immer schon vieles richtig gemacht. Seit 2016 aktiv und jetzt habe ich gelesen, dass nach dem im Sommer 21 erschienenen Album Sort Stjerne! Schluss sein soll?! Das war hoffentlich einfach den Vormonaten mit zwei Alben im Jahr 2020 und einer Corona zu Opfer gefallenen Tour geschuldet. Warten wir es ab.

Åsa Söderqvist hat jedenfalls bei diesem Projekt einen außergewöhnlichen Output gehabt und in den 5 Jahren von 2016 bis 21 fünf Studioalben und weitere EPs geschrieben, eingespielt und produziert. Zusammen mit Linda Molarin Ericsson (@primapralina), die bereits 2020 ausstieg, kreiert sie einen eigentümlichen Sound irgendwo zwischen Garage, Punk, Akustik und Elektro von Far-Out bis fast-schon-Mainstream, jedenfalls höchst individuell und dadurch genauso spannend wie manchmal Nerven strapazierend. In jedem Fall unkonventionell, was auch für die meisten Videos gilt. Wie hier am Beispiel von Sugar Town vom ersten Album Fish.

Eigentlich wollte ich hier im Rahmen des Genuary nur auf noch aktive Künstlerinnen eingehen, aber hier mache ich mal eine Ausnahme, in der Hoffnung, dass da doch nochmal etwas kommt. Ich habe auch in verschiedenen Folgen unseres Podcasts betont, dass ich Musik als Produkt kunstschaffender Menschen sehe und dass ich über diese Einstellung viel Respekt und Anerkennung für musikalische Ergebnisse zolle, die manchmal nur wenig bis kaum meinen Geschmack treffen. Das ist bei ShitKid anders, nicht nur weil mir viele Stücke durchaus gut gefallen, sondern auch weil ich mich hier schon sehr an dem Gedanken erfreuen kann, wie so manch Mithörer genervt bittet den *#!** auszumachen.

Auch schön fand ich, dass der Name Shitkid auf den schwedischen Begriff Skitunge zurückgeht, so eine Art Struwwelpeter-Story, um Kinder vom schlechten Weg und damit „natürlich“ auch von der Rockmusik fernzuhalten. Ein Faktencheck dazu ist allerdings nicht erfolgt. Also wer es etwas unkonventionell mag, hört Åsa Söderqvists ShitKid!

https://www.instagram.com/xshitkidx/

Genuary Tipp 18/31 2022

Press Club mit Natalie Foster aus Melbourne, Australien

An der Genuary Liste 2021 knapp vorbeigeschlittert, ist dieses mal ein Platz für die Band um Natalie Foster fest eingeplant.

Aus der Vorgängerband Tully On Tully entstanden, schrieb das Quartett im Haus des Bassisten zum Einstieg damals über 50 Songs in gefühltem Zeitraffer. „Wir kamen in einem Raum zusammen, jammten und überlegten, was dabei herauskommen sollte“, erklärt Foster in einem Interview. „Es stellte sich heraus, dass es Punkmusik war.“ Ja, manchmal findet die Musik dich und nicht andersherum.

Aus dieser Art der Kambrischen Explosion entstanden mittelfristig zwei LPs: Das Debüt Late Teens (2018) mit meinem persönlichen Lieblingssong Suburbia (s.u.) und Wasted Energy (2019). Beide Alben bestechen durch kurzweilige, schnelle Songs, die mich an Gute-Laune-Combos wie Blink182, in ihrer Melodiösität aber auch an die Japandroids erinnern. Diese Nummer hier ist exemplarisch:

In den letzen Jahren ist es etwas ruhiger geworden um die Australier. 2020 erschien auf einer limitierten B-Seiten- und Raritäten-Compilation des Visions Magazins lediglich ein einziger neuer Song: Insecurities. Wir dürfen gespannt sein, wann sich Foster und Co. mit neuem Material zurückmelden und dann vielleicht auch wieder nach Deutschland kommen. In Australien sind sie gerade wieder auf Tour. Denn ihre Musik lädt sehr dazu ein, live gespielt und vor allem gehört zu werden.

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