Now playing // 16.04.21 von Alex:
Im Podcast habe ich meine Sympathien für Taylor Momsens Stimme ja schon kundgetan. Ihre Range zwischen röhrendem Teufel und lieblichem Engel ist zum Zunge schnalzen. Nun endlich bringt sie mit ihrer Band The Pretty Reckless frisches Futter an den Start:
Death by Rock And Roll.
Los geht es gleich mit dem Song, der für den Albumtitel verantwortlich ist. Lauscht der aufmerksame Hörer den Zeilen, so läuft ihm oder ihr gleich ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn die noch 27-Jährige singt: On my tombstone when I go, just put “Death by Rock and Roll”. Ja, 27 Jahre jung, Rockstar, offen über den Tod singen… da gab‘s doch mal so`n Club?!
Kurzer Exkurs zur allgemeinen Beruhigung:
Vom zuckersüßen Reklame-Mädchen, über Jim Carrys Co-Star und Gossip Girl hin zur umjubelten Teenager-Rockröhre… viel Hype für ein so junges Leben. Außerdem verlor Taylor mit Chris Cornell (2017, Selbstmord) und Produzent Kato Khandwala (2018, Motorradunfall) binnen kürzester Zeit zwei enge Freunde. Tragödien, die sie in ein – Zitat: “komplett dunkles Loch aus Depression und Drogenmissbrauch“ zogen. Doch das Schreiben neuer Songs, das Wiederentdecken der Musik der Beatles, das Aufnehmen des neuen Albums, all das, so sagt sie, sei der Grund, weshalb sie heute überhaupt noch hier ist. „Der Rock and Roll hat mein Leben gerettet“, so Taylor. Wir müssen uns also keine Sorgen (mehr) machen.
Zurück zum Album, welches also gar nicht depressiv daherkommt, sondern genau gegenteilig – lebensbejahend. Eine schwarze Scheibe aus Vinyl als erfolgreiche Selbsttherapie. Neben dem Opener, der ein “Schlachtruf auf das Leben“ in Anlehnung an Kato sein will, finden sich viele weitere wunderbar positive Songs auf dem Album.
Die opulente Mid-Tempo Nummer Rock and Roll heaven strotzt vor Spielfreude und ist ein absolutes Kleinod, welches jedem ein Lächeln aufs Gesicht zaubern sollte – eine Hommage an Taylors Vorbilder, u.a. eben die Beatles, und gleichzeitig ihr Dank – wie eingangs im Exkurs erwähnt.
Und der Einfluss, den der ebenfalls dort besungene Jim Morrison (schon wieder der Club 27!) auf sie hatte, wird in Turning gold mehr als deutlich, wenn Taylor singt: „For the light, for the light!“ Ich sag nur „L.A. Woman„: City of night, city of night! Gebt euch die beiden Passagen bitte mal direkt hintereinander. Mr. Mojo risin‘!
Dazu unverdünnter Hardrock mit griffigen Riffs wie in And so it went (ein Traum-Riff für jeden Gitarristen!), bei dem plötzlich ein allzu vertraut klingender Gitarren-Sound der ganzen Welt verrät, dass Tom Morello hier mitgroovt. Beim anklagenden Plädoyer des Kinderchors später im Song fühlte ich mich stark an Pink Floyd’s Another brick in the wall – oder – im Kosmos von The Pretty Reckless – an Heaven knows erinnert. Fett:
Apropos Gastmusiker: Kim Thayil und Matt Cameron von Soundgarden (Letzterer natürlich auch von Pearl Jam) sind auf Only love can save me now zu hören. Und da wir damit indirekt auch wieder bei Chris Cornell sind: Dieser wäre sicher stolz auf den Song 25 gewesen, der alles besitzt, was einen James Bond Song ausmacht. Zwar kein neues „You know my name“, aber vielleicht seine kleine Schwester.
Ein komplett rundes Album bedient natürlich auch die Freunde der Power-Balladen. Diese kommen bei Got so high (fühlt sich hier noch jemand an „Fade into you“ von Mazzy Star erinnert?) und Standing at the wall (Taylors Stimme: Einfach nur Wow, und sogar mit Orchester) auf ihre Kosten.
Mein einziger Kritikpunkt und das ist witzigerweise der gleiche Kritikpunkt, den auch Felix in seiner Rezension über das neue Architects-Album hatte, ist die merkwürdige Reihenfolge der Songs. Oder es handelt sich um eine dramaturgische Reise der Band, die sich einem Außenstehenden nicht erschließt? Ist die erste Hälfte gespickt mit Rocknummern, wird es im zweiten Teil deutlich ruhiger, ja sogar country-esk. Da hätte der Reihenfolge mehr Ausgewogenheit und Abwechslung gut getan.
Aber abgesehen davon haben The Pretty Reckless hier zur Trauerbewältigung ein fettes Brett vorgelegt. Wie Felix ganz richtig in unserer letzten Podcast Folge bei der Deftones-Besprechung anmerkte, mag man manchmal gar nicht glauben, dass es Menschen gibt, die ein Album komplett anders wahrnehmen, als man selbst. Deshalb hier meine ernst gemeinte Frage: Wer von euch findet dieses Album nicht gelungen und welche Gründe sollte es dafür geben?
Abschließend stellt sich mir noch die allerletzte, wohl nicht zu beantwortende Frage, weshalb Taylor eigentlich auf zwei von vier Studioalbumcovern nackt zu sehen sein muss?! Ja, Sex sells, aber gute Musik auch.
8,5 von 10 Wellenbrechern