Genuary Tipp 17/31: Amyl And The Sniffers (Amy Taylor)

von Alex

Momentan hält mein Longboard zwar Winterschlaf, aber sobald der Frühling in den Startlöchern steht, geht’s wieder raus – mit vier Rollen unter den Füßen und Amyl And The Sniffers in den Ohren. Die Australier liefern uns Skate Punk wie er rotziger und authentischer kaum sein kann (wie es Felix bei Generción Suicida erging). Und tanzbar ist er auch… irgendwie; mir gefällt‘s:

Dabei sind die hauptsächlich zwei/drei Minuten Stücke der Band nicht nur fürs unverfängliche Feel-Good-Skaten geeignet. Auf beiden bisher erschienenen Alben (self-titled Debüt aus 2019, ausgezeichnet mit dem ARIA Award als bestes Rock-Album des Jahres und Comfort To Me aus 2021, welches bei mir rauf und runter lief) hat Amy Taylor, die explosive Frontfrau der Sniffers, was zu sagen. Wie sie in Interviews verriet, musste sich die heute 26-Jährige im Laufe der noch jungen Karriere – wie so viele Frauen in der Musikbranche (höre dazu unser Interview mit Lizal von den Dorks) – nicht wenige diskriminierende Entgleisungen anhören. Dieser unterschwellige oder auch offene Sexismus, diese Ignoranz in der Musikszene, macht sie würtend. Und Wut und Punk, das passt wie Arsch auf Eimer und kann ganz wunderbar in den Texten aufgearbeitet werden. Im Interview mit dem österreichischen Radiosender FM4 erklärt Taylor, was sie am meisten nervt: „Frauen müssen so viel mehr leisten, so viel härter arbeiten und so viel besser sein, um eine Chance zu bekommen im Musikgeschäft. Scheiß drauf! Ich kämpfe dafür, dass Frauen genau so viel Mist bauen können wie Männer. Wenn es eine Message gibt, dann die: Geht raus und spielt. Und wenn es richtig schlecht ist, umso besser, dann spielt erst recht!“

Denn so fing nach eigener Aussage auch ihre Band mal an. Nachdem Taylor als junge Erwachsene bei der erstbesten Gelegenheit aus ihrem Heimatkaff Mullumbimby im Norden von New South Wales nach Melbourne flüchtete, das eine großartige Musik- und Livemusikszene beherbergt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, gründete sie dort mit ihren drei Mitbewohnern die Band. Einfach mal so, warum auch nicht? Just for Punk! Die Instrumente beherrschte niemand so richtig.

Inzwischen ist das anders (Sidefact: der heutige Basser kam später dazu und ist als einziger kein Gründungsmitglied).

Und was die Live-Auftritte angeht, ist die vierköpfige Band sowieso eine Liga für sich. Gerade die Performances von Taylor sollten meiner Ansicht nach Pflichtprogramm an sämtlichen weiterführenden Musikschulen sein. Titel des Moduls: „How to own the stage without fearing to look unfavourable“. Wenn Amy Taylor loslegt, sollte man schleunigst Platz machen. Nicht selten wirkt es, als wäre sie bis in die Haarwurzeln mit dem Adressaten ihrer Worte auf dem Kriegsfuß. Ein Streitgeschrei, Widerworte zwecklos! Das hab ich bisher selten so gesehen. Und überlege mir besser zweimal, der Frau irgendwie zu widersprechen.

die positiv verrückte Frontfrau von Amyl And The Sniffers liefert ab… zwischen Rap, Gesang und Geschrei

Interessante Links:
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Amy Taylor auf instagram
Amyl And The Sniffers auf instagram
Website

Genuary Tipp 16/31 Generación Suicida (Kiwi)

Von Felix

Das Kerrang-Magazin bezeichnete die Band Generación Suicida 2018 als Los Angeles most authentic Punk Band (hier nachzulesen) und das ist ein Urteil, dem ich mich gerne anschließen möchte. Ich habe es schon im Podcast durchblicken lassen, mit US-Punk habe ich so meine Schwierigkeiten. Viele Bands sind nicht schlecht und thematisieren auch punktypische Themen, aber irgendwie klingt es einfach immer unverwechselbar amerikanisch und zu durchgestyled. Generacion Suicida bringt richtig geilen Punk-Sound mit spanischen Texten angekurbelt von der großartigen Kimberly „Kiwi“ Martinez, die neben dem Schlagzeug auf einigen Songs auch für Gesangsteile verantwortlich ist. So wie z.B. bei dem Titel Ilusion.

Das auch im linken, toleranten Punk- und Alternative-Bereich viel Nachholbedarf in der musikalischen Partizipation besteht sollte mittlerweile deutlich geworden sein. Exemplarisch wurde in den letzten Jahren viel (und durchaus zurecht) mit dem Finger auf große Festivals gezeigt, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Besetzungen der engagierten Bands weit überwiegend männlich sind. Auf deutschen Punkrockfestivals ist die Situation allerdings kaum besser (gewesen). An den Drums sind Frauen immer noch sehr selten anzutreffen, ich denke aber, dass Persönlichkeiten wie eben Kiwi durchaus ein Vorbild sein können und weitere Interessierte motivieren und inspirieren können, denn gerade Live kommt die Musik der vier Kalifornier noch stärker rüber. Ich würde mich freuen, wenn sich da mal eine Gelegenheit gibt auch in Deutschland ein Konzert zu besuchen. Nebenbei: auch diese Band habe ich über den Kanal KEXP kennengelernt, genau wie die vorgestern vorgestellten Margaritas Podridas. Zum Abschluss ein Song aus dem kurzen Set aus dem Oktober 2021. Deshalb gibt es hier einfach den Link zur vollen Performance und Interview

Genuary Tipp 15/31: Samantha Fish

von Alex

Bei meinem heutigen Tipp dachte ich erst: Ja, ganz cool, aber schon x-fach gehört. Doch als ich tiefer in das aktuelle Album Faster (aus 2021) eintauchte, war ich positiv überrascht. Samantha Fish spielt nicht bloß Southern Rock. Nein, sie mischt ihn auf ansprechende Weise mit Syntipop Elementen. Und das klingt dann so:

Ja, Alex und der Syntipop, das ist wahrlich keine Freundschaft fürs Leben. Auch in der Albumbesprechung zu den Blood Red Shoes konnte ich mit dem Sound nicht viel anfangen (höre hier). Samantha Fish hat mir jedoch gezeigt, dass man nichts kategorisch ausschließen sollte. Es ist lediglich eine Frage der Umsetzung und der Dosierung. Die Dosis macht das Gift oder in diesem Fall: Die richtige Zubereitung macht das bekömmliche Mahl. Doch nicht nur der Syntipop transformiert welken Southernrock in ein junges, knackfrisches Gemüse. Auch ihre Anleihen in Richtung RnB, Rap und Blues tragen ihren Teil dazu bei. Die Nummer Loud lässt gar an Amy Winehouse erinnern, ehe der Rock Einzug hält:

Die musikbegeisterte Samantha drosch schon in jungen Jahren auf das Schlagzeug ein, ehe sie (erst) als Teenager zur Gitarre wechselte. Das meiste brachte sie sich selber bei. Als sie ein gewisses Niveau erreicht hatte, ließ sie sich von lokalen Bluesmusikern inspirieren, hörte und spielte aber auch Hard Rock, Americana und Bluegrass. Machen wir uns nichts vor: Ehrlicherweise haben Frauen es auch heute zumeist immer noch deutlich schwerer, irgendwo Fuß zu fassen, anerkennt zu werden, Respekt zu erhalten, als Männer. In Samanthas Heimatstaat,  dem konservativ geprägten Kansas (auch die Jazz- und Bluesszene ist extrem männerdominiert) mag das besonders spürbar sein. This is a man’s world! Um so beeindruckender, wenn Frau sich dort durchsetzt und mit Größen wie Buddy Guy oder Joe Bonamassa auftritt.

Und aktuell steht ein weiteres Feature ganz vorne im Schaufenster: Zusammen mit Südstaaten-Gitarrist Jesse Dayton, der wiederum schon musizierte mit Johnny Cash, Waylon Jennings und Willie Nelson, kam im Dezember druckfrisch die EP The Stardust Sessions auf den Markt, was die Houston Press hinreißen ließ, die beiden als „dynamisches Duo“ zu lobpreisen.

Ab März ist zumindest die eine Hälfte des dynamischen Duos in Deutschland auf Tour (Tickets gibt’s hier).

Interessante Links:
Samantha Fish auf YouTube
Samantha Fish im Bandcamp
Samantha Fish auf instagram

Genuary Tipp 14/31 Margaritas Podridas (Esli Meuly und Carolina Enríquez)

Von Felix

Ich gebe es zu, als ich im April 2021 das erste mal das self-titled Album von Margaritas Podridas hörte, habe ich nach fünf Liedern ausgemacht und diese Band erstmal wieder vergessen. Als dann im Dezember 2021 ein Auftritt bei KEXP erfolgte, erinnerte ich mich wieder an die Band und wunderte mich, warum sie beim ersten Hören bei mir so durchfielen. Ich finde es unglaublich gut, dass diese Band mit ihrer Musik, in ihrer Sprache bzw. ihren Texten, ihrer Attitüde und Besetzung keineswegs einen bequemen Pop-Punk oder reduzierten Alternative-Sound wählt, sondern – in meiner Wahrnehmung – auf großartige Art und Weise einen Noise-Rock-Grunge-Sound wieder aufleben lässt, den es so original und glaubhaft kratzig schon länger nicht mehr gab und der natürlich auch nicht zuletzt aufgrund der Zusammensetzung der Band sehr schön an die aktive Zeit von Sonic Youth erinnert. Seit diesem Auftritt folge ich der Kombo, um nichts Neues zu verpassen. Freunde dieses Stils sollten den Song Margaritas testen – inklusiver leidenschaftlicher Bearbeitung der Instrumente aller Beteiligten Musikerinnen und Musiker dieser Band.

Verfolgt man die Band bei z.B. hier bei Instagram oder anderen Plattformen, fällt durchaus auf, dass sie gerne provozieren und dabei auch bewusst sexistische Tendenzen bei ihren Followern oder Sympathisanten triggern. Wie bei der letzten Veröffentlichung No Quiero Ser Madre aus dem August 2022, bei der das gewählte Cover und der Text Anlass genug für Diskussionen waren, dabei ist es in erster Linie geile und eben nicht belanglose Musik, aber überzeugt euch doch einfach selbst.

Neben dem einen Album gibt es noch einige Singles. Aktuell könnt ihr alles gut komprimiert hier über Bandcamp streamen. Die paar Tonträger waren schnell weg und sind jetzt leider recht teuer, ich hoffe, dass da in Zukunft noch etwas Neues (oder auch das „alte“ Zeug) nachkommt. Ansonsten wäre es das mit dem nach Violencia gleich zweitem Tipp einer Band aus Mexiko. Ich schließe mit meinen persönlichen Lieblingssongs der Band: der erste ist der Opener des Albums und heißt Pétalos Mordidos – musikalisch allein durch den Bass für mich eine kleine Zeitreise. Der zweite Song Chant ist ursprünglich unter dem Namen Rotten Daisies erschienen und auf Englisch gesungen. Die spanischen Lyrics gefallen mir eigentlich besser, aber dieses Lied weckt doch eine tiefe Sehnsucht nach unverkrampfter Grunge-Musik.

Genuary Tipp 13/31: The Pack A.D.

von Alex

Ich mag Kanada, obwohl ich noch nie da war. Ich bewundere es aus der Ferne. Kanada ist wie der bescheidene kleine Bruder der USA. Wie der schüchterne Schüler, der die Antwort besser weiß, als die meisten seiner Klassenkameraden, der sich aber nie meldet. Da trifft es sich doch gut, dass das heutige Duo genau aus diesem Land stammt, wohnhaft in der laut Economist fünft lebenswertesten Stadt der Welt: Vancouver (Stand 2022).

Bereits 2006 gegründet, zeichnet Becky Black (Gesang/Gitarre) und Maya Miller (Drums) vor allem ihre Live-Power aus. Der dichte Klangteppich, den die beiden auf ihren Gigs auswerfen, muss den Vergleich mit Zwei-Kopf-Combos wie den White Stripes oder auch Royal Blood nicht scheuen.

In einer geplanten Podcast-Folge, die vermutlich im März veröffentlicht wird, sprechen wir über Musik in Filmen und Serien. Auch ein Thema für The Pack A.D.! Denn ob nun Spielfilme wie The Collection, Serien wie The L-Word, Riverdale, Shameless oder Animal Kingdom oder das Videospiel Nascar Heat 3 – der Output des Duos scheint hinsichtlich Sync-Deals bei Filmemachern und Spieleproduzenten gleichermaßen hoch im Kurs zu stehen.

Yes, I know – zu hören in The L-Word, Riverdale, Animal Kingdom…

Ihr achtes und bisher letztes Album It Was Fun While It Lasted (2020) ist wie ein Schlag in die Magengrube. Über zwölf Songs und 38 Minuten sehe ich mich in einer kleinen kanadischen Garage sitzen – mit zwei wütenden Frauen an ihren Instrumenten.

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