Tanzende Punks in der Brauerei!

Das Live & Durstig Festival 2022 in Alsdorf (NRW) / 05. November 2022

Festivals müssen nicht zwingend Open Air und im Sommer auf einem Stoppelfeld stattfinden. Es gibt auch gute Indoor-Festivals im Herbst und Winter. Interessant wird es, wenn diese dann nicht unbedingt an einem der üblichen Veranstaltungsorte stattfinden, sondern z. B. auf Schlössern oder Burgen, in Bildungseinrichtungen, in Plattenläden oder z.B. in einer Brauerei.

Das geht vor allem dann, wenn der Inhaber der Brauerei selbst Musik verrückt ist, so wie Frank Langguth von der Biermanufaktur-Langguth, Heimat des Craft Biers Fronk, der in seiner Brauerei auch schon mal seiner Hefe mit ausgewählten Punkplatten auf die Sprünge hilft. Zum zweiten mal findet hier nun 2022 eine kleines Punk-Festival statt, welches für Deutschpunk-Fans auch in diesem Jahr wieder ein gut ausgewähltes Line-Up bereithält. Auch bei Frank wurden die Pläne zur Fortsetzung der Erstauflage 2019 durch Corona kräftig durchgemischt, Respekt also für das Durchhalten und erneute Auf-die-beine-Stellen.

Butterwege, Zwakkelmann und Chefdenker spielen unter anderem am 05.11.2022 in dem wirklich schönen Ambiente der in Alsdorf gelegenen Brauerei, in der Nähe Aachens an der niederländischen Grenze. Dazu gibt es das Selbstgebraute von der Pogo-Hefe.

Über das was die Besucherinnen und Besucher dieses Jahr erwartet berichtet Mitveranstalter Markus Schneiderwind: „Stell dir vor du musst den Veranstalter beim Stage Diven auffangen und 10 Minuten später stehst du mit ihm an der Theke, um über Punkrock und die geilsten Biere der Welt zu sprechen. So in etwa funktionierts. Wir sind so froh zurück zu Sein mit einem der außergewöhnlichsten Festivals in Sachen Punkrock. Die Leute haben uns immer darin bestärkt, auf den richtigen Zeitpunkt für das Comeback zu warten und am 5.11. wird’s jetzt richtig eins auf die Glocke geben. Hab gehört ein paar Tickets gibt’s noch, aber echt nicht mehr so viele.“

Wir vom Wellenbrecherbereich sind in diesem Jahr leider nicht selber vor Ort, haben uns aber für den nächsten Termin schon mal eine Vormerkung in unserem Kalender notiert. Damit das auch weiterhin in die Tat umgesetzt werden kann, freuen sich die Veranstalter über viele durstige Besucher. Der Preis ist mit 25 Euro (28 an der Abendkasse – sofern es eine gibt) sehr fair angesetzt.

Tickets für die Veranstaltung am 05. November gibt es noch hier zu ergattern: https://www.biermanufaktur-langguth.de/tickets/index.php/

Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, kann hier einmal in die Zeit vor Corona zur letzten Ausgabe 2019 zurückblicken:

#40 Red Hot Chili Peppers – Unlimited Love (2022)

Waoh, erst dauert es satte sechs Jahre bis wir mit “Unlimited Love“ ein neues Album von den Chilis serviert bekommen und jetzt gibt es ein halbes Jahr später mit “Return of the Dream Canteen“ schon einen Nachschlag zu bestaunen. 34 neue Songs binnen so kurzer Zeit: Die Rückkehr des (mehrfach) verlorenen Sohnes John Frusciante scheint einen Produktionsstau gelöst zu haben. Doch first things first: Heute widmen wir uns erstmal der im April erschienenen Doppel-LP “Unlimited Love“.

In der Folge legt sich der Wellenbrecherbereich fest: Mit Frusciante sind die Kalifornier besser, als ohne, aber reicht das für eine gelungene Rückkehr? Die guten Verkaufszahlen mögen ein Indiz dafür sein. Oder eben gerade nicht? Hört unsere Meinung ab sofort überall im Streaming oder auf YouTube. Was sagt ihr: Seid ihr in Unlimited Love mit der neuen, aber nicht mehr neusten Scheibe?

Disclaimer:
Zum Zeitpunkt der Aufnahme war uns vom gerade erschienenen Nachfolger “Return of the Dream Canteen“ noch nichts bekannt.

„Tipps aus’m Pit“ zum Nachbetrachten (aus #39)

Felix: Suki Waterhouse – I can’t let go (2022, Sub Pop Records)

Da wir es öde finden, ausschließlich in altbekannten Genres zu fischen, gibt es heute wieder viel Neues auf die Ohren. Den Anfang macht Felix bzw. sein Tipp Suki Waterhouse. Die 30-jährige Londonerin kommt übers Modeln und Schauspielern zur Musik.
Ihr Debütalbum I can’t let go erschien im April und kann als indie-poppiger Singer-Songwriter Darkfolk beschrieben werden. Die ernsten und lebenswirklichkeitsnahen Texte haben dann aber nicht mehr viel mit dem Attribut Popmusik zu tun. Auf jeden Fall selbst mal ein Bild machen.

Kontakt Instagram: @sukiwaterhouse
Kontakt YouTube: Suki Waterhouse

Alex: Roman „Die Klasse von 77“ von Francis Kirps

Willkommen im Piggeldingen der 70er Jahre! In diesem von Alex empfohlenen Roman verfolgen wir den Hauptcharakter, wie er dabei ist, im Grundschul-Alter eine Punk-Band zu gründen, nachdem er und sein bester Kumpel voller Ekstase das Debüt der Ramones gehört hatten und davon mehr als geflasht sind: Ein Weckruf! Höre hier:

Erzählt wird die Coming-Of-Age-Geschichte ähnlich wie bei Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers (Vorlage: Die Leiche – Stephen King) aus der Retrospektive. Sehr sympathisch, sehr lustig, viele Referenzen zu den damaligen Bands inklusive. Zu jeder Zeit ist erkennbar, dass auch der Autor diebischen Spaß beim Schreiben hatte. Ein kurzweiliges Lesevergnügen nicht nur für Musikfans!

Erhältich (oder zu bestellen) im kompetenten Buchhandel eures Vertrauens um die Ecke.

Marco: Badmómzjay – Badmómz (2021, Universal Music)

Über die Teilnahme an einigen YouTube-Formaten „entdeckte“ Marco die Rapperin mit polnischen Wurzeln, die im letzten Jahr mit ihrem Debüt einigen Sand aufgewirbelt hat. Und während die etablierten, zumeist männlichen Hip Hopper der Szene sich noch die Augen reiben, schaltet Jordy Napieray, wie die 20-Jährige bürgerlich heißt, mit ihrem Nachfolger einfach mal in den Survival Mode: Was ist jetzt mit: „badmómzjay ist nur ein kurzer Hype“? Was ist jetzt mit: „Ja, die Kleine spielt die Shows nicht live“? Wo ist jetzt die Hip-Hop-Polizei? Sag ma‘, was hatten die nochmal für deutschen Female Rap so prophezeit?
Albumrelease: Ende Januar 2023.

Kontakt Instagram: @badmómzjay
Kontakt YouTube: badmómzjay

Gerrit: Alex Melton
Ihr kennt es, ihr liebt es: Einmal mehr hat Gerrit in seinen berühmten nächtlichen „YouTube-Schleifen“ die unendlichen Weiten der Video-Plattform nach Berichtenswertem durchforstet und ist fündig geworden:
Der US-amerikanische Alex Melton nimmt sich bekannte Songs aus diversen Stilen vor, arrangiert sie um, sodass ein spaßmachender Genre-Mash-Up entsteht, oftmals in Richtung Punk goes Country. Alle Instrumente spielt er dabei selbst und produziert die Songs und Videos gleich mit. Bei der Menge an hochwertigem Content ist seine One-Man-Show mehr als bemerkenswert. Dabei noch die Sympathie in Person! Besonders beliebt seine Reihe: Wie klingt es, wenn Band xy den Song z geschrieben hätte?
Siehe und höre hier:

Und was dem Wellenbrecherbereich ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert hat, war unter anderem diese Nummer: If Mmmbop was an Emo Song… Wenn die fröhlichen Hansons plötzlich nach Schwermut klingen… Alex, du hast es drauf!

Kontakt YouTube: Alex Melton

#39 Tipps aus’m Tipp: Oktober 2022

Und wieder ist ein Monat vergangen und unsere neuen Tipps aus’m Pit warten sehnsüchtig darauf, an den Mann und an die Frau gebracht zu werden: Womit haben wir vier uns in der letzten Zeit vermehrt beschäftigt? Unter anderem – so viel darf bereits verraten werden – mit der aufstrebenden Berliner Rapperin Badmómzjay, deren Debütalbum im letzten Jahr für Furore gesorgt hat. Und der Nachfolger “Survival Mode“ steht bereits in den Startlöchern – Release 27. Januar 2023. Also, ab in die besagten Startlöcher: Badmómzjay und drei andere spannende Tipps warten auf euch. Jetzt überall im Streaming und auf YouTube!

Team Scheisse – Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (jetzt wird geküsst) (2021)

von Alex

Wie ihr vielleicht wisst, mag ich komplexe Musik: Fünf Minuten Nummern oder länger, die Wendungen, Interludes, Breaks und Taktwechsel zu bieten haben. Dazu gerne poetische, relevante Texte mit ordentlich Interpretationspotenzial. Herrlich! Aber wie immer macht eine gesunde Mischung das Leben erst bunt. Wer will schon jeden Tag bedeutungsvolle Schwere? Wie wäre es daher heute mal mit unbekümmerter Leichtigkeit? Und ich so zu mir: Ja, gerne, her damit!

Team Scheisse spielt Punkrock, wie er purer kaum sein könnte und das ist einfach nur geil: Gitarre(n), den Gain-Regler aufgedreht, Schlagzeug, Bass, zackiger Viervierteltakt, stilecht ein bis drei Minuten kurz die Dinger, dazu bellend verzerrter Gesang, der die wiederkehrenden Hooklines in Form von Ohrwürmern ins Bewusstsein der Hörer schießt, fertig. Ich sag nur: „Ich bin Karstadt-Detektiv, ich bin Detektiv bei Karstadt!“

Und weshalb mag ich dieses auf den ersten Blick so schlichte Konzept? So ambivalent der Albumtitel (Blumen! Ach, wie schön! Aber von der Tanke? Igitt, wie unromantisch!), so ambivalent das Werk als solches: Trotz aller musikalischen Schlichtheit ist das Album der Bremer ein absoluter Stimmungsaufheller, der auf jeder Rockparty in Dauerschleife rotieren sollte. Die Gäste würden mit einem breiten Grinsen im Gesicht von der Guacamole auf der Küchenanrichte zum Korn auf dem Couchtisch hüpfen, und dabei unbewusst die Refrains mitgrölen. Katharsis-Punk aus der Box! Es ist beinahe unheimlich, mit welch Ohrwurm-Dichte dieses Album um die Ecke kommt. Der eben schon genannte Karstadtdetektiv ist da nur ein Beispiel. Auch Songs wie 2 blaue Haken, Rein ins Loch (natürlich ist der Text viel subtiler, als es beim Lesen jetzt gerade den Anschein hat, eins der Albumhighlights!) oder Erfurt  bleiben hängen, leben von ihren witzig-originellen, pointierten Texten und den gebetsmühlenartig wiederholten Hooks:

„Da kannst ja gleich nach Erfuhrt zieh’n!“ Sänger und Texter Timo wohnt inzwischen in der besungenen Stadt.

Mich erinnert das Team Scheisse an die frühen Abstürzenden Brieftauben, über die wir im Podcast bereits sprachen (höre hier und nachbetrachte hier). Im Song Frank beispielsweise geht es – heruntergebrochen – um einen schmerzbefreiten Waffendealer bei der Bundeswehr. Und auch die Tauben hatten damals einen bundeswehrideologie-kritischen Song mit demselben Titel im Programm – eben Frank (siehe und höre hier). Zufall oder kleine Hommage? Das Video zum Team-Scheisse-Frank jedenfalls ist großartig: Eine Beauty-Influencerin schminkt sich freudig für ihre Community und erst im Laufe des Clips wird klar, worauf das Ganze hinausläuft:

Ja, bisher ist (zu) wenig bekannt über die Combo, die dem Fun-Punk auf witzig-charmante Weise Leben einhaucht. 2020 produzierte sie ihr Debüt 8 Hobbies für den sozialen Abstieg in Eigenregie – der Karstadtdetektiv war bereits Teil davon. Der Nachfolger nun erschien über Soulforce Records, dem Label vom hip-hop-zentrierten Kitschkrieg-Team; ein bemerkenswerter Move.

In diesem Jahr gab es mit der EP 20:15 dann nochmal neues Futter für die Fangemeinde, die über Instagram unter anderem mit passenden Memes ebenso humorvoll von der Band unterhalten wird wie es die Mucke zu tun vermag. Wetten, dass..?
Auf der EP findet sich unter anderem eine tiefschwarz satirische Abrechnung mit der Kirche, die nachwirkt. Hört gerne mal rein in Gott snoozt.

Im Frühling 2023 geht es für zwölf Termine wieder auf Tour. Dabei bleibt abzuwarten, in welcher Live-Besetzung die Band agiert. In der Vergangenheit gab es da einige Variationen in der Belegschaft.

Fazit:
Aber zurück zum Album: Wie ihr merkt, spiele ich voller Überzeugung im Team Scheisse, denn eigentlich ist das Team gar nicht scheiße. Ganz im Gegenteil! Wenn es die Situation zulässt, ist ihr Zweitling spielend in der Lage, Großes zu bewirken: Nämlich eine kindliche Freude, ehrliche Unbeschwertheit und ein bisschen realen Stumpfsinn in wenig freudige Zeiten zu zaubern. Dafür verdient die Scheibe 8,5/10 Wellenbrecher.

Kontakt Instagram: @teamscheisse