Marilyn Manson – We are Chaos (2020)

von Alex

Gemalt von Warner selbst: Hält das Album, was das Cover verspricht?

Vorweg:
Heute möchte ich aus gegebenem Anlass mal anders anfangen. Ich war nie ein großer Marilyn Manson Fan, wenngleich ich einzelne Songs wie den Fight Song, The beautiful people oder I dont like the drugs (but the drugs like me) schon stark fand. Doch nach einer inzwischen über 20 Jahre alten Aussage des Mannes hinter dem Kunstprodukt, befasste ich mich mehr mit Brian Hugh Warner. Nach dem entsetzlichen Amoklauf an der Columbine High School im Jahre 1999 wurden Schuldige gesucht und “natürlich“ war auch Marilyn Manson bzw. dessen Musik, die wohl von den Tätern gehört wurde, ein leichtes Ziel. Darauf angesprochen, was er denn den Menschen der Columbine Community zu sagen habe, antwortete er sinngemäß: „Gar nichts, ich würde zuhören, was sie zu sagen haben, denn das hat bisher offenbar niemand getan.“ Seit diesem emphatischen und intelligenten Satz sind Brian und ich Freunde. Er weiß nur nichts davon.

Auch deshalb haben mich die jüngsten Anschuldigungen der sexuellen Gewalt erschüttert, hätte ich Warner hinter der dicken Schminke als sehr philanthropisch eingeschätzt. Doch wie die allermeisten anderen Menschen habe ich keine weiteren Hintergrundinformationen zu den Vorwürfen, also springe ich – seht es mir nach – zu dem Teil, den ich beurteilen kann: Dem Musikalischen!

Im letzten Jahr hat Marilyn Manson, also die Band, nach unzähligen Mitgliederwechseln – Warner selbst blieb natürlich die Konstante – ihr inzwischen elftes Studioalbum We are Chaos vorgelegt, mitproduziert von Country-Sänger Shooter Jennings, der auch an den Songs mitschrieb. Der Erscheinungstermin der Platte war – vielleicht ein Zufall, vielleicht auch nicht – der 11. September 2020.

Auf geht’s:
Direkt im Intro des Openers Red, black and blue fühlte ich mich an Dee Snider’s Strangeland erinnert: Düster, unheilvoll, bizarr – wir hören 100% Manson, keine Marilyn weit und breit. Auch der sich daraus entwickelte Song bleibt dem Schema treu. Purer Drumbeat, harter Basslauf, charakteristisches Manson Gehauche und Geschreie. Gelungener Einstieg.

Anschließend verändert sich die Stimmung mit der titelgebenden Ballade We are Chaos. Dieser Track fasziniert mich. Auf der einen Seite kann ich mir sofort vorstellen, dass die ruhige, melodiöse Nummer auch im Popradio stark rotiert, auf der anderen Seite ist er doch so manson-durchtränkt, melancholisch und speziell, dass sich hier eine schön glänzende Perle in einer unscheinbaren Muschel versteckt. Sollte ich einem Blinden beschreiben müssen, wie ein Betty Boop Striptease aussieht (passiert ja ständig!), ich würde sagen, so wie We are Chaos klingt:

Interessanterweise zieht sich die melancholisch melodiöse Stimmung durch weite Teile des Albums. Der aggressive Manson zieht sich in tiefer Verbeugung und mit gezücktem Zylinder zurück und macht Platz für die zauberhafte Marilyn. So klingen Paint you with my love, Broken Needle oder auch das klavier-getragene (sehr starke!) Half-way & one step forward als träfe Trent Reznor auf The Cure.

Mit Infinite Darkness, das vom Titel her eine unheilvoll düstere Rockexplosion vermuten lässt, klopft man nochmal zaghaft an Mansons Tür, um den Aggressor zurück auf die Scheibe zu holen, aber der macht nicht auf. Und so gehört der Rest der Platte vollends der lieblichen Marilyn. Das Albumcover (siehe oben) ist in meinen Augen deshalb ziemlich irreführend, hätte ich mir eine andere Härte vorgestellt. Gedanklich bin ich immer bei Marcy Playgrounds Single Cover zu Sex and Candy (siehe hier – das hätte gepasst). Vielleicht ist aber gerade das mein „Problem“: Die Erwartungshaltung. Denn die Diskrepanz zwischen Cover und Musik passt in ihrer Ambivalenz wiederum zu Künstler und Band.

Fazit:
Das Album lässt mich ein wenig ratlos zurück, was – zugegeben – schlecht ist für eine Rezension. Die balladesken Lieder sind handwerklich sehr gut umgesetzt, aber auf Dauer war mir das zu wenig. Auf einen Langzeit-Aha-Effekt und einen wütenden Manson warte ich noch immer. Viele Lieder klingen zu ähnlich, zu zahm. Mit We are Chaos macht Marilyn Manson einen großen Schritt in Richtung „künstlerische Freiheit“ und das gefällt mir. Jedoch werden längst nicht alle Facetten der Freiheit ausgeschöpft, die möglich gewesen wären. Free Manson!

6,5/10 Wellenbrechern

#14 Das dreckige Dutzend (Guilty Pleasure)

Immer mal wieder sprachen wir On Air und Off Air inoffiziell über unsere Guilty Pleasures, also Musik, für die man sich ein bisschen schämt, dass man sie gerne hört. Bands und Künstler wie „Deine Freunde“ oder „Heinz Rudolf Kunze“ waren ja schon mal Thema. Heute konnten wir uns nun endlich genug Mut antrinken, um euch auch offiziell unsere 4×3 liebsten Guilty Pleasures zu präsentieren: Bands, Künstler, Songs… Seid stark und hört rein! Aber bitte verurteilt uns nicht – wir sind doch auch nur Menschen!
Ach ja, natürlich interessieren wir uns auch brennend für eure peinlichsten oder skurrilsten Guilty Pleasures. Lasst uns und die Community gerne daran teilhaben.

#13 Sauna & Croissants – unsere Festival-Diskussion

Leider fielen auch 2021 die meisten Musikfestivals coronabedingt ins Wasser. Grund genug für uns, in der heutigen Folge in Erinnerungen zu schwelgen. Dazu hatten wir bereits im Vorfled nach euren Anekdoten, Likes und Dislikes gefragt. Freut euch auf eine Episode voller Spaß, Vorfreude, aber auch – wie ihr es gewohnt seid – kritischer Töne, wenn wir die Festivalkultur und – Landschaft beleuchten.

Natürlich hat jeder von uns auch wieder seinen Tipp aus’m Pit für euch dabei, die dieses Mal in einer hitzigen Diskussion enden.

In der Albumbesprechung widmen wir uns heute Instrument – dem Debütalbum des deutschsprachigen Post-Metalcore Projekts Bed and Breakdown.

Im abschließenden Schnell-Ratespiel geht es knallhart auf Zeit. Denn es kann nur Einen geben! Welche Strafe erwartet den Verlierer heute? Und nun, auf geht’s! Push the button:

„Tipps aus’m Pit“ zum Nachbetrachten (aus #13)

Felix: Disarstar – Deutscher Oktober (LP, 2021)

Eine erfrischende neue Stimme am deutschen Hip Hop Himmel mit intelligenten Texten von gesellschaftlicher Relevanz. Tickets für die kommende Tour sind schon „auf Täsch“!

Alex: Gus & ich von Keith Richards

Heute mal keine Musiik, sondern ein sehr empfehlenswertes Kinderbuch. Stones Gitarrist Keith Richards erzählt hier die Geschichte, wie er dank seines Opas Gus zum Gitarre spielen kam. Die Illustrationen sind von Richards‘ Tochter. Eine CD, auf der der Mann mit der Raucherstimme die Geschichte vorliest und auf seiner Akustikgitarre klampft, liegt dem Buch bei.

bei Interesse: SUPPORT YOUR LOCAL DEALER

Marco: KIZ – Rap über Hass (LP, 2021)

Ja, ja… kaum eine deutsche Combo polarisiert wie KIZ – auch im Wellenbrecherbereich (höre #13). Die neue Scheibe jedenfalls, die nach langer Funkstille jüngst erschien, wurde von Fans sehnlichst erwartet. Derbe Punchlines, wohin das Ohr auch hört!